Fernsehsessel gegen Blümchensofa Wenn Frauen und Männer Möbel kaufen ...

Frankfurt/Main (rpo). Wenn Männer und Frauen zusammen Mobel kaufen, gibt's meisten Stress. Das kann natürlich an verschiedenen Geschmäckern liegen - muss aber nicht. Denn Frauen und Männer legen verschiedene Verhaltensweisen an den Tag, wenn es um die Einrichtung geht.

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Foto: AP

Er fährt begeistert die Fußstütze des wuchtigen Ledersessels hoch und runter und lässt sich gleichzeitig per Knopfdruck den Rücken massieren. Sie steht daneben und fixiert aus der Ferne ein großgeblümtes kleines Sofa. Wenn Frauen und Männer gemeinsam Möbel kaufen gehen, kommen sie häufig nur schwer auf einen Nenner. Schuld daran ist nicht unbedingt ein unterschiedlicher Geschmack, sondern vor allem ein unterschiedliches Herangehen an das schwierige Thema Einrichtung.

Blümchenmuster für die Dame, Leder und Chrom für den Herren - für Experten wie Andrej Kupetz, Geschäftsführer des Rats für Formgebung in Frankfurt, ist das größtenteils ein Klischee. "Es gibt keine Belege über einen unterschiedlichen Geschmack von Frauen und Männern", sagt auch Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef.

Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich jedoch auf einer anderen Ebene: "Frauen schauen sich ihre Bedürfnisse an und schaffen dann entsprechende Möbel an", erklärt Kupetz. Für Männer spiele dagegen der repräsentative Charakter ihrer Einrichtung eine wichtige Rolle. Deshalb hielten sie sich auch nach wie vor stark an "althergebrachte Produkttypologien": Dazu gehört ebenso die klassische Polstermöbelkombination aus Sessel, Dreier- und Zweiersofa wie das Nachtkästchen neben dem Bett.

"Ich habe festgestellt, dass Männer bei der Auswahl von Design oft unsicher sind", erzählt Anne Jung vom Beratungsunternehmen "Jung + Fromberger - Form + Folgen" in Rodgau (Hessen). Für sie spielten daher bekannte Marken eine wichtige Rolle als Leitfaden: "Damit zeigt man Nachbarn und Freunden, dass man etwas von Design versteht."

Lust an Veränderung

"Das ist so wie bei Autos, Zigaretten und Uhren", beschreibt Ursula Geismann die Markenorientierung. Müssten bei No-Names Vorteile und Argumente, Preise und Service-Leistungen abgeglichen werden, könne man bei Markenware ohne viel Nachdenken zugreifen.

Auch wenn die neuen Möbel dann in der Wohnung stehen, geben sich Männer nach Anne Jungs Erfahrung beständig: "Wenn die Einrichtung einmal steht, bleibt sie auch so über Jahre." Beim anderen Geschlecht ist dagegen meist nur eines beständig: Die Lust an der Veränderung. "Frauen spielen eher, bringen unterschiedliche Formen zueinander. Und sie sind viel häufiger dazu bereit, etwas umzustellen".

Zum Hin- und Herrücken der Möbel kommt bei Hobby-Einrichterinnen die Liebe zu Accessoires, um auf die Schnelle für einen neuen Look im Raum zu sorgen. Dazu hätten Frauen eindeutig einen stärkeren Hang als Männer, bestätigt Kupetz. Gleichzeitig versuchten Frauen, die Wohnung als Ganzes zu begreifen", erklärt der Experte. "Sie fragen sich: Was habe ich schon und was passt dazu?".

Unterschiedliche Gewichtung

Planen Paare gemeinsam eine neue Einrichtung, interessieren sich Männer mittlerweile wesentlich stärker dafür als noch vor wenigen Jahren, hat Ursula Geismann beobachtet. "In der Regel treffen die Männer aber immer noch keine Kaufentscheidung. Die bleibt den Frauen überlassen."

"Frauen haben mehr Gewicht beim Einrichten des Schlafzimmers, Männer eher in den "offiziellen Räumen" wie dem Wohnzimmer", sagt Horst Seipp, Besitzer eines Möbelhauses in Waldshut (Baden-Württemberg) und Mitglied im Design-Händlerverbund "Creative Inneneinrichter". "Schön ist es, wenn die Leute auf der gleichen Wellenlänge entscheiden." Ein guter Berater sollte deshalb versuchen, die Partner miteinander in eine Diskussion zu bringen, rät Seip.

Setzen sich die Frauen durch, fällt die Auswahl meist mutiger aus: "Frauen bevorzugen frischere Farben und Muster, trauen sich mehr", sagt Anne Jung. Die mangelnde Experimentierfreude der Männer lässt sich aber ganz einfach erklären, so Andrej Kupetz: "In jeder Frauenzeitschrift gibt es einen Wohn- oder Deko-Teil. Für Männer gibt es so etwas überhaupt nicht." Männer könnten deshalb auch kaum Erfahrung oder Übung aufbauen im Umgang mit neuen Farben und Formen.

Männer als Technik-Freaks

Für Lutz Heese, Präsident der Bayerischen Architektenkammer in München, existiert beim Einrichten vor allem ein großer Unterschied: "Bei den Technik-Freaks sind Männer ganz klar in der Überzahl - viele würden am liebsten das ganze Haus automatisieren."

"Funktion ist ein männerdominiertes Thema", bestätigt Anne Jung. Deshalb hätten bei Möbelkäuferinnen weder Multimediamöbel noch Funktionssessel mit 25 Hebeln große Chancen. "Das sind Sitzmaschinen, die Frauen überhaupt nicht ansprechen", fällt Andrej Kupetz dazu ein. Zudem widersprächen sie den praktischen Gedanken, von denen sich Frauen beim Einrichten größtenteils leiten lassen: Während ein wuchtiger Fernsehsessel wirklich nur vor das TV-Gerät passt, bevorzugen Frauen eine kleineren Sessel, der bei Bedarf zum Beispiel ins Schlafzimmer wandern kann.

Trend zur Individualisierung

Solche Eigenheiten werden Frauen und Männer vermutlich auch in Zukunft beibehalten. Ansonsten sieht der Design-Experte die Geschmacksgrenzen zwischen den Geschlechtern jedoch zunehmend verschwimmen. "Der Trend zur Individualisierung ist größer als der Unterschied zwischen den Geschlechtern", ist sich Kupetz sicher.

Dass überhaupt wahrgenommen wird, dass Frauen und Männer anders wohnen wollen, hängt auch mit einer veränderten Marketing-Strategie der Hersteller zusammen: "Die Industrie hat erst seit kurzer Zeit die Zielgruppe Frau für sich entdeckt", erzählt der Fachmann. Daher würden derzeit auch Designerinnen wie die Spanierin Patricia Urquiola oder die Niederländerin Hella Jongerius eine so wichtige Rolle spielen - denn Entwürfe von Frauen scheinen bei ihren Geschlechtsgenossinnen besonderes Interesse zu wecken.

(gms)
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