Wie James Cook 1769 auf Tahiti den Venustransit erlebte Venustransit im Machtpoker um Australien

Frankfurt/Main (rpo). Wenn die Mitteleuropäer am Dienstag den spektakulären Venustransit am Himel verfolgen, dann sehen sie ein Schauspiel, das vor 235 Jahren auch schon der Entdecker James Cook auf Tahiti beobachten konnte. Doch was heute einfach nur schön anzuschauen ist, war damals Teil eines knallharten Machtpokers.

Der Venustransit am 8. Juni 2004
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Der Venustransit am 8. Juni 2004

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Foto: AP

Es ging Cook und der britischen Krone um Machtpolitik auf der Suche nach der sagenhaften Terra Australis.

Was sich am Dienstag zwischen 07.20 Uhr und 13.23 Uhr im Zusammenwirken von Sonne, Venus und Erde abspielt, ist ein höchst seltenes Naturereignis, das kein heute lebender Mensch jemals zu Gesicht bekommen hat. Der letzte so genannte Venustransit, der von Deutschland aus beobachtet werden konnte, fand vor 122 Jahren statt.

Zum allerersten Mal in der Neuzeit hat nach Recherchen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wohl der Engländer Jeremiah Horrocks im Jahr 1639 den Venusdurchgang wissenschaftlich verfolgt. Ihm gelang es mit Hilfe der Keplerschen Gesetze, den nächsten Venustransit richtig für 1761 vorauszuberechnen.

Damals war auch schon bekannt, dass die Venus, wenn sie denn nur alle 122 Jahre von der Erde aus ihren Lauf über die Sonne antritt, dies dann im Abstand von acht Jahren gleich noch einmal tut. Wer also wusste, dass der Venustransit 1761 beobachtet werden kann, dem war auch klar, dass der nächste 1769 stattfinden würde.

Das kam Georg III. von Großbritannien zupass, einem konservativen Machtmenschen mittelalterlicher Prägung, unter dessen Herrschaft sich die nordamerikanischen Kolonien zu erheben begannen und schließlich ihre Unabhängigkeit erkämpften.

Um den schwindenden Einfluss Londons in Nordamerika zu kompensieren, strebte Georg III. die Einverleibung des geheimnisvollen, so gut wie unentdeckten Pazifiklandes an, von dem so mancher Seefahrer erzählte, das bis dahin aber nur wenige betreten hatten. Doch hätte eine offizielle Erkundungs- und Eroberungsexpedition der Engländer zu einem globalen Eklat geführt: Eifersüchtig achteten die Niederlande, Spanien und Portugal darauf, dass ihre Überseekolonien und die damit verbundenen Handels- und Einflusssphären nicht verletzt wurden.

Unterwegs in verdeckter Mission

Und so war es der britischen Krone nur Recht, den Venustransit als Alibi für einen Ausflug in den Pazifik zu nutzen. James Cook segelte auf seiner ersten großen Reise offiziell in wissenschaftlicher Mission um die Welt, war aber gleichzeitig als verdeckter Landräuber unterwegs. Er sollte Georg die Terra Australis zu Füßen legen, die bisher - ohne die Größe des Kontinents zu ahnen - nur vereinzelte portugiesische und niederländische Seefahrer flüchtig besucht hatten.

Dass Cooks Reise in wissenschaftlicher Hinsicht scheiterte, war nicht seine Schuld, sondern die ungenauer Instrumente. Zwar verfügte man über die damals modernsten Mittel, um den Transit des 3. Juni 1769 zu dokumentieren, doch scheiterte der ehrgeizige Versuch, den genauen Abstand zwischen Erde und Sonne mit Hilfe der Dauer des Venusdurchgangs zu bestimmen.

Doch den zweiten und für ihn wichtigeren Zweck der Reise erfüllte Cook ohne Tadel: Er segelte weiter Richtung Westen, entdeckte und kartografierte, dass Neuseeland aus zwei großen Inseln bestand, und landete 1770 schließlich an der Südostküste der gewaltigen Landmasse, die heute Australien heißt. Cook nahm den Landstrich für die britische Krone in Besitz und taufte ihn New South Wales. Und von 1788 an schickte Georg III. Englands Strafgefangene nicht mehr in die abgefallenen Kolonien Nordamerikas, sondern nach "down under".

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