Auf Schienen zum Fjord Norwegen per Bahn entdecken

Oslo · Zwischen Oslo, Bergen und Trondheim lässt sich Norwegens Fjordland bequem bereisen - mit einer Kombination aus Eisenbahn, Fähre, Bus und Hurtigruten-Schiffen.

Mit der Eisenbahn durch Norwegen
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Foto: dpa, pla

Odd Henrik Hansen kennt die Fragen seiner Fahrgäste: "Wann sehen wir die Moschusochsen und Rentiere?" Hansen ist Zugbegleiter auf der Dovrebahn zwischen Oslo und Trondheim. Mehrmals im Monat pendelt der Schaffner zwischen den beiden Städten und kennt sich links und rechts der Schienen bestens aus.

Kaum hat der Zug den kleinen Bahnhof Kongsvoll verlassen, weist Hansen auf einen Flecken Grünland neben den Gleisen. "In der kleinen Senke sind im Frühjahr die Moschusochsen. Sie kommen vom kahlen Gebirge herunter, um hier das frische Gras zu fressen." Rund 250 Tiere leben wild auf dem Dovrefjell. Die karge Gebirgslandschaft mit dem 2286 Meter aufragenden Snøhetta-Gipfel ist auch der Namensgeber für die rund 500 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zwischen der norwegischen Hauptstadt und Trondheim in Mittelnorwegen.

Moschusochsen und die schneebedeckte Snøhetta sind nur zwei der Attraktionen im Dreieck Oslo-Bergen-Trondheim. Hier im Fjordland sind Urlauber abwechselnd mit Eisenbahn, Bus, Fähre und den Postschiffen von Hurtigruten unterwegs. Das Motto der Rundreise lautet "Norway in a nutshell" (Norwegen in der Nussschale), was im übertragenen Sinne so etwas heißt wie: Norwegens Höhepunkte kompakt.

"Ich mache die Tour in nur etwas mehr als 24 Stunden", verrät ein Mitreisender aus Leipzig. Er verzichtet auf die Dovrebahn. Sein Reiseplan: Mit der Bergenbahn frühmorgens von Oslo bis zum winzigen Bahnhof Myrdal, mit der Flambahn hinunter zum Fjord nach Flåm, von dort mit Fährschiff und Bus über Gudvangen nach Voss, von dort bis Bergen wiederum mit der Eisenbahn. Mit dem Nachtzug geht es zurück nach Oslo und von dort mit dem Fernbus nach Deutschland. Norwegen sehr kompakt und auch sehr schnell.

Wer es ruhiger angehen lässt, nimmt sich am besten acht bis zehn Tage für die Rundtour, die aus verschiedenen Bausteinen besteht. Hinter dem Pauschalangebot stehen die Norwegische Eisenbahngesellschaft (NSB), die Fährenreederei Fjord 1 und regionale Tourismuspartner.
Zwischenstopps mit Hotelübernachtungen können je nach Lust und Laune, Geldbeutel und eigenen Interessen geplant und direkt mitgebucht werden. Stadtrundgänge in Bergen und Trondheim sowie Kajaktouren auf dem Aurlandsfjord in Flåm sind nur drei Beispiele.

Das ist der Preikestolen im norwegischen Ryfylke
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Foto: flickr/AnnaBialkowska/CC BY-SA 2.0

Nicht nur bekannte Touristenorte liegen entlang der Route. Wer kennt schon Finse? Ein Bahnhof, ein paar Ferienhütten und das Berghotel "Finse 1222" markieren den abgelegenen Flecken auf der rauen Hardangervidda, derie größten Gebirgshochebene in Europa. Polarforscher wie Fridtjof Nansen und Roald Amundsen haben die Gegend um Finse wegen ihres extremen Winterwetters einst als Trainingsgebiet vor ihren Expeditionen genutzt.

Bis in den Juli hinein herrschen in Finse winterliche Temperaturen. Eis bedeckt den Finse-See, meterhoch türmt sich der Schnee an den Gleisen der Bergenbahn auf. "Ich bin im falschen Monat ausgestiegen", sagt Hans Mortier. Der Belgier kam mit dem Zug aus Bergen, nun sitzt er einsam im Warteraum und hat vier Stunden Zeit bis zur nächsten Verbindung nach Oslo. "Mein Sohn hatte mir den Tipp gegeben: Papa, wenn du mit der Bergenbahn fährst, steig in Finse aus und wandere bis zum Gletscher Hardangerjøkulen. Ich war dort im September." Als der belgische Tunnelbau-Ingenieur auf dem Bahnsteig stand, kam ihm schnell die Erkenntnis: Im Juni kannst du diese Wanderung auf verschneiten Pfaden vergessen.

Finse auf 1222 Metern ist der höchstgelegene Bahnhof entlang der 471 Kilometer langen Eisenbahnstrecke Oslo-Bergen und darüber hinaus auch die höchste Bahnstation in Skandinavien. Bis heute führt keine Autostraße nach Finse, sondern nur der 28 Kilometer lange, felsige Wanderpfad ab Haugastøl, der letzten Siedlung mit Straßenanschluss auf der Hardangervidda. Alles, was zum Leben benötigt wird, muss mit der Bahn nach Finse geschafft werden.

Eisenbahnfreunde besuchen in Finse das kleine Rallar-Museum. Mit Arbeitsgeräten, Dokumenten und Fotografien erinnert die Sammlung an den Bau der Bahnlinie zwischen 1894 und 1909. Harte Zeiten für raue Männer waren es damals: In Schnee und Eis kämpften sich die Rallar genannten Bahnbauer vom grünen Hallingdal hinauf zur einsamen Hardangervidda. 15 000 Männer waren für den Bau im Einsatz, in einigen Jahren mehr als 1000 Rallar gleichzeitig.

Die Arbeiter schufteten schichtweise und im Akkord, lebten in kargen Unterkünften und verdienten gutes Geld. Tunnel wurden Meter um Meter in die Felsen gesprengt, das Gestein in mühseliger Handarbeit auf Karren abtransportiert. Am Ende wurden es 182 Röhren am Schienenstrang zwischen Oslo und Bergen. Rekordhalter ist der Tunnel bei Finse mit einer Länge von 10,5 Kilometern.

Norwegens Höhepunkte kompakt, das Motto trifft zu. Zwischen Finse und Bergen erwartet die Reisenden mit der ab 1923 erbauten Flåmbahn ein weiteres Highlight. Vom 866 Meter hoch gelegenen Bahnhof Myrdal winden sich die Gleise an steilen Berghängen über 20 Kilometer hinunter zum Aurlandsfjord zur Station Flåm, zwei Meter über dem Meeresspiegel. Eine technische Meisterleistung, da die Strecke ein Gefälle von bis zu 55 Promille aufweist, einen Meter auf 18 Meter Länge. Die Flambahn gehört damit zu den weltweit steilsten Eisenbahnstrecken.

Die krassesten Aussichtsplattformen Europas
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Foto: HolidayCheck

"Ursprünglich wurde die Strecke mit dem Anschluss in Myrdal an die Bergenbahn für den Gütertransport gebaut", erzählt Bengt Hammer von Flåm Tourismus. Heutzutage ist die legendäre Bahnlinie eine der am meisten besuchten Attraktionen des Landes: 2016 transportierten die Züge der Flåmbahn 926 000 Reisende. Kreuzfahrtpassagiere aus China, Südkorea und Japan stellten das Gros der Fahrgäste. In Flåm mit seinen 450 Einwohnern machen mehr als 150 Kreuzfahrtschiffe pro Jahr fest. Dann kann es voll und trubelig werden in dem Dörfchen.

Weiter geht es von Flåm auf die Fähre durch den Aurlandsfjord zum schmalen Naerøyfjord, der zum Unesco-Weltnaturerbe zählt. Dann in den Überlandbus und mit der Eisenbahn bis Bergen. Dort ein Tag Auszeit - oder direkt auf das nächste Hurtigruten-Postschiff, das abends zur 2400 Kilometer langen Fahrt entlang der norwegischen Küste ablegt? Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Bei der Pause in Bergen gehört für die einen der Bummel vom Fischmarkt zum weltbekannten Hanseviertel Bryggen mit den hölzernen Lagerhäusern zum Pflichtprogramm. Dort drängen sich täglich Tausende Besucher.

Abseits der Touristenströme und nur ein paar Straßenecken weiter ist die knapp 300 000 Einwohner zählende Hafenstadt gemütlich und dörflich. Auf der Halbinsel Nordnes in der Nachbarschaft des Bergen-Aquariums säumen pittoreske weiße und rote Holzhäuser die steilen Gassen, die älteste erhaltene Bebauung der Stadt. In das Quartier westlich des Stadtzentrums verirren sich nur wenige Touristen. Vor den kleinen Straßencafés sitzen die Menschen und genießen die Sonne, die sich über der Stadt viel zu selten blicken lässt. Bergen gilt als die regenreichste Stadt Europas.

Den besten Rundblick über die Stadt und die vorgelagerte Inselwelt bietet das Aussichtsplateau auf Bergens Hausberg Fløyen. Die knapp 400 Meter aufragende Anhöhe lässt sich mit der Standseilbahn bequem erreichen. Kulturfreunde steuern im Stadtzentrum die Kode-Museen an: Das Haus Kode 3 zeigt etliche Bilder des berühmten norwegischen Malers Edvard Munch aus der Rasmus-Meyer-Sammlung.

An Bord des Hurtigruten-Postschiffes geht es von der Stadt in die imposante Natur des Fjordlandes, auf die nächste Etappe der Tour. "Dieses Mal kommen in Ålesund zusätzlich 150 Passagiere an Bord, die nur die Strecke bis Geiranger mitfahren", berichtet Hoteldirektor Truls Are Hoff auf der MS "Trollfjord". Nur von Anfang Juni bis Ende August machen die Postschiffe den Abstecher in den Geirangerfjord.

Gut fünf Stunden kreuzen die Hurtigrutenschiffe ab Ålesund durch die Fjordwelt. Schneebedeckt sind die schroffen Berge, immer enger werden die Meeresarme. Bei Stranda queren Autofähren den Kurs des Schiffes.
Überall im Fjordland sorgen die schwimmenden Brücken für die Verbindung der abgelegenen Ortschaften mit der Außenwelt. Mehr als 1000 Fjorde prägen das Landschaftsbild Norwegens. Der Star unter den Meeresarmen und ebenfalls Unesco-Weltnaturerbe ist der 14 Kilometer lange Geirangerfjord: Wasserfälle prasseln von den Bergen, die "Sieben Schwestern" sind der Bekannteste.

Hunderte Passagiere verlassen in Geiranger das Postschiff und steigen in Busse zur Fahrt nach Molde über den schmalen Trollstigen, die "Leiter der Trolle" mit den elf Haarnadelkurven. An manchen Tagen begleitet Wolfgang die Reisegruppen. Der Auswanderer wechselte von Bonn in die Kleinstadt Åndalsnes am Trollstigen. "Die Bergen- und Flåmbahn sind schon imposant. Aber wir punkten mit der Raumabahn." Auf einer Länge von 114 Kilometern geht es per Schienentriebwagen zwischen Åndalsnes und Dombås durch das wilde Raumatal, vorbei an Wasserfällen und schroffen Gipfeln - noch ein Höhepunkt.

(dpa/ham)
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