Duisburg Sauerland wird in eigener Stadt zum Außenseiter

Duisburg · Sonntagabend bei der "Sinfonie der Tausend" im Duisburger Landschaftspark durfte Adolf Sauerland nicht mit auf das offizielle Foto mit dem Bundespräsidenten. Montag ab 14 Uhr entscheidet der Stadtrat über die Abwahl des Oberbürgermeisters. Sauerland muss dabei draußen bleiben.

Christian Wulff lässt Sauerland im Regen stehen
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Es regnet in Strömen, als die beiden schwarzen Limousinen am Sonntag Abend um 17.57 Uhr vor der Kraftzentrale im Duisburger Landschaftspark halten. Die Türen gehen auf, Regenschirme werden gespannt, Bundespräsident Christian Wulff (CDU) und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) steigen aus. Fritz Pleitgen, Geschäftsführer Ruhr 2010, nimmt die beiden in Empfang. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland steht nur daneben. Keiner will mit ihm reden.

Wulff und Kraft würdigen Sauerland vor Beginn des Konzerts "Sinfonie der Tausend" keines Blickes. Auch als die Kameras der Fotografen für das offizielle Begrüßungsfoto klicken, steht Sauerland zwei Meter daneben. Das Duisburger Stadtoberhaupt wird demonstrativ ins Abseits gestellt, zum Außenseiter in seiner eigenen Stadt gemacht. Während Wulff Autogramme schreibt, wird Sauerland ausgebuht. Beim Gespräch des Bundespräsidenten mit den künstlerischen Leitern der "Sinfonie der Tausend" kurz vor Beginn der Veranstaltung ist Sauerland ebenfalls nicht erwünscht. Kraft, Pleitgen und Wulff sitzen im Konzert nebeneinander, Sauerland ein paar Reihen dahinter. Eine Schweigeminute für die Opfer der Loveparade wird abgehalten, dann beginnt die "Sinfonie der Tausend".

Adolf Sauerland hatte sich den Abend wohl anders vorgestellt. Nach der Loveparade-Katastrophe hatte er sechs Wochen lang die Öffentlichkeit gemieden. Er ging zu keinem Fest, keiner Feier, keiner Grundsteinlegung oder Ehrung. Selbst beim zweiten Bundesliga-Heimspiel "seines" MSV in dieser Saison blieb sein Platz auf der Tribüne frei. Auf den Abend im Landschaftspark hatte Sauerland sich deswegen besonders gefreut. Wohl zu früh.

Erst vor gut einer Woche überraschte er viele mit einem Auftritt in der Salvatorkirche. Am vergangenen Sonntag besuchte er — übrigens ebenso wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft — die Eröffnung der Landessynode der evangelischen Kirche. Es sei gut, in solch schwierigen Wochen die Kirche an seiner Seite zu wissen, sagte er und musste in diesem Kreis der hochrangigen Repräsentanten Pfiffe und Buh-Rufe nicht fürchten. Auch ein Rathausempfang für Gäste aus Duisburgs englischer Partnerstadt Portsmouth verlief professionell. Und wer dachte, dass er vor wenigen Tagen bei seinem "ersten Spatenstich" für eine Landmarke auf einem Aussichtshügel im Duisburger Süden einer pfeifenden Menge gegenüber stehen würde, sah sich getäuscht.

Ein Zeichen dafür, dass die Duisburger Bürger das Interesse daran verloren haben, welche Rolle Sauerland bei der Loveparade-Katastrophe gespielt hat, war das allerdings nicht. Wie hoch die Wellen der Emotionen immer noch schlagen, zeigte sich vor einer Woche vor der Ratssondersitzung. Da gab es wieder lautstarke Meinungsäußerungen — von einer kleinen Gruppe, die Sauerland zum Rückzug aufforderte. Und von einer größeren, die ihn darin bestärkte, zu bleiben.

Währenddessen lasen dem Stadtoberhaupt etliche Ratsmitglieder gehörig die Leviten, weil er durch sein Verhalten den immensen Schaden durch die Katastrophe noch vergrößert hätte. Der eigentlich zur Diskussion stehende Abschlussbericht, den die Stadt wie berichtet bei einer Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag gegeben hatte, fand hingegen kaum Interesse. Sympathisanten und Gegner wird es auch am Montag wieder vor und im Rathaus geben. Ab 14 Uhr geht es um die Abwahl des Oberbürgermeisters, die SPD, FDP und Linke beantragt hatten. Das Verfahren sieht keine Diskussionen, keine Meinungsäußerungen und keine Bemerkungen vor. Sauerland selbst darf nicht dabei sein, wenn jedes einzelne Ratsmitglied aufgerufen wird und öffentlich sagen muss, ob es für die Abwahl stimmt oder nicht.

Der Antrag gilt als angenommen, wenn eine Zweidrittelmehrheit mit Ja stimmt, von den 74 Mitgliedern müssen das mindestens 50 sein. Dass diese Mehrheit erreicht wird, ist nahezu ausgeschlossen, denn die Antragsteller kommen zusammen nur auf 39 Sitze. Adolf Sauerland selbst macht sich keine Illusionen für den Fall, dass der Abwahlantrag scheitert. Vor ihm liegen schwierige Wochen, Monate, wenn nicht sogar Jahre — das weiß er. Er baut auch darauf, dass er nicht nur im Integrationsrat der Stadt überzeugen kann. Zwölf der 18 Mitglieder in diesem gewählten Gremium unterzeichneten am Freitag eine Erklärung, in der es wörtlich heißt: "Duisburg braucht diesen Oberbürgermeister."

(RP)
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