Schweden Sauna in der Wildnis

Ammarnäs · Wandern hat in Schweden Tradition: Schon vor mehr als 100 Jahren legte der Wanderverein STF den Grundstein für den Kungsleden. Heute zählt der Königspfad zu den bekanntesten Wanderwegen Skandinaviens.

Unterwegs auf dem nördlichen Kungsleden
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Unterwegs auf dem nördlichen Kungsleden

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Moosgrüne Ebenen, glasklare Bäche, grasende Rentiere: Der Kungsleden - übersetzt Königspfad - erfüllt jegliche Klischees, die man von Schweden nur haben kann. Unterteilt in einen südlichen und nördlichen Teil, verläuft der längste Fernwanderweg Schwedens auf rund 800 Kilometern entlang der norwegischen Grenze durch wilde Birkenwälder, über glitzernde Schneefelder und in bergige Fjällregionen. Während die Südroute von Sälen bis Storlien vor allem von steppenähnlichen und sumpfigen Gebieten geprägt ist, eröffnen sich im Norden zwischen Abisko und Hemavan alpine Gebirgspanoramen.
Eine Tour mit Zelt und Kocher:

Tag 1: Mit dem Zug Richtung Norden

Etwa 440 Kilometer misst der nördliche Kungsleden, unterteilt ist er in fünf Abschnitte. Keine einfache Aufgabe, bei dieser Distanz erst einmal herauszufinden, wo man eigentlich starten möchte. Letztlich fällt unsere Wahl auf den südlichsten Abschnitt des nördlichen Kungsledens. Von Ammarnäs führt er auf rund 78 Kilometern durch das Naturreservat Vindelfjällen nach Hemavan. Etwa fünf Tage haben wir für die Wanderung eingeplant.

Mehrmals am Tag fahren die Züge der Bahngesellschaft SJ von Stockholm nach Östersund. Von dort aus geht es weiter mit dem Länstrafiken-Bus, zunächst bis Sorsele, schließlich bis Ammarnäs. Für umgerechnet 90 Euro pro Person kann man die Fahrkarten über die SJ-Website im Voraus buchen - was zu empfehlen ist. Denn zum einen sind die Tickets dann etwas günstiger, zum anderen machen sich neun Wochen schwedische Sommerferien auch im Zug bemerkbar: Er ist gut gefüllt. 14 Stunden dauert die Fahrt mit Bus und Bahn hoch nach Ammarnäs, vorbei an Wäldern und Seen, durch abgelegene Dörfer mit blutroten Häusern und uralten Scheunen.

Wer lieber am nächsten Morgen am Ziel erwachen möchte, kann den etwas teureren Nachtzug nehmen. Ob sich in den wackeligen Waggons jedoch wirklich Schlaf finden lässt? Glückssache. Schließlich geht die Sonne in den Sommermonaten kaum unter.

Am späten Abend kommen wir in Ammarnäs an. Im Gegensatz zum T-Shirt-Wetter in Stockholm sind hier Jacke und lange Hose angesagt. Selbst im August kann es nachts auf frische 3 bis 5 Grad abkühlen, während am Tag auch mal die 20-Grad-Marke geknackt wird. Die lange Robe zu später Stunde schützt außerdem vor den vielen Mücken, die uns während der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz umschwirren.

Tag 2: Rentiere, Regen - und die erste Sauna

Kurz hinter Ammarnäs führt der Weg am nächsten Tag oberhalb des Tjulån-Tals durch einen Wald und hinauf zur ersten von insgesamt fünf bewirtschafteten Hütten. Für rund 45 bis 50 Euro pro Person kann man hier nächtigen. Mit 800 Metern liegt die Aigertstugan bereits an der Grenze zur baumlosen Bergtundra. Anders als in den Alpen beginnt die Baumgrenze im schwedischen Fjäll bei rund 600 bis 800 Metern.

Besonders für Familien und Saunaliebhaber scheint die acht Kilometer kurze Wanderung zur ersten Hütte ein beliebtes Ausflugsziel zu sein. "Hier gibt es die beste Sauna", ruft uns ein junger Vater kurz vor der Aigerstugan zu. "In 18 Kilometern gibt es zwar noch eine", fügt er hinzu, "aber das hier ist die beste."

Wir glauben ihm, doch das ausgesprochen gute Wetter mit Sonnenschein und rund 18 Grad sprechen uns mehr an. Auf dem Weg zur vermutlich also zweitbesten Sauna, gelegen an der Servestugan-Hütte, begegnen wir dem schwedischen Nationalmaskottchen. Knapp zehn Meter vor uns grast eine große Rentierherde die rauen Bodendecker eines kleinen Hangs ab. Kurz darauf passieren wir den höchsten Punkt der Etappe, die Juovvatjåhkka-Rasthütte. Bereits ab 1200 Metern beginnt in dieser Region die alpine Zone. Und das merkt man.

Auf 1000 Metern ist es hier merklich kühler, windiger und vor allem sehr neblig. Kurz darauf setzt ein heftiger Regen ein. Doch selbst bei schlechter Sicht sind die großen roten Wegkreuze des Kungsledens noch gut zu erkennen. Der Kompass kann in der Tasche bleiben.

In der kleinen Schutzhütte machen wir eine Rast, um uns aufzuwärmen und die Sachen ein wenig trocknen zu lassen. Außer einem Pärchen, das ebenfalls Schutz in der Hütte sucht, ist niemand unterwegs. Und von Sonnenschein ist auch keine Spur mehr zu sehen. Immerhin, die regenfeste Kleidung hat sich schon am zweiten Tag ausgezahlt.

Tag 3: Eine Moränenlandschaft und noch mehr Saunen

Weiter geht es an Tag drei zur Hütte Tärnasjöstugan, die an einem mit Steinen gesäumten See liegt, dem Tarnasjö. An einem Steg neben der Hütte bleiben wir stehen, um die Aussicht auf das Wasser und das dahintergelegene Bergpanorama zu genießen. Doch schon nach wenigen Sekunden taucht ein älterer Schwede mit Handtuch über der Schulter auf: "Hier werden gleich sehr viele nackte Menschen rauskommen und in den See springen", warnt er und deutet auf die Sauna neben dem Steg. Bevor es zur unfreiwilligen Begegnung kommt, gehen wir weiter.

Auf dem Weg zur Syterstugan zeigt sich die wohl interessanteste Landschaft der Wanderung. Der Weg verlässt irgendwann den See. Kurz darauf erschließt sich eine Moränenlandschaft, bestehend aus kleinen Inselchen, Seen und Teichen, die durch sieben Brücken miteinander verbunden sind. Überhaupt ist dieser Teil des nördlichen Kungsledens ausgesprochen wanderfreundlich gestaltet, zumindest im Vergleich zu manchen Abschnitten der südlichen Route, wo man auch mal mit nassen Füßen rechnen muss. Nach einem kurzen Anstieg taucht die Syterstugan umrahmt von zwei Flussläufen auf. Mittlerweile scheint auch die Sonne wieder, und das steinige Ufer lädt zum kurzen Nickerchen ein. Als wir die Augen wieder öffnen, springt vor uns eine Horde Senioren durch die Fluten des Svärfarsbäcken, dem Schwiegervaterbach. Die Vermutung liegt nahe, dass es auch hier eine Sauna gibt.

Tag 4: Naturromantik im Syterskalet

Am Vorabend der letzten Etappe schlagen wir unser Zelt an einem kleinen Fluss im Syterskalet auf. Das Tal zieht sich wie ein langer Korridor durch das Bergmassiv Norra Storfjället und führt von Syterstugan zur zwölf Kilometer entfernt gelegenen Viterskalsstugan. Mutige Wanderer können von der Ausgangshütte auch einen vergleichsweise steilen Weg nach oben wählen. Dieser führt vorbei am 1767 Meter hohen Norra Sytertoppen, dem höchsten Gipfel des Naturreservates.

Wir folgen dem Weg durchs Bergtal des Syterskalet, wo uns am Abend warme Luft entgegenweht, während die Sonne den Bewuchs an den tiefvioletten Hängen zum Leuchten bringt. Später glüht der Himmel rosarot hinter den schneebedeckten Bergspitzen. Auch wenn zwei weitere Zelte in der Nähe stehen - an diesem Ort kommt dann doch ein bisschen einsame Naturromantik auf.

Tag 5: Gebirgspanorama am Urstrom-Tal

Durch das Syterskalet führt der Weg auch auf der fünften und letzten Etappe. Rund zehn Kilometer folgen wir dem tiefblauen Flusslauf, der sich zwischen den imposanten Bergen des Massivs hindurchschlängelt.
In einem See kurz vor der Viterskalsstugan, der letzten Hütte, spiegelt sich die gräuliche Bergwelt in der spiegelglatten Wasseroberfläche und lässt den Ausblick etwas surreal erscheinen.

Hinter der Viterskalsstugan erwartet uns zum Ende der Wanderung ein weiterer Höhepunkt: der Ausblick über die tiefgrüne Tundravegetation und das weite U-Tal. Der Abstieg nach Hemavan hingegen ist vergleichsweise unspektakulär. Durch verwucherte Birkenwäldchen und über kleine Pfade erreichen wir gegen Abend das Naturmuseum des kleinen Skiörtchens. Nach fünf Tagen mit Zelt und ohne Dusche steht uns der Sinn vor allem nach einem: einer schönen, warmen Sauna.

(dpa)
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