Personalmangel an Grundschulen in NRW Duisburger Pilotprojekt soll Lehrer für den Rektorenjob begeistern

Duisburg · Händeringend gesucht: Leitungspersonal für Grundschulen. In Duisburg gehen Stadt und Land jetzt einen neuen Weg: In einem einjährigen Projekt sollen interessierte Lehrer herausfinden, ob der Job etwas für sie ist.

 Schüler im Klassenzimmer (Symbolbild).

Schüler im Klassenzimmer (Symbolbild).

Foto: dpa

Chefsessel zu besetzen, doch es fehlt an Interessenten: Was in der Wirtschaft nur selten vorkommt, ist an nordrhein-westfälischen Grundschulen mancherorts ein Dauerzustand. Es gibt Schulen, an denen die Rektorenstelle schon ein Jahr oder länger unbesetzt ist. An den gut 2700 Grundschulen des Landes waren zu Beginn des Schuljahres 2017/18 insgesamt 390 Leitungen vakant. Hinzu kamen 566 unbesetzte Konrektorenstellen.

Beispiel Duisburg: Von den 75 Grundschulen dort haben zehn derzeit keinen Rektor. 63 dieser Schulen könnten wegen ihrer Größe einen Konrektor haben - 25 Stellen sind dort aktuell unbesetzt. Ein besonderes Projekt soll Lehrern in der Ruhrgebietsstadt jetzt den Leitungsjob schmackhaft machen - als Vorstufe zu einer Bewerbung. Ein gutes Jahr soll das Pilotprojekt dauern. Stadt, Land und die Wübben Stiftung als Bildungsstiftung haben sich dafür zusammengetan.

Zum Projekt gehören verschiedene Angebote: Neben mehreren Fortbildungen soll es ein sogenanntes "Leitungsshadowing" geben. Dabei sollen die Lehrer Schulleitern mehrere Tage über die Schulter schauen können und so deren Arbeit genauer kennenlernen. Außerdem sollen die Interessenten Erfahrungen im Projektmanagement gewinnen. Dazu stellen die Stadt Duisburg und die Wübben Stiftung jeweils 3000 Euro pro Schule zur Verfügung, etwa für die Einrichtung einer Leseecke. 56 Lehrer wollen in der kommenden Woche an einer Einführung teilnehmen. Wie viele sich nach einem Jahr für das aufwendige Bewerbungsverfahren entscheiden, ist offen.

Eine Grundschule leitet man nicht mal eben so. Zu komplex sind die Aufgaben, die mittlerweile von den Rektoren erwartet werden. Das Führen von Einstellungsgesprächen bei Lehrer-Neueinstellungen etwa gehört ebenso dazu wie die Verwaltung des Schuletats, berichtet Martin Fey. Der 61-Jährige ist Sprecher der Grundschulleitungen im Stadtverband Duisburg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) - und leitet selbst eine Grundschule.

"Durch die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Schulen ist deutlich mehr auf die Schulleiter abgewälzt worden", sagt er. Positiv sieht er die Erhöhung der Beamtenbesoldung der Rektoren im vergangenen Jahr auf A14. "Mein Eindruck ist, dass es jetzt mehr Anfragen gibt für Leitungsstellen." Einen höheren Anreiz durch bessere Bezahlung soll es im laufenden Jahr auch für die Konrektoren an Grund- und Hauptschulen geben. Die Landesregierung will an diesen beiden Schulformen die Besoldung der Stellvertreter durchgängig auf A 13 plus Zulage anheben.

Auch die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht in Duisburg und darüber hinaus "dringenden Handlungsbedarf". Die Arbeitsbedingungen müssten sich ändern, sagt der VBE-Landesvorsitzende Stefan Behlau. "Mit den Jahren sind die Aufgaben etwa durch Inklusion und Integration zwar komplexer geworden, aber die Leitungszeit wurde nicht entsprechend angepasst." An vielen Orten mangele es außerdem an Verwaltungskräften, die die Leitung unterstützten.

Der Landesverband der GEW weist darauf hin, dass der Frauenanteil an den Rektorenposten mit 77 Prozent deutlich unter dem weiblichen Anteil an der Lehrerschaft liegt (91 Prozent). "Frauen sind nicht seltener als Männer an der Übernahme von Leitungsverantwortung und Gestaltungsmacht interessiert", sagt die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Allerdings würden Lehrerinnen den persönlichen Verlust und Gewinn durch eine Leitungsposition stärker abwägen.

Wie es nach dem Pilotprojekt weitergeht, ist noch offen. Das Land lobt das Projekt. "Eine gute Schule braucht eine gute Schulleitung, die die Qualitätsentwicklung auf allen Ebenen von Unterricht und Schulleben steuert", sagt der Staatssekretär im Schulministerium, Mathias Richter. Die Wübben Stiftung, die auch den organisatorischen Rahmen des Pilotprojekts liefert, kann sich solche Projekte auch in anderen Städten gut vorstellen. Konkrete Planungen gebe es aber noch nicht, sagt Geschäftsführer Markus Warnke.

Und was halten andere Duisburger Grundschulleiter von dem Projekt? "Ich finde gut, dass da etwas in Bewegung kommt", sagt eine Leiterin. Eine andere hat keine Zeit, länger mit der Presse zu sprechen: "Ich bin über beide Ohren voll. Ich habe auch keine Konrektorin."

(lsa)
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