"Communities Summit" Facebook fördert Gruppen mit zehn Millionen US-Dollar

London · 2018 will sich Facebook neu erfinden. Mitglieder, die eine Gruppe mit gesellschaftlichem Engagement betreuen, können auf eine Millionenförderung hoffen. In London haben sich Gruppen-Betreiber zum Austausch getroffen. Es wurde deutlich: Facebook hat noch viel Arbeit vor sich.

 Europa-Chefin Nicola Mendelsohn bei der Eröffnung des Facebook Communities Summit in London.

Europa-Chefin Nicola Mendelsohn bei der Eröffnung des Facebook Communities Summit in London.

Foto: Facebook

Sie gilt als die mächtigste Frau der britischen Tech-Industrie. Seit 2013 leitet die ehemalige Werbe-Managerin Nicola Mendelsohn Facebook in Europa, im Mittleren Osten und in Afrika. Doch bei der Eröffnung des "Facebook Communities Summit", einem Treffen mit rund 300 Gruppen-Organisatoren aus ganz Europa, überraschte sie am Freitag nicht mit einer technischen Neuheit, sondern mit einer sehr persönlichen Geschichte.

Vor einem Jahr ist bei ihr das Follikuläre Lymphom diagnostiziert worden, ein unheilbarer Blutkrebs. Ausgerechnet eine Facebook-Gruppe hat ihr Halt gegeben, mit dieser Diagnose fertig zu werden. "Sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, ist extrem wertvoll", sagte Mendelsohn im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ich treffe auf Menschen, die verstehen, wie ich fühle und welche Gedanken ich habe."

4000 Leuten aus 90 Länder tauschen sich in dieser Gruppe nicht nur über gesundheitliche Aspekte, sondern auch um Alltagsfragen aus. "Das gibt mir viel Hilfe, gerade wenn man die eigenen Angehörigen nicht überfordern möchte", berichtete Mendelsohn. Viele der Anwesenden zeigten sich gerührt und konnten ähnliche eigene Geschichten erzählen. Denn eins eint die ehrenamtlichen Betreiber der Gruppen, wie Facebook die Foren bezeichnet: Sie wollen mit ihren Themen gleichgesinnte zusammen- und weiterbringen.

Die Gruppen gehören zum Erneuerungsprogramm, welches sich das soziale Netzwerk 2018 verordnet hat. "In diesem Jahr wollen wir uns nicht nur stärker darum kümmern, schlechte Inhalte auf der Plattform zu bekämpfen", erklärte Chris Cox, im Facebook-Vorstand für Produkte zuständig. "Wir konzentrieren uns auch auf Gruppen." Cox stellte nicht nur eine Reihe von neuen Funktionen vor, mit denen Gruppen-Betreiber besser mit ihren Mitgliedern kommunizieren können, er kündigte auch eine millionenschwere Investition an: Facebook will Gruppen mit einem gesellschaftlichen Anliegen insgesamt mit zehn Millionen US-Dollar fördern. So gibt es 100 Stipendien, die mit jeweils 50.000 US-Dollar dotiert sind. Fünf Gruppen-Administratoren können sich sogar die Hoffnung auf eine Förderung in Höhe von einer Million US-Dollar machen.

Facebooks Ziel: Das Gemeinwohl stärken. Die Wette: Je mehr Menschen sich in Gruppen engagieren, von denen sie persönlich profitieren, desto besser wirkt sich das auch auf das Image von Facebook aus. Genau das steht nach wie vor weltweit unter Beschuss. Inzwischen kommt die Kritik vermehrt aus dem Heimatland. In die Reihe der prominenten US-Kritiker hat sich in dieser Woche Schauspieler Jim Carrey eingereiht. Er deaktivierte sein Facebook-Profil und kündigte den Verkauf seiner Unternehmens-Aktien an. Damit wolle Carrey ein Zeichen gegen Facebooks aus seiner Sicht unzureichenden Aufarbeitung des Einflusses russischer Quellen im US-Präsidentschaftswahlkampf aufmerksam machen, zumal Facebook an den ausländischen Werbeanzeigen gut mitverdient habe, ließ der Schauspieler mitteilen.

Facebook Mitarbeiter ärgert es, dass ihre Plattform in der Politik und in den Medien vor allem als Ort für Hassbotschaften, Falschnachrichten oder Katzenvideos wahrgenommen wird. Unterstützung bekommt sie von den ehrenamtlichen Gruppen-Verwaltern wie Stefanie Fassbender. Die Kölnerin betreibt aus Leidenschaft eine Gruppe, in der Möbel für Flüchtlinge organisiert werden. "Ich empfinde Facebooks Engagement als glaubhaft", sagte sie. "Gruppen-Admins engagieren sich für andere sowieso. Ob sie von Facebook dabei unterstützt werden oder nicht, das ändert nichts." Ähnlich sieht es Mozamel Aman. In seiner Gruppe Devugees versucht er Unternehmen, die Entwickler suchen, mit Flüchtlingen zusammenzubringen, die von der Initiative speziell trainiert werden. "Facebook ist nicht nur da, um Katzenvideos zu schauen. Hier entstehen echte Verbindungen zwischen Menschen."

Noch ist Facebooks Gruppen-Welt allerdings ein Nischenphänomen. 200 Millionen Facebook-Nutzer sind Mitglied in einer Gruppe, die Facebook als bedeutungsvoll einstuft. Hier hat das Netzwerk in den nächsten Monaten noch viel Arbeit vor sich. Das weiß auch Nicola Mendelsohn. "Mark Zuckerberg hat uns ein sehr ambitioniertes Ziel vorgegeben. Eine Milliarde Nutzer sollen über Gruppen erreicht werden." Mit der Kraft der Vielfalt wolle Facebook möglichst viele ansprechen. Hoffentlich am Ende die, die die Gesellschaft positiv unterstützen möchten.

(dafi)
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