Zehn Jahre Rechtschreibreform Kennen Sie eigentlich die Regeln?

Wiesbaden (RPO). Die Aufregung hat sich gelegt, die Unzufriedenheit bleibt. Vor zehn Jahren, am 1. August 1998, begann die Einführung der Rechtschreibreform in Deutschland. Nach zahlreichen Protesten und Änderungen hat sich nur ein kleiner Teil des Reformwerks durchsetzen können. In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab.

"Man wollte eine sehr grundsätzliche Reform machen", sagte Ludwig Eichinger, der Leiter des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in der Rückschau: "Das ist zumindest sehr schwierig bei einer Sprache, die eine sehr lange Schreibtradition hat." Die komplizierte, von zahlreichen Regeln und fast ebenso vielen Ausnahmen bestimmte deutsche Rechtschreibung sollte einfacher und logischer werden. Dies war der Grundgedanke der Reform.

Die Vorarbeiten für die neue Rechtschreibung hatten bereits in den 80er Jahren begonnen. Am 1. Juli 1996 unterzeichneten dann staatliche Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Wien eine gemeinsame Absichtserklärung. Danach sollten die neuen Regeln ab dem 1. August 1998 in Behörden und Schulen gelten.

Als Nachteil erwies sich bald, dass über die Arbeit am neuen Regelwerk von den Medien kaum berichtet worden war. So erfuhr die Öffentlichkeit von der Tragweite der Reform erst, als sie bereits beschlossene Sache war. Umso heftiger begann ab Herbst 1996 die Diskussion in Deutschland. Zu einer schweren Hypothek für die Reform wurde dabei, dass sich nahezu alle namhaften deutschen Schriftsteller, aber auch angesehene Institutionen wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gegen die Reform stellten.

Große Medien wandten sich von Reform ab

Die Reformgegner stellten die neue Rechtschreibung grundsätzlich in Frage und forderten eine Rückkehr zur traditionellen Schreibweise. "Die Kritik war berechtigt", sagt noch heute der Reformgegner Theodor Ickler. Die Reform habe zur Verunsicherung und nicht zu mehr Sicherheit im Umgang mit dem Schriftdeutsch geführt. Die Zahl der Problemfälle, in denen sich leicht Fehler einschleichen, habe sich verzehnfacht, schätzt der Erlanger Germanistikprofessor

Doch trotz aller Kritik blieb die Politik zunächst standhaft. Als sich in Schleswig-Holstein 1998 die Bürger in einem Volksentscheid mehrheitlich gegen die Reform stellten, ließ die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) das Ergebnis per Landtagsbeschluss wieder aufheben. Auch die Kultusminister erklärten immer wieder, dass es bei der Reform kein Zurück gebe. Dass die "Frankfurt Allgemeine Zeitung" 2000 zur alten Rechtschreibung zurückkehrte, blieb zunächst folgenlos.

Erst im Sommer 2004 änderte sich die Situation schlagartig. Zum einen stellte sich der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) öffentlich gegen die Reform und erhielt dafür Beifall von zahlreichen CDU- und FDP-Politikern. Wenige Wochen später kündigten mit der Axel Springer AG und dem Spiegel-Verlag zwei der größten und einflussreichsten deutschen Medienhäuser an, dem Beispiel der FAZ folgen zu wollen. Damit war die Rechtschreibreform in eine Existenzkrise geraten.

Eine zentrale Rolle sollte nun dem von der Kultusministerkonferenz einberufenen Rat für deutsche Rechtschreibung zufallen, der sich am 17. Dezember 2004 konstituierte. Bis Anfang 2006 überarbeitete das Expertengremium das Reformwerk und nahm zahlreiche Änderungen in besonders umstrittenen Bereichen vor, etwa bei der Groß- und Kleinschreibung oder der Getrennt- und Zusammenschreibung. Die neuen Regeln wurden von der Kultusministerkonferenz gebilligt und zum 1. August 2006 in den Schulen eingeführt.

Nur neun Prozent für neue Rechtschreibung

Auch wenn Gegner der Rechtschreibreform mit dem im Rat gefundenen Kompromiss unzufrieden sind, ist doch nicht zu verkennen, dass die Arbeit des Gremiums den Konflikt weitgehend beendet hat. Nach Spiegel und Springer schwenkte zum 1. Januar 2007 auch die FAZ auf die nunmehr reformierte neue Rechtschreibung um. Da sich auch alle deutschen Nachrichtenagenturen auf das reformierte Regelwerk einigten, ist zumindest in den Massenmedien eine weitgehende Einheitlichkeit der Schriftsprache wieder hergestellt.

"Es ist so gekommen, wie man hoffen konnte", sagt IDS-Chef Eichinger: "Der Pulverdampf hat sich gelegt." Doch trotz der wieder gewonnenen Einheitlichkeit ist die neue Rechtschreibung auch zehn Jahre nach ihrer Einführung nicht populär geworden. Eine im Juni veröffentlichte Allensbach-Umfrage ergab, dass nur neun Prozent der Bevölkerung die neuen Regeln positiv bewerten. 55 Prozent lehnen sie weiterhin ab.

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