Ratingen Schenks "Hamlet" ist ein Gesamtkunstwerk

Ratingen · Das Bühnenspiel mit Live-Musik und Künstler-Kulissen bei der Neanderland Biennale riss das Stadttheater-Publikum von den Stühlen.

 Oliver Teschke (links) überzeugte als innerlich zerrissener, zwischen Genie und Wahnsinn changierender Hamlet.

Oliver Teschke (links) überzeugte als innerlich zerrissener, zwischen Genie und Wahnsinn changierender Hamlet.

Foto: achim blazy

Vor locker gefülltem Parkett gastierte das Theater RheinRuhr im Stadttheater und präsentierte einen intensiven und packenden Hamlet. Die Aufführung fand im Rahmen der Neanderland-Biennale statt, die in diesem Jahr unter dem Motto "ROT" steht. Allein das finale Blutvergießen legitimierte die Integration des Bühnenstücks in das Theaterfestival.

Regisseur Orlando Schenk führte die Charakterrollen psychologisch stringent durch und vermittelte dem Zuschauer einen stets präsenten Handlungsverlauf, der selbst in den großen Monologen nicht an Spannung verlor. Die bekannte Geschichte des jungen Dänenprinzen Hamlet, der den Mord an seinem Vater rächen will und dabei schließlich mit dem eignen Leben zahlt, wurde in der gut dreistündigen Darbietung durch musikalische Live-Einlagen suggestiv ergänzt. Dafür sorgte ein Blechbläserquintett (NRW Brass) mit zwei Trompeten, Horn, Tuba und Posaune unter der Leitung von Tobias van de Locht, der die Musik komponierte und das Ensemble dirigierte.

Seine Kompositionen stellten eine gelungene Synthese von Anklängen an höfische Musik aus der Shakespeare-Zeit mit gemäßigt modernen Klängen dar – sowohl in kurzen Zwischenaktmusiken als auch in den musikalischen Spiegelungen innerseelischer Situationen. Das vom Kunsthaus Mettmann in Kooperation mit der Kunstakademie Düsseldorf entwickelte Bühnenbild kam mit wenigen Requisiten aus, zeichnete sich durch Schlichtheit aus und wies eine vorwiegend symmetrische Anordnung auf: eine Rampe in der Mitte, umgeben von jeweils zwei hohen, weiß drapierten Spitzbögen, die im Laufe des Abends in unterschiedliche Formationen und Ebenen zueinander gestellt wurden. Hervorgehoben sei die bühnentechnische Umsetzung der Geisterscheinung von Hamlets Vater hinter weiß aufsteigendem Rauch.

Auch der Zuschauerraum wurde ins Bühnengeschehen einbezogen und dem Publikum somit eine unmittelbare Nähe zum Geschehen zuteil. Vor dieser Kulisse entfaltete ein getriebener und aufgewühlter Oliver Teschke die innerlich zerrissene und zwischen Genie und Wahnsinn changierende Figur Hamlet. Er kam sprachlich stets auf den Punkt und wusste Gemütszustände in Mimik und Gestik überzeugend frei zu setzen. Ganz und gar mit der (dankbaren) Rolle des Oberkämmerers Polonius verschmolz Achim Brock. Ihm gelang in besonderer Weise die Vermittlung von Sprachwitz und Wortspiel, die, Dank der Übersetzung des englischen Originals von Frank Günther, immer wieder mit Alliterationen sowie kunst- und geistvollen Wortsequenzen aufwarten konnte, und so dem Sprachgenius Shakespeares' nachspürte.

Melissa Pohlmann brachte eine teils naive, teils verrückte Ophelia auf die Bühne, immer authentisch. Energisch und kompakt spielte André Klem die Rolle des Oheims Claudius; ihm gilt die Rache Hamlets, da er der Mörder seines Vaters ist. Das intrigenreiche Spektakel, zu dessen Transparenz und Wirkung alle Agierenden des Abends beitrugen, kulminierte schließlich im blutigen Untergang des dänischen Herrschergeschlechts. Mit der insgesamt breit angelegten und gut austarierten Inszenierung vermochte der Schauspielabend einmal mehr "Brennglas und Chronik des Zeitalters" (Shakespeare) zu sein. Das Publikum stand auf und dankte mit begeistertem Applaus .

(dob)
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