Sittard Gesittetes Sittard

Sittard · In der Honschaft Sittard haben die Bewohner eine Strategie entwickelt, wie sie mit Problemen fertig werden: Es wird herzhaft und viel gelacht. Dadurch verschwinden Schwierigkeiten zwar nicht, aber das Leben wird angenehmer. Als ob das an diesem Fleckchen Gladbach noch nötig wäre.

 Sittards kleiner Teich.

Sittards kleiner Teich.

Foto: Isabella Raupold

Hans Eckers konnte es kaum fassen, als der schwere Lkw vor seiner Haustür hielt. Zwei Packer stiegen aus und begannen seelenruhig, eine Küchenzeile abzuladen. Höflich fragte er nach: "Für wen ist die denn?" Die Antwort: "Für Sie!" Hans Eckers erzählt diese Geschichte über die Verwechselung zweier Adressen mit Genuss. "Wir haben uns gewehrt, aber die haben sich dran gehalten", sagt der Senior. Er wohnt in Sittard, einem kleinen Dorf im Rheindahlener Land. Die Küche aber sollte zur Sittardstraße ins Stadtzentrum. Erst als die Küche ganz abgeladen war, erkannten die Lieferanten den Irrtum. Pointe, Eckers lacht.

In Sittard lachen sie überhaupt sehr viel und gerne. Sie gehen mit Problemchen so entspannt um wie kaum jemand sonst. Beispielsweise mit dem Wasserproblem: Weil die Honschaft in einer Senke liegt, gab es viele Jahre bei Starkregen häufig Überflutungen. Es kam vor, dass das Wasser von Gärten hinterm Haus in das Gebäude lief. Erhard Köntges quittiert das mit einem Lächeln und verrät das Sittarder Geheimrezept zur Bekämpfung von Hochwasser: "Dann mache ich eben die Haustür auf, dann läuft das vorne wieder raus."

So entspannt kann man vermutlich nur sein, wenn man gesittet mitten im Grün lebt, wie es die genau 99 Bewohner von Sittard tun. Die Honschaft liegt zwei Kilometer südlich von Rheindahlen, umrahmt von Feldern und Wäldern. Es gibt einen Postbriefkasten mit täglicher Leerung, eine kleine Kirche mit monatlicher Messe und einen Zigarettenautomaten. Sonst — nichts. Im Westen führt eine Straße in die benachbarte Honschaft Sittardheide. Dazwischen liegt ein Wäldchen, und darin ist die Antwort auf die Wasserprobleme des Dorfes zu finden. Es sind zwischen 20 und 40 kleinere Kuhlen, in denen das Wasser steht, weil sie einen Tonboden haben. Darin wurde früher der Flachs gebleicht, was zu einem Großteil die Wirtschaftsgeschichte des Dorfes ausmacht. Daher kommt wohl auch der Name des Dorfes ("sit" bedeutet tief, und "hard" heißt Wald). Bei dem dorfeigenen Humor ließen sich die Mulden noch zu ganz anderen Zwecken benutzen. "Ich bin da früher immer mit Freunden in einer Badewanne hindurch gefahren", erinnert sich "Kapitän" Hans Eckers.

Man kann also viel lachen in Sittard, wenn es denn nicht einige unerfüllte Wünsche gäbe, die die Bewohner seit Jahren plagen. "Wir wissen nicht, wo wir hin sollen", sagt Doris Hinz. Bei einer heftig gefeierten Goldhochzeit lernte sich die Bevölkerung im Dorf in den 70ern erst so richtig schätzen. Danach traf man sich einmal im Monat samstags zum Stammtisch. Vermutlich auch zum Lachen. Bruno Hinz organisierte es, dass die Stadt den Bewohnern den Keller im leerstehenden Schulgebäude für ihre Treffen überließ. Doch das wurde abgerissen (siehe unten). "Seitdem wissen wir nicht, wo wir hin sollen", sagt Hejo Kelzenberg. Darunter habe auch die Dorfgemeinschaft gelitten. Neue Bewohner seien nicht mehr so gut in die Gemeinschaft integriert worden, wie das früher noch der Fall gewesen sei. "Wohin will man denn auch einladen?", fragt Hejo Kelzenberg. Eine Gaststätte gibt es nicht und hat es auch nie gegeben.

Wobei: So ganz stimmt das nicht. Vor einigen Jahren schraubte ein Neuling im Dorf über die Tür eines von ihm gemieteten Hauses das Schild "Tag und Nacht Café" an. Die Nachbarn bekamen zügig mit, dass es sich dabei um ein Etablissement handelte. Sie nahmen's mit Humor, und wenig später war das Schild wieder weg.

(RP)
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