"Uns eint der Glaube an Jesus Christus"

Dinslaken · Friedhelm Waldhausen, Superintendent des Kirchenkreises Dinslaken, über die Reformation, das Jubiläumsjahr und die Ökumene.

 Denkmal in Wittenberg (Sachsen-Anhalt): Martin Luther hält das Neue Testament in den Händen.

Denkmal in Wittenberg (Sachsen-Anhalt): Martin Luther hält das Neue Testament in den Händen.

Foto: dpa

Herr Waldhausen, das Jubiläumsjahr, das an die Anfänge der Reformation vor 500 Jahren erinnert, endet heute mit dem zentralen Abschlussgottesdienst. Im Kirchenkreis Dinslaken fanden in den zurückliegenden zwölf Monaten zahlreiche Veranstaltungen zu diesem Jubiläum statt. Was waren für Sie im Rückblick die herausragenden Veranstaltungen?

Friedhelm Waldhausen Da würde ich erstmal die Gottedienste an besonderen oder auch an anderen Orten nennen, die wir im Kirchenkreis Dinslaken durchgeführt haben. Damit haben wir innerhalb der Rheinischen Landeskirche einen guten Rankingplatz belegt, wir haben nämlich die meisten Gottesdienste an anderen Orten durchgeführt. Diese Gottesdienste fanden beispielsweise in einem Fitnessstudio, am Fähranleger, in einer Tanzschule, auf dem Bauernhof, im Einkaufszentrum Neutor-Galerie und auf dem Campingplatz statt. Das alles waren Gottesdienste, die in der Regel gut besucht waren und bei denen wir auf Menschen zugegangen sind. Das waren wirklich besondere Ereignisse im Reformationsjahr in unserem Kirchenkreis, ebenso wie die Ausstellung "Reformation im Land Dinslaken", die ich mit dem Bürgermeister eröffnet habe und die unter Kurator Sepp Aschenbach und Museumsleiter Peter Theißen entstanden und noch im Voswinckelshof zu sehen ist. Für diese Ausstellung wurden Exponate aus unserer Gegend zusammengetragen, sie macht deutlich, wie Reformation auch hier am Niederrhein relativ unspektakulär, aber doch bedeutend vonstattenging.

Was meinen Sie damit?

Waldhausen Die Reformation zeichnete sich dadurch aus, dass hier am Niederrhein katholische und evangelische Christen es doch immer verstanden haben, miteinander gut auszukommen, was bis heute so ist. Es gab eher kleinere Scharmützel zwischen Protestanten lutherischen und reformierten Bekenntnisses - da kann man heute drüber schmunzeln. Manchmal schlägt sich das noch nieder in den Bekenntnissen, in denen unsere Gemeinden unterwegs sind. Es haben auch wunderbare Veranstaltungen stattgefunden, wie "Evangelisch - katholisch zwei Herzen in meiner Brust" mit Fulbert Steffensky, der ja schon des öfteren Gast in unserer Region gewesen ist. Wir haben zu dem Thema der Ausstellung im Museum Voswinckelshof eine Veranstaltung mit hochkarätigen Teilnehmern der Ökumene unter Leitung des Kollegen Austen Brandt, der Pfarrer in Walsum-Aldenrade ist, gehabt. Wir haben eine katholisch-evangelische Pilgerreise unternommen, ein Höhepunkt des Veranstaltungsjahres, unter dem Stichwort "Spiritualität und Widerstandsgeist" in den Landen Sachsen-Anhalt und Thüringen, bei der wir Martin Luthers Wirkungsstätten besucht haben. Die Reise war bewusst ökumenisch, weil wir dort in einem Kloster untergebracht waren. Unter dem Stichwort "Spiritualität und Widerstandsgeist" sind Martin Luther und die Reformatoren zusammenzufassen, aber auch das, was manchmal in Klöstern an geistlicher Bewegung aufgekommen ist, was Menschen in ihrem Leben stabilisiert hat, kann man mit diesen Begriffen bezeichnen. Diese Studienreise hat mir auch deshalb besonders viel Freude gemacht, weil ich als Inhaber des Busführerscheins und der Fahrerlaubnis den Bus mit 50 Leuten fahren durfte, geleitet von meinen katholischen und evangelischen Kollegen, die allesamt gut vorbereitet waren.

Was bedeutet Reformation für Sie heute?

Waldhausen Dass wir vieles in einem guten ökumenischen Miteinander betreiben. Dazu passt eben auch, dass in diesem Jahr die Charta Oecumenica, die in der Stadt Dinslaken von dem Presbyterium in Dinslaken und der Sankt-Vincentius-Gemeinde unterzeichnet wurde, noch einmal zu Ehren gekommen ist und dass an sie erinnert wurde. Viele Dinge sind heute einfach sehr viel selbstverständlicher zwischen evangelischen und katholischen Christen - und das ist gut so. Bei aller konfessionellen Verschiedenheit, und das sage ich jetzt bewusst als Theologe und Superintendent, eint uns der Glaube an Jesus Christus. Und dieser Glaube hat unterschiedliche Ausprägungen in den gottesdienstlichen Feiern erhalten. Mir ist wichtig, dass wir als Christen erkennbar sind in dieser Welt, egal ob als katholische oder evangelische, dass wir Verantwortung als Christen und auch als christliche Kirchengemeinden wahrnehmen, indem wir zeigen, wir treten mit unserem christlichen Verständnis für ein gelingendes Zusammenleben in dieser Gesellschaft ein. Das ist, so glaube ich, deutlich anders als vor 50 oder vor 100 Jahren. Da sind wir nun ein gutes Stückchen weiter. Und so ist der Gottesdienst am Ende dieses Reformationsjahres so, dass der Kollege Pfarrer Kalscheur von Sankt Vincentius ein Grußwort der katholischen Kirche sprechen wird. Wir haben im Vorbereitungsgespräch gesagt: das Reformationsfest ist ein Christusfest. Um uns darauf zu besinnen, was ist unsere Gemeinsamkeit.

Was bleibt nach dem Jubiläumsjahr für die Zukunft noch zu tun oder kehrt jetzt wieder der kirchliche Alltag ein?

Waldhausen Es bleibt das Bewusstsein dafür, dass wir eine gemeinsame Verantwortung haben, bei aller Unterschiedlichkeit. Und dass in dieser Region ein unkomplizierterer Umgang miteinander heutzutage angesagt ist, ohne Unterschiede zu verwässern, aber dabei voneinander zu lernen. Warum gibt es bei euch diese Tradition, warum ist es bei euch vielleicht manchmal etwas feierlicher als in der evangelischen Kirche? Das hat man noch vor Jahren deutlicher erkennen können, da sind die Grenzen inzwischen aufgelöster, durchlässiger geworden.

Das Jubiläumsjahr wurde intensiv genutzt, um das Verbindende herauszustellen, nicht das Trennende.

Waldhausen Ja, das Verbindende ist Jesus Christus, oder theologisch gesprochen: das Kreuz. Und das muss sich im Alltag eben auch darin zeigen, wie Christen nach außen auftreten, dass sie glaubwürdig sind in ihrem Reden und Tun, dass - was selbstverständlich geworden ist - Schulgottesdienste miteinander gefeiert werden, dass Trauungen ökumenisch gefeiert werden. Ich weiß aus der Krankenhausseelsorge, dass da ganz viel in einem guten ökumenischen Geist geschieht, sowohl im evangelischen als auch im katholischen Krankenhaus, weil die Krankenhausseelsorgenden eine Kooperation pflegen, die hervorragend läuft. Das sind für mich Zeichen, dass nicht Trennendes im Vordergrund steht, sondern Verbindendes.

Und wie sieht es mit den Zeichen im Alltäglichen aus?

Waldhausen Es gibt die vielen kleinen Dinge, die im Alltäglichen passieren, wo man aus seiner inneren Überzeugung für andere Menschen da ist. Warum machst du das? Weil ich Christ bin. Dann sagt man nicht, weil ich katholisch oder evangelisch bin. Die großen Schritte in der Kirche sind auf katholischer Seite von Reinhard Kardinal Marx und von Heinrich Bedfort-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, aufgezeichnet worden, hinsichtlich der Taufe, die schon von beiden gemeinsam praktiziert wird. Aber auch über das Abendmahl und die Eucharistie nachzudenken, das ist sicherlich noch ein weiter Weg. Katholische und evangelische Christen sollten zudem stärker darüber nachdenken und es auch praktizieren, das gleiche Kirchengebäude zu haben, wenn sich die finanziellen Dinge so entwickeln, dass es keinen Sinn macht, 100 Meter voneinander entfernt zwei große Kirchen stehen zu haben. Solche Dinge sind auch ein Stück weit angestoßen worden durch das Reformationsjubiläum. (Fortsetzung Seite C 5)

DAS GESPRÄCH FÜHRTE RP-REDAKTEUR HEINZ SCHILD

(RP)
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