Vorwürfe von Kölner Ex-Bundespolizist Polizei am Limit, Equipment marode

Düsseldorf · Mangelnde Ausstattung, marode Geräte, dünne Personaldecke – der Ex-Bundespolizist Nick Hein übt heftige Kritik an seinem ehemaligen Arbeitgeber. Durch Fehlplanungen seien die Polizisten in ihrer Arbeit behindert, sagt er - und spart auch die Kölner Silvesternacht nicht aus.

 Die Polizei kämpft laut GdP mit Personalmangel (Foto: Archiv).

Die Polizei kämpft laut GdP mit Personalmangel (Foto: Archiv).

Foto: dpa, mut kno bwe tba

Mangelnde Ausstattung, marode Geräte, dünne Personaldecke — der Ex-Bundespolizist Nick Hein übt heftige Kritik an seinem ehemaligen Arbeitgeber. Durch Fehlplanungen seien die Polizisten in ihrer Arbeit behindert, sagt er - und spart auch die Kölner Silvesternacht nicht aus.

Es sind schwere Vorwürfe, die der ehemalige Bundespolizist Nick Hein im Sat.1-Frühstücksfernsehen äußerte. Elf Jahre arbeitete Hein als Bundespolizist, drei davon am Kölner Hauptbahnhof. Er sagt: Was in der Kölner Silvesternacht schiefgelaufen sei, sei symptomatisch für die Probleme bei Polizei und Bundespolizei.

Seit der Silvesternacht habe sich nichts geändert, sagt er. Zwar habe es kurz danach mehr Polizeipräsenz gegeben; Plätze sollten besser beleuchtet werden, "aber die Maßnahmen sind alle wieder zurückgenommen worden", sagt Hein.

Zu der Kritik will sich auf Anfrage unserer Redaktion weder die Kölner Polizei noch die Bundespolizei äußern, ebensowenig wie zu den weiteren Vorwürfen Heins — und davon gibt es eine ganze Menge. In seinem Buch "Polizisten am Limit" hat er seine Kritik zusammengefasst.

Vorwürfe von Ex-Bundespolizist Nick Hein: Polizei am Limit, Equipment marode
Foto: Rowohl Taschenbuch Verlag

Im Sat1-Frühstücksfernsehen kritisierte er die dünne Personaldecke der Polizei. "Bis Ende 2016 sollten wir drei neue Polizisten für fünf Dienststellen bekommen — das ist Wahnisnn. Acht Polizisten werden pro Jahr permanent abgeordnet, um zum Beispiel an den Grenzen zu arbeiten oder am Flughafen Frankfurt. Also wurden wir personell noch weiter ausgedünnt", sagt Hein. "Man hat offenbar das Problem nicht verstanden."

Diese Kritik bestätigt Arnd Krummen von der Gewerkschaft der Polizei. "Es ist richtig, dass es in den vergangenen Jahren versäumt worden ist, das Personal aufzustocken. Die Politik hat aber aktuell beschlossen, das zu ändern", sagt Krummen. Das bringe zwar aktuell wenig, weil erst einmal 2,5 Jahre ausgebildet werden müsse und in den nächsten Jahren auch Beamte in den Ruhestand gingen. "Derzeit haben wir eine sehr, sehr, sehr schlechte Personaldecke", sagt Krummen.

Hein wird im Fernsehen konkret und nennt Zahlen: "Die Bundespolizei soll in den nächsten Jahren 3000 Polizisten dazubekommen. Dass in der Zeit aber 2000 in Rente gehen, hat man offensichtlich nicht beachtet."

Gewerkschafter Krummen hofft, dass mit den zwei geplanten neuen Ausbildungsstandorten langfristig mehr Personal aufgebaut werden kann, sieht aber auch den Einsatz der Bundespolizei etwa in Süddeutschland kritisch. "Mehr als 100 Polizeibeamte werden zum jetzigen Zeitpunkt dort eingesetzt, obwohl das Flüchtlingsaufkommen gering ist. Das ist nicht nachvollziehbar", sagt er. Das Personal fehle vor allem in NRW, gerade in Aachen, wo man bei der Sicherung der Landesgrenze "völlig unterbesetzt" ist.

Doch Hein bemängelt nicht nur die dünne Personaldecke und die angehäuften Überstunden, die in die Millionen gehen. Auch das Equipment der Polizei sei marode. Polizisten kauften sich aus eigener Tasche Handschuhe, Taschenlampen und Stichschutzeinlagen, sagt er.

Das kann Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei in NRW, nicht bestätigen. "Ich weiß, dass das teilweise gemacht wird, wir haben bei unserer Ausrüstung aber einen guten Standard. Wenn sich jemand etwas dazukauft, liegt es daran, dass einem dieser Standard noch zu wenig ist", sagt er. Generell sei man in NRW gut ausgestattet.

Mitnichten, meint Hein, der vor allem die Digitalfunkgeräte bemängelt. "Das ist unser Hauptkommunikationsmittel, und es funktioniert nicht richtig." Am Kölner Hauptbahnhof sei das Problem mit den Funklöchern so groß, dass eine Steifenwagenbesatzung sowohl die digitalen als auch veraltete, analoge Geräte, Diensthandys und private Smartphones nutzte, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Ein Vorwurf, den Krummen nicht bestätigen kann.

Die Folgen der schlechten Technik haben laut Hein auch Konsequenzen für die Bürger. "In den Leitstellen haben wir veraltetes Equipment, auf dem Windows XP läuft. Microsoft aber hat den Support eingestellt, das heißt, die Computer sind nicht mehr gegen Viren und Trojaner geschützt. Die Technik ist so marode, dass darauf neue Betriebssysteme gar nicht laufen würden." So passiere es, dass in NRW sechs Prozent der Notrufe zwischen 2012 und 2015 gar nicht erst bei der Leitstelle eingingen, sagt Hein.

Krummen entgegnet, dass die Ausstattung in Ordnung sei. "Wir bemühen uns immer um neue Technik. Da können sich die Kollegen nicht beschweren." GdP-Sprecher Stephan Hegger räumt ein, dass die Kommunikation mit den Digitalfunkgeräten in der Tat nicht reibungslos laufe. "Smartphones können viel mehr, es wurde aber vor Jahren entschieden, dass die Polizei ein eigenes, geschützes Funknetz nutzen soll." Daran scheitere es im Moment, man komme mit dem Funk nicht überall hin.

Dass sich die Silvesternacht 2015 durch die geschilderten Probleme der Polizei wiederholen könnte, glaubt Hein nicht. "Aber das ist nur ein Tag." Er mache sich Sorgen um die anderen 364.

Nick Hein, 32, arbeitete elf Jahre als Bundespolizist. Aktuell ist er Mixed-Martial-Arts-Kämpfer. Am 16. Dezember erscheint sein Buch "Polzei am Limit" im Rowohlt Taschenbuch Verlag.

(jnar)
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