Düsseldorf Zu oft müssen Richter über Cent-Beträge verhandeln

Düsseldorf · Trotz hohen Prozessaufwands werden auch "Bagatell-Fälle" beim Amtsgericht akribisch geprüft.

Mit einer Zivilklage gegen eine Telefonfirma wegen eines Anrufs für 19 Cent hatte ein Rechtsanwalt kürzlich das Amtsgericht bemüht. Doch war dies nicht der kleinste Betrag, um den in Düsseldorf je gestritten wurde. Ein Investor machte 2014 einen Zinsschaden von einem Cent in einem Zivilprozess gegen eine Anlagefirma geltend. Laut Gesetz darf keine Klage als geringfügig abgewiesen werden. "Auch solche Fälle werden mit angemessener Sorgfalt bearbeitet", so Amtsgerichtssprecher Mihael Pohar.

Immer wieder müssen sich die ohnehin überlasteten Gerichte mit solchen Fällen beschäftigen. "Nicht selten geht es den Parteien um etwas Grundsätzliches, das sie gerichtlich geklärt haben wollen", sagt Pohar. Einer war der Investor, der eine Anlagefirma verklagte, weil sie Zinsgutschriften nicht "unverzüglich" ausgezahlt habe. Er forderte daher einen Cent plus acht Cent plus 17 Cent. Insgesamt klagte er auf 26 Cent und wollte die Anlagefirma zwingen, Klein-Beträge sofort abzurechnen. Das misslang. "Unverzüglich" heißt laut Amtsgericht nicht "sofort" - und der Firma müsse zur Zahlung von Zinsgutschriften auch "eine gewisse Bearbeitungszeit eingeräumt" werden. Dem Kläger entgingen 26 Cent, zudem musste er Gerichtskosten und den Anwalt der Gegenseite zahlen: hunderte Euro.

Dass kein Betrag zu klein ist, um zu klagen, findet der Düsseldorfer Anwalt Udo Vetter richtig: "Der kleinen Abzocke im Alltag wäre Tor und Tür geöffnet", wenn es einen nicht einklagbaren Mindestbetrag gäbe. Jeder Schuldner könnte jede Rechnung um diesen Betrag kürzen. Und Großkonzerne könnten sich "zum Missbrauch im Massengeschäft eingeladen" fühlen, indem sie unterhalb einer solchen Klage-Grenze Zusatzkosten erheben.

Erfolglos klagte ein Arzt, der 2009 von einer Patientin 29 Cent verlangte. Sie hatte seine Arztrechnung von 80,10 Euro erst ignoriert, Mehrkosten verschuldet, dann aber den Gesamtbetrag von 143,06 Euro beglichen. Der Arzt klagte auf weitere 29 Cent, das Gericht wies das aus formellen Gründen zurück. Wegen 24 Cent klagte eine Telefonfirma gegen einen Kunden, der seine Rechnung nur teils, den Rest später gezahlt - und 24 Cent Zinsen offengelassen hatte. Die musste er nachzahlen plus 101 Euro an Anwalts- und Gerichtsgebühren. Zahlen musste auch eine Aufzugfirma, die für einen Monteur drei Nächte im Hotel reserviert hatte. Als der Monteur vorzeitig abreiste, musste die Aufzugfirma 80 Prozent des Mietausfalls tragen plus 78 Cent Zinsen. Nach kurzem Prozess zahlte die Aufzugfirma auch den Kleinbetrag.

Vor blindwütigen Klagen warnt aber der Gesamtverband der deutschen Verssicherungswirtschaft. Laut Sprecherin Uno Großmann dürfen Rechtsschutzversicherungen die Kostenübernahme ablehnen, falls jemand "seine rechtlichen Interessen mutwillig wahrnehmen" will. Das liege vor, "wenn die voraussichtlich entstehenden Kosten in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg stehen".

Politiker aus dem Rechtsausschuss des Landtags verweisen auf das grundgesetzlich garantierte Recht, vor Gericht zu ziehen. Peter Biesenbach (CDU) hält es für möglich, die Gebühren zu erhöhen, um einen Teil der Kosten aufzufangen. "Wir sollten den Zugang zum Recht nicht unnötig komplizieren", sagt hingegen Dirk Wedel (FDP), Sprecher des Rechtsausschusses.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort