Laos Tarzan am Stahlseil

Das Ökotourismus- Projekt "Gibbon Experience" legt Wert auf Nachhaltigkeit und bietet einen Adrenalinkick beim Ziplining im Dschungel.

 In 35 Metern über der Erde lassen sich die stark bedrohten Gibbons beim Frühstück beobachten.

In 35 Metern über der Erde lassen sich die stark bedrohten Gibbons beim Frühstück beobachten.

Foto: Matthias Kutzscher

Wenn es dämmert, singen die Gibbons im Nam Kam Nationalpark in Laos. Die Melodien, mit denen die Menschenaffen ihre Reviere markieren, klingen aus nebligen Tälern hoch. Auf das Konzert folgt Schmausen. Sanft schwingende Wipfel zeigen, dass eine Familie auf ihrer Futterroute den Berg empor am Baumhaus vorbei turnt. 35 Meter über der Erde lassen sich die stark bedrohten Primaten prächtig beim Frühstück bespitzeln. Als Ban Toup Nouzong heran saust, ist die Gruppe längst weitergezogen. Der 27-Jährige ist Führer bei der "Gibbon Experience" und Meister des "Ziplining".

Über 500 Meter lang laufen die Stahlseile, die sich von Urwaldriesen am Hang zu den Baumhäusern des Projekts spannen. Festgezurrt an Gurten und eingehängt mit einem Metallschlitten schwirrt man über mächtige Bambushaine, Schluchten, Bäche, nur begleitet vom leisen Sirren der Trasse und feinem Fahrtwind. Wer das Fliegen wie der Guide Nouzong beherrscht, hüpft leichtfüßig auf Start- und Landerampen. Schnell berauschen der Nervenkitzel und die Blicke weit hinein in den viertgrößten Nationalpark von Laos.

"Vor 20 Jahren habe ich gesehen, wie Wilderer die Schopfgibbons und andere Tiere hier fast ausrotteten, wie viele uralte Bäume geschlagen wurden und diese faszinierende Natur gelitten hat", erzählt Jean-Francois Reumaux. Auf die Hilfe der wenig entwickelten Volksrepublik konnte sich der damals 25-jährige Franzose nicht verlassen. Stattdessen suchte er eine Möglichkeit, mit der er den Minoritätenstämmen der Khmu und Hmong die Verletzlichkeit ihrer Umwelt verdeutlichen - und etwas ändern konnte. "Wer die Welt wie Affen erlebt, muss doch die Probleme erkennen", beschreibt er seine Idee. Und der passionierte Kletterer will, dass die Menschen eine Chance bekommen. Denn es ist vor allem die Armut, die die Jäger und Bauern in den Regenwald treibt.

2003 baut Reumaux für die Einheimischen das erste Baumhaus. 2005 bewirbt er sich bei der Regierung in der Hauptstadt Vientiane um 135.000 Hektar Land mit dem Ziel, einen Nationalpark zu schaffen. 2008 liegt die Genehmigung vor. Zur Finanzierung gründet er das Ökotourismus-Projekt "Gibbon Experience". Anfangs, erinnert sich Reumaux, seien die Stammesführer sehr skeptisch gewesen und Besucher ausgeblieben. Doch die spannende Kombination von Ökoidee, Adrenalinkick und Naturspektakel im Blätterreich der Menschenaffen spricht sich herum. "Insbesondere im Januar und Februar sind die Touren sehr beliebt, dann sind wir oft komplett ausgebucht", berichtet Manager Souksamlan Laladeth.

Sieben Baumhäuser zwischen 25 und 40 Metern Höhe, viele verwunschene, teils steile Dschungeltracks und über 15 Kilometer Ziplines gehören heute zum Projekt. 28 Dörfer profitieren direkt, weil es für 140 Leute Arbeit als Guide, Köchin, Fahrer, Wildhüter gibt. Es wird auch aufgeforstet, aufgeklärt, nachhaltiger Reisbau getestet. Und weil die Wilderei stark zurückgegangen ist, legen die Populationen von Adlern, Gibbons, fliegenden Eichhörnchen, Stachelschweinen im Schutzgebiet langsam wieder zu.

Start für eine "Gibbon Experience" ist der kleine Ort Houay Xai an der Grenze zu Thailand. Gebucht werden können Touren mit einer oder zwei Übernachtungen. Auf Pick-ups geht es drei Stunden lang nach Norden, Myanmar und China sind nicht weit; dann läuft man noch einmal zwei Stunden tief in den Nationalpark hinein. Die Führer teilen Essen aus, legen Zipline-Gurte an, zeigen Heilkräuter, deuten Tierstimmen. "Beim ersten Flug hatte ich die Augen halb zu", gesteht Anwalt Andre Daudt aus Sao Paolo. Der junge Brasilianer wählt die Wasserfall-Tour. Der 70-jährige Engländer Ian Swansen und Freundin Chris Jones (65) entscheiden sich für die klassischen Rundweg mit kürzeren Treckingpassagen. "Das Ziplining ist einfach und unglaublich. Man denkt, man rauscht in den Himmel", schwärmt der 56-jährige Jelle Blaauwbroeck aus Holland.

Durch den Dschungel stapfen, an Stahlseilen sausen, Baumhäuser erkunden, immer wieder neue Blicke auf wundersame Natur erhaschen: Dann ziehen sich die Gruppen zurück auf ihre komfortablen Wipfelstationen mit bequemen Matratzen und Plümos, blickdichten Moskitonetzen, Toiletten und Duschen, Kochstellen und Solarlicht.

Wenn laotische Popmusik aus Smartphones und keckes Lachen ertönt, ist klar: Die Köchinnen fliegen mit dem Abendessen heran. Der traditionelle Klebereis ist immer dabei, dazu leicht scharfe Currys, Salate aus mariniertem Fleisch oder Fisch sowie Gemüse garniert mit frischen Kräutern aus dem Wald. Leise wird es im Dschungel nie: Fledermäuse, Eulen, Flughörnchen jagen in der Nähe. Ein glasklarer Sternenhimmel kündigt einen warmen Tag an. Wer früh aufsteht und leise ist, kann den Gibbons des Nam Kan dann mit etwas Glück lauschen und zusehen.

(RP)
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