Komplette Zerstörung droht Neapel zittert vor Super-Vulkan

Neapel · Rund um Neapel macht Vulkanforschern nicht nur der Vesuv Sorgen: Ein Ausbruch der benachbarten Phlegräischen Felder könnte Neapel komplett zerstören und weltweit Folgen haben. Der Supervulkan liegt direkt neben der italienischen Millionenstadt.

 Ein Blick auf die Phlegräischen Felder bei Neapel.

Ein Blick auf die Phlegräischen Felder bei Neapel.

Foto: dpa, Istinuto Di Vulcanologia

Die letzte Eruption der Phlegräischen Felder gab es 1538, dabei entstand ein neuer Berg. Sorgen macht nun den Wissenschaftlern, dass sich die Erde seit den 1970er Jahren immer wieder hebt und senkt - bis zu einen Meter. Eine Studie von Experten aus Neapel sieht Zeichen für einen Anstieg von Gasen im Erdinneren - und bestätigt, dass eine riesige Magmablase die Phlegräischen Felder im Westen der Stadt und den Vesuv im Osten verbindet.

Die Region gilt mit beiden Vulkanen als eine der vulkanisch am meisten gefährdeten Gegenden Europas. Die Phlegräischen (griechisch: brennenden) Felder umfassen Dutzende Eruptionskrater auf 150 Quadratkilometern. Der erste Ausbruch vor rund 34.000 Jahren soll mit denen des Tambora 1815 und des Krakatau 1883 in Indonesien vergleichbar gewesen sein, die das Weltklima veränderten.

Ein internationales Forscherteam will nun mit Bohrungen erkunden, was im Erdinneren vor sich geht. "Man sieht, dass das Ganze eine gewisse Bewegung zeigt, das ist beunruhigend", sagt der Potsdamer Geowissenschaftler Ulrich Harms, der zu dem Team gehört. Im Juli startete unter Leitung von Giuseppe De Natale vom Osservatorio Vesuviano des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) die erste Bohrung. "In den letzten 40 Jahren gab es Phänomene, die es vorher nicht gab. Wir verfolgen sehr aufmehrsam die Veränderungen", sagt De Natale.

Bohrungen sollen Ergebnisse bringen

Auf einem stillgelegten Fabrikgelände im Stadtteil Bagnoli im Westen der Millionenstadt schraubte sich das Bohrgestänge in die Tiefe, zunächst auf rund 200 Meter. Ende November soll es weitergehen bis auf rund 500 Meter. Danach wird über die Tiefe der Hauptbohrung entschieden. Drei Kilometer könnten es werden. Messinstrumente sollen dann im Bohrloch versenkt Bewegungen in der Erde aufzeichnen.

Die Forscher wollen so allgemeine Erkenntnisse über sogenannte Caldera- oder Supervulkane gewinnen, deren Eruptionen zu kesselartigen Einbrüchen führen. "Es gibt weltweit über 100 Calderen, aber wie aktiv sie sind, weiß man nicht. Denn sie brechen nur sehr selten aus, alle paar zehntausend Jahre", sagt Harms. Zugleich sollen die Messungen Hinweise auf die aktuelle Aktivität des Vulkans geben - und somit auf eine mögliche Gefahr für Neapel.

Das Bohrprojekt stößt bei einigen Bürgern und neapolitanischen Wissenschaftlern auf Kritik. Die Rede ist vom "Spiel mit dem Feuer". Die Bohrung finde in dicht besiedeltem Gebiet statt. Giuseppe Mastrolorenzo vom INGV kritsiert zudem, trotz der permanenten Gefahr eines Ausbruchs unabhängig von der Bohrung bestehe kein Notfallplan.

Beunruhigende Signale

Mastrolorenzo und seine Kollegin Lucia Pappalardo fanden neue beunruhigende Signale. Unter anderem schreite die Kristallisierung des Minerals Sanidin schnell voran, schreiben sie in den "Scientific Reports" (Nature Verlag). Das sei ein Indikator für den Anstieg von Gasen - was wiederum die Explosionsgefahr erhöhe.

Was die Bohrung der internationalen Gruppe bewirken könne, wisse niemand sicher, sagt Mastrolorenzo. Auch andere Wissenschaftler aus Neapel warnen vor einem möglichen Austritt giftiger Gase oder auch Explosionen. "Das ist ein schwer vorstellbares Szenario", sagt hingegen Harms. Ventile würden mögliche heiße Dämpfe stoppen; das Bohrloch könnte verschlossen werden. Die Bohrung sei für den Vulkan nur ein Nadelstich. "Das wäre, wie wenn man eine großen See durch einen Strohhalm entwässern wollte."

Geothermische Energiegewinnung möglich?

Das Projekt soll auch prüfen, ob geothermische Energiegewinnung möglich ist. Italien hat viel Potenzial, Kraftwerke gibt es fast nur in der Toskana. Der größte Stromkonzern Enel will die Geothermie ausbauen und "die Grenzen der Toskana überwinden". In den 1970er Jahren gab es erste Erkundungen bei Neapel, die aber nicht verfolgt wurden.

Immer drängender wird die Forderung nach einem detaillierten Krisenplan. "Ein Notfallplan ist vor über 20 Jahren vom Zivilschutz angekündigt worden und liegt bis heute nicht vor", kritisiert Mastrolorenzo. Vincenzo Figliolia, Bürgermeister der Stadt Pozzuoli nordwestlich von Neapel, rief den Zivilschutz zum Handeln auf. Das Szenario bei einem Ausbruch der Campi Flegrei müsse schnellstmöglich geprüft und neben dem kommunalen Evakuierungsplan in einem nationalen Plan umgesetzt werden - "zum Schutz unserer Bevölkerung".

(dpa)
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