Jana Pallaske im Interview Tarantinos Mädchen
Düsseldorf · Zwei Filme mit Til Schweiger, einer mit Regisseur Quentin Tarantino kein übler Schnitt für ein einziges Jahr. Doch darum geht es Jana Pallaske kein bisschen: Die Schauspielerin will gut sein und wünscht sich zehn Leben. Barbara Grofe hat sie zum Interview getroffen.
Du spielst in "Inglorious Bastards" mit, dem neuen Film von Quentin Tarantino. War das Casting ein Kampf?
Jana Pallaske Das Casting war toll, Tarantino war umwerfend, großartig, höflich und professionell. Er ist hochkonzentriert, ein leidenschaftlicher Filmemacher mit kochendem Herzblut für die Sache. Er hat eine genaue Vision, die absolut detailliert ist. Aber er liebt die Arbeit, die Filme und Bilder, seine Schauspieler, er lobt sie, zelebriert sie. Und er lässt sie wirklich spielen, die Charaktere leben. Ein Traum von einem Regisseur. Ich habe für eine sehr große Rolle vorgesprochen, aber das hat nicht geklappt.
Warum nicht?
Es gab nur zwei große weibliche Rollen, eine Französin und eine Deutsche. Für die Deutsche war ich zu jung.
Wie bist du dann doch noch in dem Film gelandet?
Er hat gesagt, "But I want her on the movie” und dass er noch einen Part schreibt.
Wie hast du darauf reagiert?
Na, ich bin total dankbar, dass Mr. T. mich dabei haben wollte. Meine Rolle heißt Babette. Sie ist eine Französin, die im besetzten Paris mit deutschen Soldaten sympathisiert, um sich zu schützen. Die Rolle war von vornherein klein angelegt, durch den Schnitt ist sie dann noch kleiner geworden. Der Film ist leider am Ende zu lang geworden. Es war schon so ein umfangreiches Buch, aber so grandios, man wollte auch nichts weglassen.
Wie schlimm ist das für eine Schauspielerin?
Gar nicht. Wichtig bin ja nicht ich, sondern ist das Werk. Normalerweise gibt es im Schauspiel keine Silbermedaille für "Wer hätte die Rolle fast bekommen". Und deshalb bin ich ihm unendlich dankbar, dass er mich drin haben wollte und mir sozusagen seine persönliche "Medal of Honour" gebastelt hat. Natürlich gibt es einen himmelweiten Unterschied zwischen so einer kleinen Rolle und einer, in der man sich komplett beweisen kann. Und einerseits will man einen bedeutenden Teil an einem Werk haben, andererseits ist es aber auch blöd, dass alle den Wert von einem nur daran messen, in was für einem Film von wem man mitspielt.
Aber besonders ist das ja schon als junge Deutsche in so einer riesigen Hollywood-Produktion.
Sicher, aber es ist nicht richtig, sich oder andere Menschen über Statusdinge zu definieren. In so einem Apparat wie der Hollywood-Maschinerie ist es schwierig, normal weiterzumachen und sich eben nicht nur darüber zu definieren. Es ist mir unangenehm, wenn so großes Aufheben darum gemacht wird. Da muss man aufpassen, dass man sich nicht das eigene Gehirn infiltrieren lässt. Nachher definiert man sich nur darüber, mit wem man gearbeitet hat und wie groß die Rolle ist.
Wofür kämpfst du?
Für wahre Werte. Achtsamkeit, Güte. Keine oberflächlichen Sachen halt. Konditionierte Bullshit-Status-Definitionen hinterfragen. Mitgefühl, Teilen, Verantwortungsbewusstsein. Menschlichkeit. Frieden.
Dumm nur, dass nicht jeder so denkt.
Meine Intention ist es, Menschen dahingehend zu inspirieren: zu diesen Werten, dieser Achtsamkeit. Wenn du willst, dass Leid aufhört, musst du zuerst aufhören, Leid zu verursachen. Anderen und dir selbst. Bei dir drinnen musst und kannst du jederzeit anfangen. Man darf nicht immer nur andere verantwortlich machen, jeder kann in sich den Grundstein legen für Gutes, Gerechtes, Friedliches.
Aus was ziehst du Kraft?
Pallaske Reisen ist mir wichtig. Ich sehne mich zurück zu geliebten Menschen und Orten, die auf der Erdkugel verteilt sind. Aber am meisten: Yoga und Meditation. Ohne mein Yoga hätte ich mir in dem ganzen Zirkus definitiv schon die Pulsadern aufgeschnitten. Ich muss immer viel draußen sein an der frischen Luft, in der Natur und auch viel allein. Ich brauche diese Aufladezeiten, Bäume, Grünes, Meer, Himmel, Wolken, Weite, Raum, Rückenschwimmen, eine Brise, die Luft. Nur natürliche Geräusche, Wind in den Blättern, Vögelgezwitscher, den Geruch von warmem Holz und von Sommerregen. Unschlagbar: Dinge einfach loslassen.
Was loslassen?
Groll. Das ist Gift für den Körper. Für das Herz, den Kopf. Groll vergiftet die Gedanken, macht kaputt, verbittert, verspannt. Loslassen zu können ist das größte Geschenk der Welt. Für die Disziplin, das zu schaffen, zu vergeben, kämpfe ich. Aber es ist gar nicht so schwer, wenn man es ausprobiert und merkt, wie gut es tut.
Musst du oft vergeben?
Ja, aber wer denn nicht? Das Leben ist eben nicht nur Zucker. Und ich weigere mich, verbittert zu werden. Auch, wenn das kleine Herz schon oft fies gebrochen wurde und man zwischendurch in einer Kühltruhe leben wollte, um die Gefühle einzufrieren. Ich stürze mich immer wieder mit kochendem Herzblut in neue Lieben und Projekte.
Aber du hast schon mal über einen Gefühlsschutzpanzer nachgedacht?
Ja. Ich denke, das Leben wäre leichter, würde ich nicht immer alles mit so viel Leidenschaft machen und leben und lieben. Aber es geht für mich nicht anders. Es ist ein ständiger Tanz auf der Rasierklinge, das alles. Aber ich würde in der Vergangenheit nie anders wählen, auch wenn ich am Ende gelitten habe, weil ich mich vollen, offenen Herzens in eine Liebe oder ein Projekt gestürzt habe, von dem ich befürchten konnte, dass es nicht ewig glücklich funktioniert, wie meine letzte große fatale Liebe. Denn die Zeit, die wir zusammen hatten, war golden! Und die bleibt.
Wünschst du dir eigentlich, abgeklärter zu sein?
Nein. Bei mir ist alles total direkt und intensiv, ich bin schrecklich emotional. Die Tiefs sind sehr tief, die Hochs sehr hoch. Ich liebe dieses wilde, unplanbare Leben. Ich nehme das nun einmal so wahr, und ich würde es auch nie anders wollen, unbewusster leben. Und ich möchte niemals sagen müssen "Warum hab‘ ich damals nicht?". Weil man die Zeit einfach nicht zurückdrehen kann.
Hast du manchmal Angst?
Ich kämpfe leidenschaftlich dagegen. Sicher ist ja eh nix. Nie. Ich verstehe die Sehnsucht nach Sicherheit, aber Angst vergiftet, verführt zum Festhaltenwollen und Gier. Das Gift unserer Gesellschaft. Man kann nix festhalten.
Was kommt nach Tarantino?
Ich arbeite gerade an zwölf Projekten gleichzeitig. Ich drehe einen Western mit schönen OldSchool-Dialogen. Da darf ich mal eine sehr coole Lady spielen und ordentlich aufräumen. Außerdem kämpfe ich um die Rolle in einem Vampirfilm ich glaube, ich wäre ein großartiger Vampir. Ich plane auch Konzerte und neue Aufnahmen von "A Girl Called Johnny", es kommen gerade ziemlich viele Anfragen, auch aus anderen Ländern und von anderen Kontinenten.
Wie schaffst du das alles?
Ich wünschte, ich hätte zehn Leben, um alles zu machen und zu lernen und zu lesen, was ich will. Ich lese immer zehn Bücher gleichzeitig, auf meiner Bettkante stapeln sich echt mehr als 100. Trotzdem: Die Zeit rennt, fliegt mir jeden Tag davon, rinnt mir durch die Finger wie kleine lila Fische.