Strafen niedriger als daheim Niederländer und Briten kommen zum Rasen nach Deutschland

Die Kölner Polizei stellt auf den Autobahnen im Bezirk vermehrt Raser aus dem Ausland fest und will die Kontrollen verschärfen. Belgier, Holländer, aber auch Briten können über die Strafen für zu schnelles Fahren in Deutschland aber nur müde lächeln.

 Rainer Fuchs, 56 Jahre, bei einer Raser-Kontrolle in Köln.

Rainer Fuchs, 56 Jahre, bei einer Raser-Kontrolle in Köln.

Foto: Polizei Köln

Als die Kölner Polizei an Karfreitag vier Sportwagen mit britischen Kennzeichen aus dem Verkehr zog, deren Fahrer sich mit mindestens sechs weiteren Rasern illegale Rennen auf der A4 geliefert hatten, beschlagnahmten die Ermittler auch die Smartphones und Dashcams der Briten. Mit den Kameras hatten sie ihre Fahrten bei teils mehr als 200 Kilometern pro Stunde aufgenommen.

"Auf einem der Telefone war der deutsche Bußgeldkatalog gespeichert", sagt Hauptkommissar Rainer Fuchs von der Polizei Köln. So konnten die britischen Autofahrer nachschauen, mit welcher Strafe sie ab welcher Geschwindigkeitsübertretung rechnen mussten. Am Ende mussten sie ihre Heimreise ohne Autos organisieren. "Das ist das Einzige, was Raser schmerzt — wenn man ihnen ihr Spielzeug wegnimmt", sagt Fuchs, der das "Projekt Rennen" in Köln leitet.

Im Königreich gelten hohe Strafen

Großbritannien gehört zu den Ländern, die in Europa die höchsten Bußgelder verhängen. Wer dort 50 km/h zu schnell gefahren ist, zahlt bis zu 2890 Euro. In Frankreich sind es 1500 Euro, in den Niederlanden und Spanien ab 600 Euro, in Italien ab 530 Euro. In Deutschland sind es ab 240 Euro — für Autofahrer aus England oder Holland also eine ungewohnt niedrige Strafe. Dazu kommt: Deutschland ist das einzige europäische Land, in dem es kein Tempolimit auf Autobahnen gibt. Kein Wunder also, dass Fahrer vor allem aus dem benachbarten Ausland ihre Autos hier "ausfahren" und das Gaspedal mal durchtreten.

Die Kölner Polizei stellt auf den Autobahnen im Bezirk vermehrt Raser aus dem Ausland fest — nicht nur am Wochenende vor Ostern, wenn die Tuner-Szene am "Car-Freitag" den Start in den Frühling feiert. "Wir merken das zum Beispiel auch an den Wochenenden, an denen auf dem Nürburgring freies Fahren auf der Nordschleife möglich ist", sagt Fuchs. "Ich denke, dass wir uns an bestimmten Tagen anders aufstellen müssen."

Weil Rasen und vor allem illegale Straßenrennen Kontrolldelikte sind, also nur festgestellt werden, wenn die Polizei regelmäßig kontrolliert, appelliert die Polizei immer wieder an Zeugen, die 110 zu wählen, wenn sie zu schnelles Fahren beobachten. Durch Zeugenhinweise wurden die Ermittler auch auf die britischen Raser aufmerksam. Sie beschrieben den Beamten, dass die Fahrer den Verkehr auf der A4 und der A61 bewusst ausbremsten, um nach vorne genug Strecke zum Beschleunigen zur Verfügung zu haben. "In England liegt das Tempolimit auf den Autobahnen bei 112, in Städten bei 48 Kilometern pro Stunde", sagt Fuchs. "Was will man da mit einem hochmotorisierten Auto?"

"Freie Fahrt für freie Bürger"

In Deutschland gibt es zwar die Empfehlung einer Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde — tempolimitiert sind aber nur etwa die Hälfte aller Autobahnkilometer. "Überall sonst heißt es 'Freie Fahrt für freie Bürger‘, sagt Fuchs, "obwohl eigentlich jeder weiß, dass zu schnelles Fahren zu schweren Unfällen führen kann, die oft tödlich enden." Ablenkung durch Smartphones und zu geringer Abstand sind ebenfalls häufige Unfallursachen.

Forderung nach generellem Tempolimit

Kölns Polizeipräsident Uwe Jacobs fordert ein generelles Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Verkehrsexperten fordern stärkere Sanktionen für rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr. Doch die Auto-Lobby in Deutschland ist stark. Dass Fuchs und seine Kollegen bei ihren Raser-Kontrollen inzwischen härter durchgreifen können, liegt an einer Entscheidung des Bundesrats. Demnach müssen Raser und Teilnehmer illegaler Rennen mit Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren rechnen. Vor dieser Gesetzesinitiative gab es dafür nur Bußgeldstrafen. "Heute können wir jemandem, der mit 170 Kilometern pro Stunde durch die Stadt fährt, den Führerschein und das Auto abnehmen", sagt Fuchs.

Seit 2016 hat seine Ermittlungsgruppe insgesamt 1150 Autos in Köln sichergestellt, die nicht verkehrstauglich waren. 215 illegale Rennen wurden seitdem angezeigt. "Wir können leider nicht sagen, dass es weniger geworden wären", sagt Fuchs. "Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Verstöße stellen wir fest." Seit drei Jahren gab es in Köln zwar keine tödlichen Unfälle mehr bei illegalen Rennen. Doch das, sagt Fuchs, sei nur vom Zufall abhängig.

(hsr)
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