Mönchengladbach 1000 neue Jobs von Zalando in Gladbach

Mönchengladbach · Am Montag war Grundsteinlegung für ein riesiges Verteillager des Internethändlers Zalando in Mönchengladbach. Das Berliner Unternehmen wächst extrem schnell, macht den stationären Handel nervös – und könnte auch scheitern.

 Christoph Stark (Logistikchef Zalando), David Schröder, Geschäftsführer MyBrands Zalando eLogistics, WirtschaftsministerGarrelt Duin, Andreas Fleischer (Goodman) und Oberbürgermeister Norbert Bude (v.l.) bei der Grundsteinlegung.

Christoph Stark (Logistikchef Zalando), David Schröder, Geschäftsführer MyBrands Zalando eLogistics, WirtschaftsministerGarrelt Duin, Andreas Fleischer (Goodman) und Oberbürgermeister Norbert Bude (v.l.) bei der Grundsteinlegung.

Foto: Ilgner

Am Montag war Grundsteinlegung für ein riesiges Verteillager des Internethändlers Zalando in Mönchengladbach. Das Berliner Unternehmen wächst extrem schnell, macht den stationären Handel nervös — und könnte auch scheitern.

"Schrei vor Glück, oder gib es zurück!" Mit diesem schrillen Werbemotto hat sich das Berliner Unternehmen Zalando zum in Europa wohl erfolgreichsten Handelshaus für Schuhe und zunehmend auch andere Kleidung im Internet entwickelt. An diesem Montag geht es dagegen seriöser zu: Wirtschaftsminister Garrelt Duin kommt zur Grundsteinlegung des neuen Zalando-Logistikzentrums in Mönchengladbach. "Die Landesregierung begrüßt die Investition eines aufstrebenden jungen Unternehmens wie Zalando ausdrücklich, denn sie beweist, wie attraktiv Nordrhein-Westfalen als Logistikstandort ist", jubelt der SPD-Politiker bereits vorab. Und tatsächlich will Zalando auf Dauer bis zu 1000 neue Arbeitsplätze in Gladbach schaffen. Der neue Logistikstandort soll 110 000 Quadratmeter groß sein — das entspricht einer Fläche von zehn Fußballfeldern.

Tatsächlich muss der Siegeszug von Zalando differenziert gesehen werden. Es ist ein klarer Erfolg für die deutsche Wirtschaft, dass sich erstmals ein hierzulande gegründetes Unternehmen zum Marktführer bei einem Geschäft rund um das Internet entwickelt hat — ansonsten dominieren ja die US-Konzerne Ebay, Amazon oder Google ihre jeweiligen Bereiche.

Die Kunden können sich freuen: "Ich kann mir Schuhe oder andere Kleidungsstücke auch nachts heraussuchen und dann bestellen", erzählt die Mönchengladbacher Studentin Greta Schnettler, "und wenn ich mir unsicher über die Größe bin, bestelle ich einfach mehrere Variationen und schicke nicht passende Dinge zurück." Doch bei den traditionellen Geschäften läuten wegen Zalando die Alarmglocken: "Zalando entwickelt sích zum Angstgegner des Einzelhandels", berichtet Jörg Funder, Direktor des Instituts für internationales Handels- und Distributionsmanagement in Worms, "viele Anbieter fürchten einen brutalen Verdrängungswettbewerb."

Dabei setzt das erst 1998 gegründete Unternehmen auf alle Tricks. So bietet Zalando seit dem 10. Januar eine kostenlose App für Smartphones an, um Waren auch unterwegs zu bestellen. Das klingt halbwegs harmlos, Schuhe, Hemden oder Hosen lassen sich überall auswählen. Doch tatsächlich macht man indirekt den stationären Einzelhandel zum unbezahlten Vorzeigeraum: Die Kunden können mit einem Barcode-Leser für im Laden angeschaute Produkte den Zalando-Preis heraussuchen — und dann per Fingerklick auf dem Smartphone bestellen. "Die Kunden verlangen dann von uns Rabatt", befürchtet ein Verkäufer bei Karstadt, "oder sie kaufen per Handy bei Zalando."

Die große Frage ist, ob die Berliner als Unternehmen wirklich durchhalten — und ob die Jobs in Mönchengladbach auf Dauer sicher sind. Dagegen spricht, dass Zalando trotz seines Umsatzes von mittlerweile einer Milliarde Euro konstant rote Zahlen schreibt. Die Expansion in zwölf Auslandsmärkte wie beispielsweise die Niederlande sowie extrem teure Werbung sorgen dafür.

Für das Überleben spricht dagegen, dass die Verluste von kapitalstarken Eigentümern ausgeglichen werden: Die für den Aufbau von neuen Unternehmen bekannten Samwer-Brüder sind die eigentlichen Antreiber der Firma und bringen viel Wissen und Geld ein. Die schwedische Investmentbank Kinnevig hält 20 Prozent des Kapitals. Einige Investmentbanken wie JP Morgan aus den USA stecken drin. Und auch Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub mischt mit. Der vierfache Milliardär Haub erklärt auch klar, dass man einen langen Atem hat: "Amazon hat auch 3,5 Milliarden Dollar verbrannt, bevor die profitabel wurden. Jetzt sind sie das Vorbild der Branche."

Der Vergleich mit Amazon bedeutet: Man will hunderte Millionen Euro in den Aufbau der europaweiten Marktführung stecken, kassiert wird später. Klingt logisch, doch es gibt einen Unterschied. Bei Amazon können ausgepackte CDs oder Bücher nicht umgetauscht werden. Das sorgt bei einem Verzicht auf Mietzahlungen für Filialen auf Dauer für sagenhafte Gewinne.

Zalando muss zwar auch keine eigenen Geschäfte finanzieren, leidet aber unter einer extrem großzügigen Rückgabegarantie. Kunden können Waren 100 Tage lang behalten und dann noch zurücksenden. Ergebnis: Bis zu 70 Prozent der Waren werden zurückgesandt, glauben Branchenkenner — Geschäftsführer Rubin Ritter erklärte in einem Gespräch mit der "Welt" dagegen, es seien "nur" 50 Prozent.

Wie sich das Unternehmen mit einer solchen Rückgabequote halten wird, ist die Frage. In Gladbach bedeutet die Rückgabegarantie aber erst einmal sichere Jobs: Es sollen täglich hunderttausende Pakete versendet werden. Dann kommen unzählige Pakete wieder zurück. Dann müssen die Artikel daraufhin untersucht werden, ob man sie erneut verkaufen kann. "Schrei vor Glück, oder gib es zurück" — es gibt künftig viel zu tun im Werk.

(RP/jco)
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