Zecken-Alarm So können Sie sich vor FSME-Infektionen schützen

Düsseldorf · Sich gegen die Zecken-Infektionskrankheit FSME impfen zu lassen, ergibt in vielen Regionen Sinn. Aber nicht nur da. Denn Experten beobachten, dass sich FSME längst in Gebieten zeigt, die nicht zu den Risikoregionen gehört. Auch NRW zählt dazu.

 Längst sind FSME-übertragende Zecken nicht nur in Risikogebieten wie Baden-Württemberg oder Bayern unterwegs (Symbolbild).

Längst sind FSME-übertragende Zecken nicht nur in Risikogebieten wie Baden-Württemberg oder Bayern unterwegs (Symbolbild).

Foto: Bayer

In den Hochrisikogebieten wie Bayern und Baden-Württemberg ist man vor Zecken gewarnt, welche die gefährliche Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen können. Doch auch in Nicht-Risiko-Regionen wie NRW ist in den letzten Jahren die Zahl der Infektionen gestiegen.

Das Virus ist gefürchtet, weil es in schweren Fällen ins Nervensystem eindringt. Es kann es zu dauerhaften Lähmungen, zur Entzündung des Gehirns, zur Schädigung des Rückenmarks kommen und sogar zum Tode führen.

Im Unterschied zu dem häufiger von Zecken übertragenen Borreliose-Erreger, gegen den es wirkungsvolle Therapien gibt, ist FSME nicht therapierbar. "Wenn es zur Infektion mit dem Virus kommt, ist der Verlauf schicksalhaft", sagt Gerhard Dobler, Leiter des Deutschen Konsiliarlabors für FSME. "Der jüngste Patient, der mir bekannt ist, war gerade einmal sieben Monate alt." Er starb an der Infektion. Denn gegen die Infektion gibt es keine Medikamente.

Insgesamt 146 Kreise sind laut Robert-Koch-Institut als FSME-Risikogebiete in Deutschland definiert. 2016 wurden demnach bundesweit 348 Fälle von FMSE-Erkrankungen registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung von 59 Prozent. Die höchste Zahl von Erkrankungen gab es mit 546 Fällen im Jahr 2006.

Als Risikogebiete gelten vor allem Baden-Württemberg — hier tritt FSME flächendeckend auf -, Bayern, Süd-Hessen und der Südosten von Thüringen. Doch auch wer außerhalb von Deutschland verreist, muss mit einem Infektionsrisiko rechnen. Finnland, Schweden, Dänemark, Polen, Russland, Österreich, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Norditalien und Ungarn nennt das RKI als Risikogebiete.

Auch in NRW wird seit Jahren akribisch nach dem Vorkommen der Spinnentiere gesucht und untersucht, welche Erreger sie in sich tragen. Man will gewappnet sein. Nicht ohne Grund: Denn nicht nur in den Risikogebieten kann es zu FSME-Infektionen kommen.

Drei Fälle hat man im Jahr 2016 in NRW ermittelt. Zwei von ihnen lagen im Kreis Solingen, einer im Rhein-Erft-Kreis. In den Jahren davor wurden auch einzelne Fälle in den Kreisen Aachen, Rhein-Sieg, Steinfurt, Wesel und Borken dokumentiert.

Darum ist für Zeckenexperten wie Dobler und Stefan Bosch, Arzt und Ornithologe vom Naturschutzbund (NABU) in Baden-Württemberg, vorstellbar, dass auch NRW irgendwann zur festen Heimat des FSME-Erregers werden könnte. Dazu müssten nur die Rahmenbedingungen stimmen, sagt Dobler.

Die sind vor allem bei feucht-warmem Wetter gegeben. Zecken lieben eine hohe Luftfeuchtigkeit. Und sie brauchen Vegetationszonen, in denen sie Gräser und niedrigen Bewuchs finden.

Über das Vogelgefieder, aber auch über infizierte Mäuse — sie dienen den Zecken als Wirtstiere — kommen das Virus und die Zecken leicht in andere Bundesländer. So kommt es, dass die Experten in den letzten Jahren, vor allem aber im Jahr 2016, vermehrt Erkrankungsfälle in Bundesländern gezählt haben, die nicht zu den Risikogebieten zählen.

Vereinzelt Fälle gab es auch in Regionen um NRW. Das weiß man so genau, weil eine Infektion mit FSME meldepflichtig ist. "FSME-Herde sind oft kleinräumig", sagt das RKI. Darum ist es möglich, dass selbst in Kreisen, die als FSME-frei gelten, einzelne Fälle auftreten.

Bis an die Grenzen von NRW wurden bereits FSME-übertragende Zecken gefunden. So zum Beispiel im Osten der Niederlande. Um die Entwicklung möglichst aktuell im Auge zu behalten, reist Dobler mit Kollegen aus den Landesgesundheitsämtern durch die Lande und sammelt die kleinen Spinnentiere. Denn "schon wenige Infektionen können den Startschuss zu einer ansteigenden Entwicklung geben", sagt Bosch. Auch Baden-Württemberg sei nicht immer ein Hochrisikogebiet gewesen.

Holzböcke, die als Hauptüberträger der FSME gelten, gibt es inzwischen beinahe ganzjährig. Man findet sie am Waldrand, überall da, wo Gräser und Stauden dicht wachsen. Inzwischen jedoch auch an Wiesenrändern, in Parks oder Siedlungen, ja selbst im eigenen Vorgarten. Neben den Holzböcken identifizierten Forscher des Deutschen Konsiliarlabors für FSME im Frühjahr 2017 auch die Auwaldzecke als Überträger.

Ähnlich wie in NRW ist auch in Niedersachsen die Zahl der im Bundesland erworbenen FSME-Infektionen gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es vier. Das macht das Landesgesundheitsamt sensibel. Die Behörde wies darum auf ein erhöhtes Risiko für Zeckenbisse hin.

In der ersten Erkrankungsphase zeigt sich FSME wie eine Sommergrippe mit Fieber, Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit. Diese Symptome treten typischerweise nach einer Inkubationszeit von sieben bis 14 Tagen auf.

Nicht jeder geht damit zum Arzt. Daher sei trotz der Meldepflicht die Infektionsdunkelziffer hoch, sagt Masyar Monazahian, Virologe und Parasitologe vom Niedersächsischen Landesgesundheitsamt.

Die zehn wichtigsten Zecken-Infos
Infos

Die zehn wichtigsten Zecken-Infos

Infos
Foto: dpa, Patrick Pleul

Bei durchschnittlich fünf bis dreißig Prozent der Infizierten schließt sich nach einer Pause von rund einer Woche eine zweite Krankheitsphase an. In ihr treten schwere neurologische Verläufen wie Hirnhautentzündung, Bewusstseinsstörungen oder Lähmungserscheinungen auf. Im Jahr 2016 war das bei der Hälfte der deutschlandweit dokumentierten FSME-Fälle so.

Darum raten die Zeckenexperten und auch das RKI zur Impfung gegen FSME. Sie sei der wirkungsvollste Schutz. Monazahian rät selbst bei einem nur kurzen Aufenthalt in einem der Risikogebiete dazu. "Schon ein Tag, an dem ich Zeckenkontakt habe, kann ausreichen, um mich zu infizieren", sagt er. Für Gerhard Dobler ist eine Impfung auch außerhalb der Risikogebiete angezeigt, wenn die jeweilige Person viel mit der Natur in Kontakt kommt.

Ansonsten gilt für jeden nach dem Aufenthalt in Wald, Wiesen und Gärten: Suchen Sie sich gründlich nach Zecken ab und entfernen Sie aufgespürte Spinnentiere ohne Panik sofort. Danach empfiehlt es sich, die Bissstelle zu markieren und zu beobachten - und im Zweifel sofort einen Arzt aufzusuchen.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort