Codecheck Zweifelhafte App für Kosmetik-Check

Berlin · Die App "Codecheck" verrät, was in Nahrung und Kosmetik steckt. Darin finden sich Bewertungen der Inhaltsstoffe. Trauen sollten Nutzer den Daten allerdings nicht, denn die Infos sind bis zu 16 Jahre alt.

 Die App "Codecheck" bildet die Inhaltsstoffe eines Produkts ab.

Die App "Codecheck" bildet die Inhaltsstoffe eines Produkts ab.

Foto: Radowski

Verbraucher sind verunsichert: Sind Parabene im Duschgel gefährlich? Lactose und Gluten ungesund? Antworten darauf sollen Apps liefern. Nutzer müssen einfach nur den Barcode einscannen und bekommen dann eine Einordnung des Produkts.

Florian Fuchs ist einer von 2,3 Millionen Nutzern der "Codecheck-App" von "Codecheck.info". Der Stuttgarter ist Allergiker und leidet unter der Hauterkrankung Neurodermitis - seit einem Jahr nutzt er die App. Unter anderem achtet der 25-jährige Student darauf, dass wenig chemische Zusatzstoffe und Parabene in seiner Kosmetik sind. "Ich vertraue auf die Angaben der App und verwende ,Codecheck' auch zur Kaufentscheidung in der Drogerie", sagt er. Falls ein Produkt nicht in der App aufgelistet ist, kann Fuchs es selbst mitsamt den Inhaltsstoffen eingeben. Die App, die auch online unter www.codecheck.info zu finden ist, listet die Inhaltsstoffe, die in einem Produkt stecken, auf und bewertet diese unter anderem mit "empfehlenswert", "nicht empfehlenswert" oder sogar "unbedingt meiden".

Wichtig bei jeder App: Die Bewertungen sollten unabhängig sein. Bei Codecheck scheint dies zunächst der Fall zu sein: Unabhängige Experten werden bei jedem Inhaltsstoff als Quelle genannt, auch der Grund für die Einstufung ist angegeben. Eine Quelle, die häufig bei Kosmetikartikeln in der App verwendet wird: Öko-Test. Doch auf Nachfrage unserer Redaktion beim Magazin wird klar, dass Öko-Test gar nicht als Quelle genannt werden möchte. Die Infos, auf die sich die App bezieht, sind 16 Jahre alt, sagt Jürgen Stellpflug, Chefredakteur und Geschäftsführer des Magazins. Und nicht nur das: Öko-Test hätte im Jahr 2006 zwar das Verwenden der Kosmetikliste (Stand 2000) erlaubt, diese Erlaubnis jedoch im Jahr 2009 zurückgezogen. "Das war dem Unternehmen egal", sagt Stellpflug, der überlegt, rechtliche Schritte gegen Codecheck einzuleiten. Denn: "Codecheck hat angefangen, unsere Bewertungen umzuschreiben. Das ist nicht zulässig" - vor allem weil als Quelle weiterhin Ökotest genannt wird. "Codecheck schiebt uns Bewertungen zu, die wir so nie treffen würden", sagt Stellpflug. Dazu Codecheck: "Die Informationen der Quellen werden nachgeführt, aber nur in Absprache oder auf Basis der jeweiligen Informationsquellen. Sonst ist es ein Fehler."

Zum Vorwurf, veraltete Daten zu nutzen, äußert sich ein Sprecher des App-Unternehmens wie folgt: "Die Kosmetiklisten wurden im Jahr 2000 von Ökotest erstellt und 2004 aktualisiert. Neuere Einschätzungen von Ökotest zu einzelnen Inhaltsstoffen wurden zusätzlich nachgeführt." Eine zweite Quelle in der App ist "H. Knieriemen" , häufig neben Lebensmittelinhaltsstoffen zu lesen. Der Experte ist jedoch vor zwei Jahren gestorben. Dazu Codecheck: "Seine Expertisen sind kritisch, aber immer noch aktuell."

Selbst wenn die Daten auf dem neusten Stand wären, stuft Monika Pischetsrieder, Lebensmittelchemikerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Apps nach dem Prinzip "Codecheck.info" als problematisch ein. Denn die App bewertet auch Lebensmittel als bedenklich, die Gluten oder Palmöl enthalten. Das dürfe man jedoch gar nicht vermischen, ist sich die Expertin sicher. "Man erweckt den Eindruck, als wären diese Lebensmittel für alle Verbraucher gesundheitsschädlich", sagt Pischetsrieder. Es käme immer auf den Einzelfall an, ob man darauf reagiert oder nicht. Im Zweifelsfall sollten Allergiker oder Menschen, die aus ethischen Gründen bestimmte Stoffe meiden möchten, auf die Rückseite der Kosmetik oder der Lebensmittel-Produkte schauen. "Dazu brauche ich keine App."

Anmerkung der Redaktion: Im August 2019 weist Codecheck über eine Sprecherin darauf hin, dass das Unternehmen „nach einer kurzen Pause und dem Umstrukturieren der Bewertungen“ wieder mit Öko-Test zusammenarbeite. „Im Jahr 2016 gab es kurz Unstimmigkeiten, was vertragliche Einzelheiten zwischen CodeCheck und Ökotest betraf. Diese Unstimmigkeiten konnten aber komplett behoben werden.“ Für Produktinformationen greife CodeCheck „stets auf seriöse Datenquellen und renommierte Experten zurück“. Ein eigenes wissenschaftliches Team arbeite stetig daran, die Bewertungen auf aktuellem Stand zu halten. „Wer auf Mikroplastik, Palmöl, Gluten, Laktose und viele weitere Inhaltsstoffe verzichten möchte, der kann die App personalisieren und sich Alternativprodukte anzeigen lassen, die diese Stoffe nicht enthalten. Das heißt, dass Gluten oder Palmöl auch nur dann als ,bedenklich' angezeigt werden, wenn der User eingestellt hat, dass er diese Stoffe meiden möchte.“

(RP)
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