Nach Studie fordert Wissenschaftler Zigaretten müssten mehr als doppelt so teuer sein

Heidelberg · Krebs, Atemwegserkrankungen und Herzprobleme – die Leiden der Raucher sind vielfältig und kosten das deutsche Gesundheitswesen weit mehr, als bislang angenommen. Auch des Rauchers liebstes Argument, er entlaste durch seinen vorzeitigen Tod die Rentenkassen ist falsch, fand eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums heraus. Die Wissenschaftler empfehlen darum einen deutlich höheren Zigarettenpreis.

 Weit höher als bislang angenommen ist die finanzielle Last, die Raucher der Allgemeinheit zumuten.

Weit höher als bislang angenommen ist die finanzielle Last, die Raucher der Allgemeinheit zumuten.

Foto: Shutterstock/simone mescolini

Krebs, Atemwegserkrankungen und Herzprobleme — die Leiden der Raucher sind vielfältig und kosten das deutsche Gesundheitswesen weit mehr, als bislang angenommen. Auch des Rauchers liebstes Argument, er entlaste durch seinen vorzeitigen Tod die Rentenkassen ist falsch, fand eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums heraus. Die Wissenschaftler empfehlen darum einen deutlich höheren Zigarettenpreis.

Schon einmal gingen Wissenschaftler den finanziellen Folgen nach, die durch das Rauchen entstehen und kamen 2009 zu dem Ergebnis, es müssten in Deutschland mehr als 33 Milliarden Euro sein. Wer bereits angesichts dieser Zahlen die Luft anhielt, dem mag sie nun ganz ausgehen. Denn neue Studienergebnisse liefern eine Summe, die beinahe dreimal höher liegt und sich auf über 80 Milliarden Euro beziffern lässt.

Krankheiten durch Tabak kosten Allgemeinheit 25,4 Milliarden

Die Daten dazu lieferte eine Untersuchung, die ab dem Jahr 2008 über vier Jahre hinweg mehr als 145.000 Versicherte der Techniker Krankenkasse beobachtete. Dabei unterscheidet diese vom Deutschen Krebsforschungszentrum angestellte Studie zwischen direkten und indirekten Kosten. Die direkten Kosten beinhalten zum Beispiel die Behandlung tabakbedingter Krankheiten und schließen auch die Kosten von Arzneimitteln und Operationen ein. Sie belaufen sich auf 25,4 Milliarden Euro und beinhalten als größten Teil Ausgaben für Krankenhausbehandlungen in Höhe von 22,76 Milliarden Euro. Daneben verschlingen auch Reha und Pflege über 1,1 Milliarden Euro.

Ungewollt zahlen offensichtlich auch die Menschen mit ihrer Gesundheit, die selbst nicht einmal zum Glimmstängel greifen. Allein durch Krankheiten, die das Passivrauchen hervorruft, blättern die Krankenkassen jährlich 1,2 Milliarden Euro hin. Denn der Tabakrauch, den diese Menschen ungefragt einatmen, enthält die gleichen giftigen und krebserzeugenden Substanzen wie auch der vom Raucher selbst inhalierte Qualm.

Wie Nichtraucher durch den Qualm krank werden

Wer dem nur kurzzeitig ausgesetzt ist, kann bemerken, wie das seine Atemwege reizt, die Augen brennen oder tränen und die Schleimhäute anschwellen lässt. Weitaus schwerer sind die langfristigen Folgen, die dauerndes Passivrauchen haben kann. Laut Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) sind das verschiedene Krebs- oder Herzerkrankungen sowie chronische Atemwegskrankheiten. 2150 Menschen sterben jedes Jahr, weil sie den Rauch anderer einatmen an koronarer Herzkrankheit. 770 Menschen bekommen wegen Pasivrauchens einen Schlaganfall.

Als indirekte Kosten schlagen zudem Ausgaben wie Produktionsausfälle oder das krankheitsbedingte Fehlen am Arbeitsplatz sowie durch den Tabakkonsum verlorene Lebensjahre zu Buche. 12,1 Milliarden Euro kostet die Sozialversicherungen verfrühte Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung. Mit einer Summe von 20,6 Milliarden Euro stockt sich diese Summe entscheidend auf und bedingt insgesamt indirekten Kosten in Höhe von 53,7 Milliarden Euro.

So viel früher sterben Tabakgenießer

Auch wie viel früher ein Raucher stirbt, lässt sich anhand der Daten genau beziffern. In der Studienberechnung sterben Nichtraucher im Alter von 78 Jahren. Nichtraucherinnen werden im Schnitt 83 Jahre alt. Dementgegen treten sowohl männliche als auch weibliche Tabakgenießer drei Jahre früher aus dem Leben. Das diente der Tabakindustrie und einigen anderen Untersuchungen als Argument dafür, dass sie mit ihrem frühen Tod schließlich die Sozialversicherung entlasten. Doch das Gegenteil ist der Fall, wie die Studie ebenfalls belegt.

Denn durch Krankengeldzahlungen, Frühverrentung oder Erwerbsminderung belastet das Rauchen die Sozialkasse ebenso wie durch krankheitsbedingte niedrigere Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Zudem nehmen Tabaksüchtige ihre Rentenversicherung früher in Anspruch.

Diese Kosten sind noch nicht berücksichtigt

Nicht berücksichtigt sind in dieser Kostenrechnung nach Aussage des Wirtschaftsforschers Dr. Tobias Effertz von der Universität Hamburg nicht einmal die Ausgaben, die durch Faktoren wie die geschwächte Immunabwehr von Rauchern oder Müllbeseitigungskosten aufgrund weggeworfener Kippen oder durch das Rauchen verursachte Brände und Unfälle.

Wirtschaftswissenschaftler Effertz hat außerdem berechnet, wie tief die Krankenversicherung für einen Mann hinblättert, der ab seinem 15. Lebensjahr raucht. Es sind beinahe 90.500 bis zu seinem Tod. Das toppt eine lebenslange Raucherin mit 529.000 Euro. Der immense Unterschied zwischen den Geschlechtern kommt nach Aussagen des dkfz durch die geringere Bezahlung und Erwerbstätigkeit von Frauen zustande.

So viel müssten Zigaretten kosten

Letztlich zahlt die Allgemeinheit, was einzelne verursachen, so der wirtschaftswissenschaftliche Rückschluss. Um die finanzielle Belastung auszugleichen, müsste, so empfiehlt Dr. Effertz eine Packung Zigaretten statt der gefragten fünf Euro 7,80 Euro kosten. Die Rechnung für alle entstehenden Folgekosten würde ein Raucher erst dann selber zahlen, wenn die Schachtel sogar 11,30 Euro kosten würde. In den Dunstkreis dieser Zahlen kommen zum Beispiel Großbritannien mit 8,10 Euro pro Packung oder Norwegen mit 11,80 Euro. Das zeigt Wirkung: In beiden Ländern raucht weniger als 20 Prozent der Bevölkerung. Hier sind es hingegen rund 28 Prozent. 110.000 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen des Rauchens.

(wat)
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