Mülheim an der Ruhr Vierjähriger stürzt aus Fenster - Müllmann fängt ihn auf

Mülheim/Ruhr · Den vierjährigen Eden aus Mülheim und den Müllwerker Bogdan Wilda verbindet für den Rest ihres Lebens eine ganz besondere Geschichte. Wilda wurde für den kleinen Jungen vermutlich zum Lebensretter.

Mülheim: Müllmann fängt Vierjährigen nach Fenstersturz auf
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Müllmann fängt Vierjährigen nach Fenstersturz auf

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Wie schön, wenn man den Namen seines Schutzengels kennt. Der des vierjährigen Eden aus Mülheim an der Ruhr heißt Bogdan Wilda, ist 45 Jahre alt und Müllwerker bei der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft. Am Mittwochmorgen gegen 10.30 Uhr war der Müllwerker genau zu dem Zeitpunkt zur Stelle, als Eden Hilfe besonders nötig hatte. Der Vierjährige hielt sich nur noch mit einer Hand an einem Fenstersims fest, fast sieben Meter über dem gepflasterten Bürgersteig. Doch als ihn seine Kräfte verließen, stand da eben Bogdan Wilda. Und fing ihn auf.

Wilda war mit seinen Kollegen Dennis Reichelt und Fahrer Friedhelm Kuhles unterwegs auf der Morgentour. Zunächst ist ihnen der Junge überhaupt nicht aufgefallen. Reichelt ist gerade damit beschäftig, Tonnen aus einem Keller herauszuholen, als er ein Kind "Feuerwehr, Feuerwehr!" rufen hört. "Dann sah ich erst den Jungen, der mit einer Hand am Fenstersims hing", erzählt der 36-Jährige. Er informiert sofort seine Kollegen. Gemeinsam entscheiden sie, sich aufzuteilen: Reichelt und Kuhles stürmen ins Haus, um in die Wohnung zu gelangen, Wilda bleibt unten stehen. Für alle Fälle.

"Man denkt gar nicht mehr groß nach, sondern handelt in so einem Moment nur noch", sagt Reichelt. So informieren die Müllwerker zunächst auch nicht den Rettungsdienst, weil es schnell gehen muss. im Haus klingeln und klopfen sie an allen Türen, aber in der Wohnung auf der Etage, wo sie den Jungen vermuten, reagiert niemand. Im Nachhinein verständlich: Der Junge war allein, unbeaufsichtigt.

Als Reichelt im Hausflur aus dem Fenster sieht, voller Angst, den unglücklichen Ausgang ihres Rettungseinsatzes miterleben zu müssen, ist der Junge schon sicher unten angekommen. Nämlich in den Armen von Bogdan Wilda. "Der Vierjährige ist nicht einmal in die Nähe des Bodens geraten", erzählt Reichelt erleichtert. "Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können." Das sagt auch ein Sprecher der Feuerwehr. Knochenbrüche wären bei einem Sturz aus dieser Höhe — 6,70 Meter waren es genau — das Mindeste gewesen.

So aber fließen nur, neben einer leichten Verletzung am Arm, ein paar Tränen bei dem sichtlich geschockten Eden. Der immerhin laut Reichelts Schätzung rund 25 Kilogramm auf die Waage bringt. Durch die Fallhöhe summiert sich das auf ein erkleckliches Gewicht, das Wilda auffangen musste. Wie eine deutsche Eiche habe der gestanden, scherzt Reichelt und betont augenzwinkernd, sein Kollege sei "recht gut gepolstert". "Wir haben ihm gesagt, dass wir daher künftig nicht mehr auf ihn verzichten können."

Wie es genau dazu gekommen ist, dass der Junge aus dem Fenster fiel, muss noch geklärt werden. Weil seine Schwester in der Grundschule überraschend krank geworden war, hatte sich die 40-jährige Mutter laut Polizei entschieden, sie abzuholen und Eden so lange alleine zu lassen. In dieser Zeit war der Junge aufs Fensterbrett geklettert und abgerutscht. Gegen die Mutter wird nun wegen Verletzung der Aufsichtspflicht ermittelt.

Die Müllwerker haben nach ihrem Rettungseinsatz erst einmal pflichtbewusst ihre Tour beendet. Mit einem guten Gefühl zwar, wie Reichelt erzählt, aber ohne wirklich zu realisieren, was da geschehen ist. "Das ist erst allmählich ins Bewusstsein gesickert", sagt er. Gemeinsam gefeiert werden soll deshalb am Feiertag. Und zwar, dass sie in der Müllwerker-Crew diesmal nicht zwei Lader und einen Fahrer hatten, sondern einen Lader und einen Fänger. Auch diesen Namen wird Bogdan Wilda wohl nicht mehr los. Reichelt: "Gut, dass wir ausgerechnet ihn dabei hatten."

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