Chronologie Das passierte beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs

Köln · Knapp neun Jahre nach dem Stadtarchiv-Einsturz in Köln hat der Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen. Aber was passierte eigentlich am 3. März 2009? Ein Rückblick.

Die Staatsanwaltschaft wirft den fünf Angeklagten fahrlässige Tötung und Baugefährdung vor. Die vier Männer und eine Frau waren als Mitarbeiter von Baufirmen oder den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) am Ausbau der U-Bahn beteiligt. Fehler bei den Arbeiten sollen dazu geführt haben, dass das Stadtarchiv am 3. März 2009 einstürzte. Zwei Anwohner starben, der Sachschaden beträgt mehr als eine Milliarde Euro. Eine Chronologie.

  • Dienstag, 3. März 2009, 14.44 Uhr

Erste Medien berichten über den Einsturz des Historischen Stadtarchivs an der Severinstraße in Köln. Mit dem Archiv sind auch zwei Nachbargebäude in Teilen eingestürzt. Augenzeugen erzählen, dass es einen "Riesenkrach" gab und eine mehrere Stockwerke hohe Staubwolke aufgestiegen sei. Sofort wird der Bau der Kölner U-Bahn mit dem Einsturz in Verbindung gebracht. In Köln wird zu diesem Zeitpunkt eine neue Nord-Süd-Verbindung gebaut.

  1. 3. März 2009, 14.58 Uhr
Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009
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Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009

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Foto: Oliver Berg

Die Polizei hat mittlerweile die Unglücksstelle gesichert und räumt die benachbarten Häuser. Sie hat Großalarm ausgelöst. Dutzende Krankenwagen fahren vor, um sich um mögliche Verletzte zu kümmern. Zunächst weiß niemand, wie viele Menschen verletzt oder vermisst sind und ob sich die Mitarbeiter des Stadtarchivs retten konnten.

  1. 3. März 2009, 15.15 Uhr

Mitarbeiter des Stadtarchivs berichten, dass sie unmittelbar vor dem Einsturz durch Rufe gewarnt wurden. Bauarbeiter sollen die drohende Katastrophe bemerkt und sofort Menschen im Gebäude und in den benachbarten Wohnhäusern alarmiert haben. Außerdem habe sich der Einsturz durch Geräusche angekündigt.

Die Kioskbesitzerin Paraskevi Oustampasiadi (42) erzählt anwesenden Medien, sie habe eine riesige Staubwolke gesehen. "Die komplette Kreuzung war in dunklem Nebel. Das sieht hier aus wie am 11. September."

  1. 3. März 2009, 16.19 Uhr
Historisches Stadtarchiv in Köln - Bilder vom Einsturz 2009
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Das Historische Stadtarchiv in Köln ist eingestürzt

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Foto: AP

Die Polizei sucht mit Spürhunden nach Verschütteten. Es wird darüber spekuliert, dass der U-Bahn-Bau unter der Unglücksstelle den Einsturz ausgelöst haben könne. Statiker prüfen, ob auch umliegende Gebäude einsturzgefährdet sind.

  1. 3. März 2009, 19.02 Uhr

Zunächst werden neun Menschen vermisst. Die Archiv-Mitarbeiter berichten, dass es bereits in der vergangenen Woche Hinweise auf Senkungsrisse gegeben habe. Rund 30 Regalkilometer Archivdokumente liegen unter den Trümmern begraben, darunter Nachlässe von Heinrich Böll und Ferdinand Franz Wallraf, sowie die seit 1000 Jahren gelagerte komplette Überlieferung der Stadt Köln.

  1. 3. März 2009, 21.09 Uhr

Am Abend werden nur noch drei Menschen vermisst.

  1. Mittwoch, 4. März 2009, 12 Uhr

Es werden nur noch zwei Anwohner vermisst. Die Suche gestaltet sich schwierig, da angrenzende Gebäudeteile einzustürzen drohen und der Boden nicht fest ist. Die Feuerwehr geht nicht mehr davon aus, die Vermissten unter den Trümmern lebend zu finden.

  1. Mittwoch, 4. März 2009, 15 Uhr

Die Baugrube wird mit Beton verfüllt, um mit dem Abtragen des Schuttberges und der Suche nach den Vermissten beginnen zu können.

  1. Mittwoch-/Donnerstagnacht, 4./5. März 2009

In der Nacht zum Donnerstag ist es gelungen, die Überreste des Nachbarhauses abzubrechen. Am Morgen wird mit der Suche nach den Vermissten begonnen. Die Bergung der Vermissten steht im Vordergrund, Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks bergen Dokumente nur dann, wenn sie ihnen zufällig in die Hände fallen.

  1. Donnerstag, 5. März, 12.44 Uhr

Nach ersten Spekulationen über den U-Bahn-Bau als Ursache für den Einsturz des Stadtarchivs werden nun Details bekannt. Man geht davon aus, dass sich in einer unterirdischen Stelle einer Schachtwand ein Loch gebildet hat, durch das Erdreich auf die U-Bahn-Röhre gefallen ist. Die dadurch entstandenen Hohlräume haben das Gebäude nach ersten Annahmen zusammenstürzen lassen.

Der Kirchturm der St.-Johann-Baptist-Kirche - in Sichtweite der Einsturzstelle - muss zu diesem Zeitpunkt schon seit Längerem durch Stahlträger abgestützt werden. Er war wegen des Röhrenbaus bereits 2004 in Schieflage geraten.

  1. Sonntag, 8. März 2009, 01.50 Uhr

Die Feuerwehr findet in den Trümmern den ersten von zwei Toten: Später stellt sich heraus, dass es sich um den 17 Jahre alten Kevin K. handelt, einen Bäckerlehrling. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt.

  1. Donnerstag, 12. März, 19.53 Uhr

Feuerwehrleute finden mehr als eine Woche nach dem Einsturz unter den Trümmern eine zweite Leiche. Es handelt sich um den 24 Jahre alten Studenten Khalil G., der in einer Dachgeschosswohnung des Nachbarhauses gewohnt hatte. Seine Leiche liegt neun Meter unter dem Erdniveau.

  1. Sonntag, 15. März 16.01 Uhr

Der Streit über die Ursache des Einsturzes geht weiter. Experten der RWTH Aachen hatten mehrere Monate vor dem Einsturz bereits über Grundwasser-Probleme in der Baugrube der Nord-Süd-U-Bahn nahe dem Archiv gesprochen und vor der Gefahr eines hydraulischen Grundbruchs gewarnt.

  1. Sonntag, 15. März 17.53 Uhr

Erstmals werden Verstöße beim nahe gelegenen U- Bahn-Bau bekannt. Bauunternehmen haben Auflagen zum Grundwasser missachtet. Statt der genehmigten vier Brunnen seien 15 Brunnen angelegt worden seien. Es sei mehr Grundwasser abgepumpt worden als gestattet.

Die Kölner Verkehrsbetriebe bestreiten, Kenntnis über Fehler bei den Bauarbeiten vor dem Unglück gehabt zu haben. Für eine Klärung des Unfallhergangs fehlen bisher Unterlagen der ausführenden Baufirmen.

  1. Mittwoch, 25. März 2009

Drei Wochen nach dem Einsturz suchen immer noch täglich mehr als 100 Helfer in den Trümmern nach verschütteten Unterlagen. Sechs der verschütteten 30 Regalkilometer sind zu diesem Zeitpunkt geborgen.

  1. Mittwoch, 22. Juli 2009, 11.40 Uhr

Viereinhalb Monate nach dem Einsturz stoppt die Feuerwehr die Bergung von verschüttetem Archivgut. "Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr weitermachen können, weil durch das Grundwasser sonst alles weggespült würde", sagt ein Feuerwehrsprecher damals.

"Wir sind bei den Grabungen inzwischen bis zwölf Meter unterhalb der Straßenebene vorgedrungen, das sind zwei Meter unter dem Grundwasserspiegel", erklärt er weiter. Die Trümmer liegen in einem trichterförmigen Loch, und zwar wahrscheinlich bis zu 20 Meter tief. "Wenn wir jetzt noch weiter runtergingen, würden die Wände des Trichters immer steiler." Dies sei gefährlich, weil immer mehr Sand und Kies nachrutschen würden. "Irgendwann ist einfach Schluss, dann kann man nicht mehr tiefer gehen, sonst bricht alles weg."

  1. Donnerstag, 11. Februar 2010

Neue Enthüllungen zum U-Bahn-Pfusch: Die Stadt Köln teilt mit, dass in der innerstädtischen Baugrube Heumarkt zum Teil nur 17 Prozent der vorgesehenen Stahlbügel eingebaut wurden. Auch Bauprotokolle sollen reihenweise gefälscht worden sein. Vorübergehend wird die vorsorgliche Räumung von Häusern erwogen.

  1. Donnerstag, 19. Februar 2010

Die Staatsanwaltschaft durchsucht Büros der beteiligten Baufirmen. Nach einem neuen Verdacht sollen auch Anker zur Befestigung von Bauwänden falsch oder gar nicht eingebaut worden sein.

  1. Mittwoch, 10. August 2011

Zweieinhalb Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist die Bergung der verschütteten Archivalien abgeschlossen. 95 Prozent der rund 30 Regalkilometer Archivgut konnten geborgen werden. Die Restaurierung kann jedoch noch 30 Jahre dauern.

  1. Mittwoch, 24. Mai 2017

Acht Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung. Die Anklage richtet sich gegen sieben Personen, die am Ausbau der U-Bahn beteiligt waren. Es geht um zwei Beschäftigte der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und um fünf Mitarbeiter der beteiligten Baufirmen.

  1. Donnerstag, 31. August 2017

Das Kölner Landgericht lässt die Anklage wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung gegen sieben Angeklagte zu.

  1. Mittwoch, 17. Januar 2017

Vor dem Kölner Landgericht beginnt der Prozess wegen des Einsturzes des Historischen Stadtarchivs. Auf der Anklagebank sitzen nur noch fünf der ursprünglich sieben Angeklagten. Gegen einen wurde das Verfahren wegen einer schweren Herzerkrankung eingestellt. Ein weiterer starb bereits vor Prozessbeginn.

(heif)
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