Schülerstudenten Erst das Studium, dann Abitur

Düsseldorf · Yannick Jonat studiert seit sieben Semestern an der Uni Duisburg-Essen. Dabei macht er erst im Sommer sein Abi. Der Kerkener ist Schülerstudent. Die Kurse, die er belegt, werden ihm für den Hochschulabschluss angerechnet.

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Foto: ddp

Dieses Semester noch, dann hat Yannick Jonat alle seine Bachelor- und Masterscheine beisammen. Nach sieben Semestern Studium. Das allein ist schon besonders — allerdings ist Yannick erst 18 Jahre alt, macht im Sommer sein Abitur. Yannick Jonat aus Kerken studiert zwei Tage in der Woche an der Universität Duisburg-Essen, als Schülerstudent.

"In der zehnten Klasse haben mich zwei Lehrerinnen angesprochen, ob ich nicht an die Uni gehen wolle. Damals wusste ich von dieser Möglichkeit gar nichts, fühlte mich in der Schule aber unterfordert. Und so schrieb ich mich für Wirtschaftsingenieurwesen mit der Vertiefung Energietechnik ein", sagt Yannick.

"Tolle Herausforderung"

Anspruchsvolle Mathe-Aufgaben mit Rechenwegen, die er in der zehnten Klasse noch nicht kennen konnte, erwarteten den damals 15- Jährigen. "Das war eine tolle Herausforderung. Ich habe mir das fehlende Wissen selbst beigebracht. Und nachdem ich zu Beginn nur einen Kurs in der Woche belegt hatte, wurden es immer mehr. In diesem Semester lerne ich für zwölf Veranstaltungen."

Das Besondere und der Grund dafür, dass Yannick schon jetzt alle benötigten Scheine für Bachelor und Master errungen hat: Er hat als Schülerstudent keine Präsenzpflicht, lernt viel zu Hause über Online- Plattformen und mit Büchern. "Ich schreibe also bei vielen Kursen nur die Klausuren mit."

Während er an der Uni mit 15 Jahren noch etwas schräg angesehen wurde, akzeptieren Yannicks Kommilitonen ihn mittlerweile als ebenbürtig. Man hilft sich gegenseitig bei kniffligen Aufgaben. Er kennt sich bestens auf dem Campus, in der Bibliothek und überhaupt mit dem "System Uni" aus und hat damit seinen Mitschülern viel voraus.

Auf dem Gymnasium muss Yannick dafür sorgen, in allen Fächern bewertbar zu sein. "Durch die Woche bleibt ehrlich gesagt kein Raum für Freizeit. Aber am Wochenende verwandle ich mich in einen normalen 18-Jährigen, der seine Freundin trifft und unterwegs ist."

Gerne "oben mitmischen"

Nach dem Abitur im Juni wird Yannick regulärer Student in Duisburg- Essen — und schreibt dann direkt Bachelor- und Masterarbeit. "Außerdem muss ich noch ein Praktikum machen." Sein Ziel: Er möchte gerne mal "oben mitmischen", eine Führungsposition in der Wirtschaft erreichen.

"Vielleicht werde ich vorher noch promovieren." Dass jemand in dreieinhalb Jahren Schülerstudium so weit kommt wie Yannick, sei nicht der Regelfall, betont Michaela Christoph, an der Universität Duisburg-Essen Leiterin des Kompetenzbereichs Schule/ Hochschule. 125 Schüler studieren in diesem Semester in den unterschiedlichsten Fächern an der Uni — im Jahr 2003 hatte man mit zehn Jugendlichen begonnen.

Besonders beliebt sind die Fächer Informatik, Mathematik, Biologie sowie die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. "Deutschlandweit kann man inzwischen an nahezu jeder Universität als Schüler studieren, und auch die Fachhochschulen ziehen nach", sagt Michaela Christoph. Insgesamt gib es rund 1700 deutsche Schüler an 50 Hochschulen, die Abitur und Studium in einem absolvieren.

Das Schülerstudium, auch Junior- oder Frühstudium genannt, funktioniert so: In einem speziellen Schüler-Vorlesungsverzeichnis schaut man am besten erst einmal nach, welche Seminare und Vorlesungen die jeweilige Uni für Schüler öffnet. Bei Interesse können sich leistungsstarke Schüler der Oberstufe meist einfach online anmelden.

Die Uni Duisburg-Essen verlangt dabei nur die Bestätigung der Schule, andere Universitäten fordern auch ein Zeugnis. "Die Schüler können sich dann überlegen, ob sie die Vorlesungen und Seminare einfach einmal in der Woche besuchen, oder ob sie auch Klausuren mitschreiben und damit Bachelor- Punkte sammeln möchten", sagt Christoph.

Nach dem Abi die Bachelorarbeit

"Diese werden dann im richtigen Studium nach dem Abi angerechnet." Dieses System spart später Zeit, und wer viel für das Schülerstudium tut, dem fehlen nach dem Abi gegebenenfalls nur noch wenige Punkte und die Abschlussarbeit zum Bachelor. "Wichtiger als die Zeitersparnis ist aber, dass man sich im System Uni schon auskennt", sagt Michaela Christoph.

"Deshalb macht es auch nichts, wenn man ein Fach im Schülerstudium nach einem Semester abbricht und etwas anderes studiert. Denn so weiß ich dann wenigstens, dass zum Beispiel BWL nichts für mich ist."

Das weitgehend offene System des Schülerstudiums in Deutschland gilt auch für Numerus-clausus- Fächer und die Medizin, allerdings mit Einschränkungen. In der Medizin dürfen in der Regel keine Klausuren mitgeschrieben werden. Und: Auch wer schon Punkte über das Schülerstudium gesammelt hat, muss sich um den Studienplatz bewerben. Vorteile im NC-Verfahren hat man dadurch nicht.

(chk)
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