Umstellung an Gymnasien Abkehr vom Turbo-Abi in NRW wird teuer

Düsseldorf · Die NRW-Schulministerin erwartet bezüglich der Abkehr vom Turbo-Abi Kosten von mehreren hundert Millionen Euro. Das G9-Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Die Opposition sieht wichtige Fragen jedoch ungeklärt.

 Eine Lehrerin streicht an einer Tafel das Wort G8 durch (Symbolfoto).

Eine Lehrerin streicht an einer Tafel das Wort G8 durch (Symbolfoto).

Foto: dpa

Die Landesregierung rechnet mit hohen Ausgaben für die Wiedereinführung der neunjährigen Gymnasialzeit (G9). "Bayern liegt bei 350 Millionen bis 500 Millionen Euro", sagte am Dienstag NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Anhand dieser Zahl lasse sich in etwa hochrechnen, wie teuer die Umstellung in NRW werden könnte.

Im Landesfinanzministerium rechnet man mit Kosten von bis zu einer Milliarde Euro bis 2020, je nachdem, wie viele Gymnasien bei G8 bleiben.

Durch G9 entstehen zusätzliche Kosten, unter anderem weil die Schulen künftig mehr Räumlichkeiten brauchen. In einigen größeren Städten müssen voraussichtlich sogar neue Gymnasien gebaut werden. Überdies werden 2200 neue Lehrerstellen in NRW gebraucht, die 110 Millionen Euro jährlich kosten würden.

Das Landeskabinett stimmte dem Gesetzentwurf für die Rückkehr zu G9 zu. Noch vor der Sommerpause soll ihn der Landtag verabschieden. Zeitgleich soll auch das Gesetz in Kraft treten, das den Ausgleich der Kosten regelt zwischen Land und Kommunen.

"Die Landesregierung hat damit eines ihrer größten und wichtigsten Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht", sagte Gebauer. Es markiere das Ende einer jahrelangen emotional geführten Debatte. Die Ministerin stellte aber klar, dass das Land nur solche Kosten übernehmen werde, die den Kommunen aufgrund der Rückkehr zu G9 entstehen. Herauszurechnen sei etwa der Bedarf an zusätzlichen Räumlichkeiten infolge steigender Geburtenzahlen. Darüber werde mit den Verbänden noch zu sprechen sein.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen grundsätzlich alle öffentlichen Gymnasien in NRW zum Schuljahr 2019/20 wieder zu G9 zurückkehren. Davon betroffen sind also erst Schüler, die heute im dritten oder vierten Schuljahr sind. Die öffentlichen Gymnasien wie auch die Privatschulen können entscheiden, beim Turbo-Abi zu bleiben. Dafür ist ein Zwei-Drittel-Beschluss der jeweiligen Schulkonferenzen notwendig. Die Kommunen haben in ihrer Eigenschaft als Schulträger ein Vetorecht. Die Schulministerin erwartet, dass über 90 Prozent der Schulen die neunjährige Gymnasialzeit am Ende wiedereinführen.

"Klare Entscheidung für alle"

Die Pflicht-Wochenstundenzahl soll bei 180 Stunden in Klasse fünf bis zehn liegen plus weiteren acht, die für die Gymnasien freiwillig sind. In diesen sechs Schuljahren fallen also jeweils 30 Wochenstunden an, sechs Schulstunden täglich. Die Gymnasien können damit wieder zum Halbtagsbetrieb zurückkehren. Die zweite Fremdsprache, meist Französisch oder Latein, soll künftig wieder im siebten Schuljahr einsetzen statt im sechsten wie bisher. Nähere Informationen zu diesen Themen kündigte Gebauer noch für diese Woche an.

Aus Sicht der Grünen-Opposition bleibt die Ministerin im Gesetzentwurf wichtige Antworten schuldig. Etwa was die Umstellung kostet, wer sie bezahlt und woher die zusätzlichen Räume kommen sollen, wie die schulpolitische Sprecherin Sigrid Beer kritisierte. Auch müsse bedacht werden, was die Rückkehr zu G9 für die kommenden Ausbildungsjahrgänge bedeute, wenn ein Abiturjahrgang nahezu komplett ausfalle.

Völlig unklar bleibe, wie die versprochene Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 zu gewährleisten sei, wenn sich fast alle Gymnasien für den längeren Bildungsweg aussprächen. Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, äußerte sich ähnlich: "Ich hätte mir eine klare Entscheidung G9 für alle gewünscht." Aus Sicht der SPD bliebe dann Zeit, eine Reform der Oberstufe zu entwickeln.

(kib)
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