Ehrenamtler kämpfen für Neusser Obdachlose "Das sind teils studierte Leute, die wollen nicht betteln gehen"

Neuss · Lothar Bertrams arbeitet mit neun weiteren Mitgliedern für die Organisation "Neuss packt an" und hilft Obdachlosen. Besonders in diesen Tagen hat er viel um die Ohren. An die Stadt Neuss hat er zwei Wünsche.

 Die Initiative "Neuss packt an" hilft Obdachlosen. Links im Bild: Lothar Bertrams.

Die Initiative "Neuss packt an" hilft Obdachlosen. Links im Bild: Lothar Bertrams.

Foto: Neuss packt an

Am Montagabend erhielt Lothar Bertrams eine Whatsapp-Nachricht. "Wir müssen zum Hauptbahnhof", stand darin. Gesendet wurde sie von einer Kollegin, mit der er gemeinsam für die Organisation "Neuss packt an" ehrenamtlich arbeitet und Obdachlosen hilft. Gerade bei diesen Temperaturen brauchen die Menschen, die auf der Straße leben, Hilfe. Rund 50 Obdachlose leben derzeit in Neuss, die meisten schämen sich, zum Sozialamt zu gehen. "Das sind teils studierte Leute, die wollen nicht betteln gehen", sagt Bertrams. Die Bürokratie macht ihnen das Leben zusätzlich schwer. "Wieso dauert es so lange, bis die armen Menschen ihr Geld bekommen? Das kann ich nicht verstehen, das muss doch schneller gehen", sagt der 71-Jährige. Außerdem wünsche er sich einen zentralen Ansprechpartner für Obdachlose.

Diese gibt es laut Stadtsprecher Peter Fischer allerdings schon. "Wir haben zwei festangestellte Sozialarbeiter in der Einrichtung am Südpark, da können die Obdachlosen jederzeit hingehen", sagt er. Auch in den Einrichtungen "Cafe Ausblick" des Caritasverbandes und im "Hofacafe" der Diakonie, die für Obdachlose auch tagsüber zugänglich sind, sitzen immer Menschen, die bei bürokratischen Problemen helfen. "Gerade die Obdachlosen, die wieder in eine Wohnung wollen, können dort problemlos fragen und bekommen Hilfe beim Ausfüllen der Formulare", sagt Fischer.

In Neuss können insgesamt 60 Obdachlose am Südpark übernachten. Dort bietet die Stadt in einer Flüchtlingsunterkunft übergangsweise Schlafplätze für obdachlose, alleinstehende Männer an. Das eigentliche Domizil am Derendorfweg wird abgerissen und neu gebaut, im April soll es dorthin zurückgehen. Einlass am Südpark ist um 17 Uhr, um 7.30 Uhr am nächsten Tag müssen die Obdachlosen wieder weg sein - genau wie am Derendorfweg. "Das ist kein Luxushotel, aber hier kann man schon wohnen. Morgens können die Menschen hier sogar duschen und am Wochenende ist die Einrichtung die ganze Zeit geöffnet", sagt Fischer. Derzeit nehmen rund 40 Obdachlose das Angebot wahr. Weil noch 20 Schlafplätze frei sind, denkt die Stadt derzeit nicht über sogenannte Kältebusse nach, die es beispielsweise in Düsseldorf gibt. Wenn

Am Montagabend zog Bertrams noch einmal los, um den Obdachlosen, die sich am Hauptbahnhof aufwärmen wollten, Kaffee zu bringen. Schlafen dürfen sie dort nicht. Warum Bertrams das alles macht? "Es ist schon Wahnsinn, was ich von den Obdachlosen zurückbekomme", sagt er. "Letztens wollte mich sogar einer umarmen, so dankbar war er", schildert der Ehrenamtler. Bei der Weihnachtsfeier im vergangenen Jahr, die im ältesten Haus der Stadt gefeiert wurde, sagte vor dem Essen ein Obdachloser ein Gedicht auf. "Da haben wir alle geheult", sagt Bertrams.

Bertrams selbst ist der Stadt Neuss auch dankbar. Jeden dritten Freitag im Monat darf seine Organisation am Rathaus Essen für die Obdachlosen ausgeben und ihre Autos direkt am Brunnen in der Innenstadt parken. "Das ist wirklich super, so müssen wir nicht alles so weit schleppen. Denn das sind teilweise schwere Sachen, Bänke und Tische, die wir dort aufbauen", sagt Bertrams. Jetzt, wo es so kalt ist, findet die Essensausgabe sogar jeden zweiten Freitag statt. Es gibt Suppe, Nudeln, manchmal sogar Currywurst.

Auch den Neusser Bürgern macht Bertrams ein großes Kompliment. "Die Hilfsbereitschaft ist riesig, die Neusser sind fantastisch. Wir haben in den vergangenen Tagen viele Spenden bekommen: Hygieneartikel, Decken, Konserven", sagt Bertrams. Dinge, die für die Obdachlosen in Neuss nicht selbstverständlich sind.

(seeg)
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