Hörschäden an Silvester Warum Böller gefährlich fürs Ohr sind

Düsseldorf · Häufig ist es mangelnde Vorsicht, manchmal aber auch einfach nur Pech, wenn ganz in der Nähe ein Böller losgeht. Die mögliche Folge: ein Knalltrauma auf den Ohren. In der Medizin ist das ein Notfall.

 Böller sind eine Gefahr für die Ohren.

Böller sind eine Gefahr für die Ohren.

Foto: Shutterstock/SKatzenberger

Dauerhafter Lärm macht krank. Doch es reicht auch ein einziger kurzer Moment, um das Ohr dauerhaft zu schädigen und ein Knalltrauma zu verursachen. Von einem China-Böller zum Beispiel. Denn wenn ein Feuerwerkskörper in weniger als zwei Metern Entfernung explodiert, wirken auf die Ohren Schallimpulse von mehr als 150 Dezibel — so laut als würde ein Düsenjet in 25 bis 30 Metern Entfernung starten. Für die Ohren ist das zu viel. Schwerhörigkeit oder Tinnitus können die Folge sein. Auch ein ausgelöster Airbag, ein Pistolenschuss, eine fest zugeschlagene Tür oder eine Ohrfeige können ein Knalltrauma im Ohr auslösen.

Etwa 8000 Menschen in Deutschland erwischt es laut Angaben der Krankenkasse AOK jedes Jahr zu Silvester. Dreimal so viele Männer wie Frauen und vor allem junge Menschen zwischen sechs und 25 Jahren sind betroffen. Wie groß der Schaden im Ohr ist, hängt davon ab, wie lange und mit welcher Intensität das Ohr dem Schall ausgesetzt ist. 1,5 Millisekunden reichen, um ein Knalltrauma zu verursachen. Bei einem Knallgeräusch gleicher Lautstärke über drei Millisekunden spricht man von einem Explosionstrauma, sagt Thomas Klenzner, Leiter des Hörzentrums der Uniklinik Düsseldorf. Das hat noch weitreichendere Folgen.

Ein Knall verursacht Schallwellen, die unweigerlich über das Außenohr — also die Ohrmuschel und den äußeren Gehörgang — eingefangen werden. Im Mittelohr übertragen sich die Schallwellen vom Trommelfell auf das flüssigkeitsgefüllte Innenohr. In ihm befinden sich auch die Sinneszellen des Hörorgans, die Haarzellen. "Diese werden durch den Druck verbogen und so stark beansprucht, was zu einer Schädigung ihrer Funktion führt", sagt Klenzner. Ist die Schalleinwirkung zu groß, sterben sie innerhalb weniger Stunden bis Tage unwiederbringlich ab. Infolgedessen kann es beispielsweise zu dauerhaftem Hörverlust kommen.

Sehr großer Lärm kann das Gehör zusätzlich mechanisch beschädigen. Das ist bei einem Explosionstrauma der Fall. "Nicht nur die Haarzellen nehmen dann Schaden. Es kann daneben zum Riss des Trommelfells oder zu weiteren Schädigungen des Mittelohrs kommen", sagt Klenzner.

Die Betroffenen bemerken die Auswirkungen des Knalls meist unmittelbar an einem dumpfen Gefühl im Ohr. "Patienten beschreiben oftmals das Gefühl, Watte im Ohr zu haben", sagt der HNO-Arzt. Auch schlechtes Hören, Ohrdruck, Klingel- oder Pfeiftöne im Ohr, Schmerzen, Schwindel, schlimmstenfalls blutiger Ausfluss aus dem Ohr können Zeichen eines Explosions- oder Knalltraumas sein. In seltenen Fällen verspüren die Betroffenen laut Klenzner Schmerzen im Ohr.

Wie stellt der Arzt die Diagnose?

Was genau ist passiert? Wie weit war der Betroffene von der Lärmquelle entfernt? Welchem Schallereignis kann man das Trauma zuordnen? All das sind wichtige Informationen, die dem Arzt bei der Diagnose helfen. Durch eine ohrmikroskopische Untersuchung wird ausgeschlossen, dass es zu einem Schaden des Trommelfells gekommen ist. Zur Diagnostik zählt zudem ein Hörtest. Eine Schwerhörigkeit im Hochton-Bereich um 4000 Hertz ist ein deutlicher Hinweis auf ein bestehendes Hörtrauma.

Normalerweise modulieren die feinen äußeren Haarzellen den Schall. Fallen sie aus, zeigt sich das in einer Hörminderung bei leisen Signalen. Dies ist ein klarer Hinweis auf eine Innenohrschwerhörigkeit.

In Silvesterlaune und Partystimmung gehen die Symptome manchmal unter. "Die Betroffenen kommen dann erst mit Verzögerung zum HNO-Arzt", sagt Klenzner. Ein Grund zur Panik bestehe meist nicht. Denn ein anfänglich leichter Hörverlust sowie ein möglicher Tinnitus bessern sich oft rasch von selbst wieder. Ist jedoch innerhalb einiger Stunden keine Verbesserung der Symptome feststellbar oder werden sie als beängstigend oder sehr störend wahrgenommen, rät der Experte, innerhalb eines Tages einen Hals-Nasen-Ohrenarzt aufzusuchen. Nur dieser kann eine genaue Diagnose stellen und durch die Behandlung den Verlauf positiv beeinflussen.

Ein Knalltrauma müsse entgegen der häufigen Annahme zwar nicht wie ein lebensbedrohlicher Notfall sofort behandelt werden, sagt Klenzner, dennoch handele es sich um einen Eilfall. Je schneller mit der Behandlung begonnen werden kann, desto günstiger verläuft die Rückbildung der Symptome.

Als Erste-Hilfe-Maßnahme gilt: Entziehen Sie sich der Lärmquelle und vermeiden Sie weitere Lärmbelastungen. Medizinisch gilt die Behandlung des Knalltraumas per Cortison als Therapieempfehlung. "Der Patient nimmt das für drei bis fünf Tage als Tablette ein", sagt der HNO. Möglich ist auch eine Infusion. Manchmal werde zudem die Gabe durchblutungsfördernder Medikamente empfohlen. "In Studien hat sich jedoch kein eindeutiger Nutzen dieser Maßnahme gezeigt", sagt Klenzner. Bringt die konservative Therapie keine Besserung, besteht die Möglichkeit einer unterstützenden hyperbaren Sauerstofftherapie. Diese muss jedoch vorab von der Krankenkasse genehmigt werden.

(wat)
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