Stuttgart Zwischen E-Klasse und Enttäuschung

Stuttgart · Daimler hat ein Rekordjahr hinter sich: Umsatz, Ergebnis, Absatz erklommen neue Höchststände. In diesem Jahr könnte der Konzern sogar den Rivalen BMW an der Weltspitze als beliebteste Premiummarke ablösen. Doch an der Börse ging es bergab.

Es ist nur noch ein kleiner Schritt zurück an die Weltspitze: 1,99 Millionen Mercedes und Smart hat Daimler im vergangenen Jahr weltweit verkauft, so viele wie nie. Auch der Umsatz und der Gewinn der Stuttgarter sind rasant gestiegen. Noch liegt der bayerische Rivale BMW zwar mit 2,25 Millionen verkauften Fahrzeugen vorne. Doch der Abstand wird kleiner. Daimler, davon geht inzwischen mancher Branchenbeobachter aus, könnte sein Ziel, bis spätestens 2020 wieder die Nummer eins bei den Premiummarken zu sein, möglicherweise schon in diesem Jahr schaffen. Die Rückkehr an die Weltspitze dürfte vor allem bei einem für Genugtuung sorgen: Dieter Zetsche.

2009 sah die Welt für den Daimler-Chef noch anders aus - nach einem Jahresverlust von 2,6 Milliarden Euro stand Zetsche extrem unter Druck. Es hagelte Kritik von Arbeitnehmervertretern und Aktionären. Doch der Manager überstand diese Zeit und steht nun wieder glänzend da. "Natürlich haben wir damals gewusst, welche Fahrzeuge wir in der Pipeline haben und dass uns das enormen Schub geben wird", sagte er zuletzt rückblickend in einem Gespräch mit der "Welt am Sonntag". Die Perspektiven seien gut, so Zetsche damals. Im April startet der Verkauf der neuen E-Klasse, einem der wichtigsten Modelle des Konzerns. Man habe alles, so Zetsche, um weiter wachsen zu können.

Allerdings erschweren die Umstände den Aufstieg: Der Abgasskandal bei Volkswagen hat ein Beben in der Branche ausgelöst, bei dem noch nicht abzusehen ist, ob nicht auch andere Hersteller Schaden erleiden. Die Deutsche Umwelthilfe behauptet, auch bei Mercedes, Renault, Opel und BMW gebe es erhöhte Diesel-Werte im Straßenbetrieb. "Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert", betonte Zetsche zwar zuletzt.

Und doch steigt der Druck. Vergangene Woche musste Daimler französischen Behörden wegen hoher Abgaswerte bei Tests im Realbetrieb Rede und Antwort stehen. Auch das Kraftfahrtbundesamt hat zwei Tage lang Mercedes-Fahrzeuge getestet.

Doch die deutsche Behörde hält die Ergebnisse ihrer Messungen, bei denen 50 Fahrzeuge verschiedener Hersteller getestet wurden, bislang unter Verschluss. Noch liege kein Endergebnis vor, hieß es auch gestern wieder auf Anfrage, es werde noch geprüft. Zetsche ist sicher, dass Mercedes nichts zu befürchten hat: "Nach meiner Kenntnis sind keine auffälligen Abgaswerte gemessen worden."

Immerhin: Noch hat die Diesel-Problematik keine gravierenden Auswirkungen auf den Absatz. Ganz anders die Wirtschaftskrise in China, Daimlers wichtigstem Markt. Nach einem Wachstumsplus von 41 Prozent dank neuer Modelle werde die Wachstumsrate in der Volksrepublik 2016 etwas moderater ausfallen, kündigte Daimler gestern bei Vorstellung der Zahlen an. Und schon ging es an der Börse bergab.

Der Rekordumsatz von 149, 5 Milliarden Euro (plus 15 Prozent), ein um fast ein Viertel gestiegener Nettogewinn von 8,9 Milliarden Euro - all das zählt für Anleger wenig, wenn gleichzeitig nur noch leichtere Steigerungen in diesem Jahr angekündigt werden. Der Kurs der Daimler-Aktie, immerhin dem nach SAP, Bayer, Siemens und Telekom fünftwertvollsten Konzern in Deutschland, sackte um 3,17 Prozent auf 61,14 Euro ab. Zetsche kennt solche Turbulenzen schon. Und deswegen sagt er gelassen: "Erfolge muss man sich immer wieder neu erarbeiten."

(frin)
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