Kölner Demirci in Türkei inhaftiert "Die Polizei hat um 4 Uhr nachts die Wohnung gestürmt"

Köln · Der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci ist seit Freitag in der Türkei in Haft. Dirk Hansen ist ein enger Freund von ihm. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er, wie es zu der Festnahme kam und was Demirci im schlimmsten Fall erwarten könnte.

 Wegen der Inhaftierung mehrerer Deutscher waren die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei lange angespannt (Symbolbild).

Wegen der Inhaftierung mehrerer Deutscher waren die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei lange angespannt (Symbolbild).

Foto: dpa, chc pil rho

Herr Hansen, wann haben Sie zum letzten Mal etwas von Adil Demirci gehört?

Dirk Hansen Das ist schon eine Weile her. Inzwischen können wir nur noch indirekt über seine Anwältin etwas von ihm erfahren.

Und was ist der aktuelle Stand?

Hansen Er wird in der Türkei von der Polizei festgehalten. So weit ich weiß, gab es am Dienstag eine Anhörung vor der Staatsanwaltschaft. Die soll entscheiden, ob Demirci in Untersuchungshaft muss oder wieder freigelassen wird

(Anmerkung der Redaktion: Nach unseren Informationen wurde am Dienstag Untersuchungshaft verhängt. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht).

Herr Hansen, was wird Adil Demirci vorgeworfen?

Hansen Ihm wird vorgeworfen, für eine linke Nachrichtenagentur gearbeitet zu haben. In diesem Zusammenhang soll er in den Jahren 2013 bis 2015 über Kämpfer geschrieben haben, die im Kampf gegen den IS gefallen sind.

Arbeitet er tatsächlich für diese Nachrichtenagentur?

Hansen Demirci ist als Junge in den 90ern mit seiner Familie nach Deutschland gekommen, hat hier Sozialwissenschaften studiert und sich immer für die Situation von türkischen Migranten eingesetzt. Im Zuge dessen hat er auch ehrenamtlich für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben und das Thema Migranten in Deutschland thematisiert.

Wusste er, dass er in Gefahr ist, wenn er in die Türkei einreist?

Hansen Nein, sonst hätte er es nicht gemacht. Dass er inhaftiert wird, war überhaupt nicht absehbar. Zumal man ihn auch nicht an der Einreise gehindert hat, wie es anderen Journalisten und politisch Aktiven passiert ist. Der Grund seiner Reise war auch politisch gesehen harmlos. Seine Mutter ist krebskrank und wollte noch einmal den Rest ihrer Familie sehen. Um ihr das zu ermöglichen, ist er eine Woche mit ihr in die Türkei gefahren. Eigentlich war die Abreise für vergangenen Samstag geplant.

Und was ist dann passiert?

Hansen Die Polizei hat um 4 Uhr nachts die Wohnung der Familie gestürmt und Demirci aus dem Bett gezerrt. Die Mutter haben sie in Ruhe gelassen, aber er wurde mit auf die Wache genommen. Man muss das als weiteren Angriff auf die Pressefreiheit und auf Kritiker der Regierungspartei AKP werten. Demirci war offen AKP-kritisch. Sein Fall zeigt, dass inzwischen nicht nur Menschen innerhalb der Türkei im Fokus der Behörden stehen, sondern auch solche, die gar nicht in der Türkei leben.

Gibt es einen Hinweis darauf, welches Urteil Demirci erwartet?

Hansen Nein. Aber das Schlimme ist, dass auch die Untersuchungshaft in der Türkei sehr lange dauern kann. Ich meine, im längsten Fall war jemand acht Jahre inhaftiert. Das ist natürlich unsere größte Sorge. Deswegen veranstalten wir nun öffentliche Kundgebungen und rufen die Bundesregierung auf, sich einzuschalten, damit die Anklage niedergelegt wird. Das Mindeste, worauf wir hoffen, ist, dass Demirci während seiner Anklage ausreisen darf.

(ham)
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