Katholische Kirche Das Kreuz mit der Keuschheit

Düsseldorf · Es zeichnet sich eine wachsende Tendenz zur Wahlfreiheit für katholische Priester zwischen einem gottgefälligen Leben als lediger oder verheirateter Mann ab. Das erscheint nachvollziehbar, aber Rom hält sich bedeckt.

 In Westeuropa wollen immer weniger junge Männer Priester werden.

In Westeuropa wollen immer weniger junge Männer Priester werden.

Foto: AP

Es gibt Menschen, die es nicht allesamt gut meinen mit der Römischen Weltkirche und die dennoch auffallend engagiert so tun, als wende sich erst dann alles zum Besten, wenn sich die Papst-Kirche nach weltlich-demokratischem Vorbild reformiert. Aus dieser Perspektive hieße das: Bischöfe sollten vom Kirchenvolk gewählt werden, die Pflicht zur Ehelosigkeit katholischer Priester (Zölibat) gehöre abgeschafft, auch Priesterinnen müssten wegen des Gleichheitsgrundsatzes an die Altäre. Es fehlt nicht viel, und bestimmte kirchenkritische Kreise rufen nach einer Gleichstellungsbeauftragten im Vatikan.

Priestermangel in Westeuropa

Es gibt auch Menschen wie beispielsweise Thomas Sternberg, den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die nicht bloß zum Schein besorgt auf ihre Kirche schauen und befürchten, dass diese aufgrund des großen Priestermangels zumindest in Westeuropa ausblutet. Weltweit betrachtet wächst die katholische Kirche, vor allem in Asien.

Bereits 2011 hatte Sternberg, so wie er es jetzt wiederholte, alarmistisch klingend ausgerufen: "Ich glaube, dass der Zölibat als Wert nicht so bedeutend ist, dass er nicht deutlich unter dem Wert der gemeinsamen Eucharistiefeier und der Versorgung der Gemeinden mit Priestern rangiert und geändert werden könnte." Damals pflichtete Sternberg der praktizierende Katholik Bernhard Vogel und langjährige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz sowie (nach der Wende) Thüringen zu. Vogel sagte im Sinne des Präsidenten der Organisation katholischer Nicht-Kleriker, man wolle den Zölibat nicht bekämpfen, aber: "Wir achten den Zölibat und hoffen, dass es ihn immer als Lebensform geben wird. Wir sind jedoch dafür, dass es - wie in anderen christlichen Kirchen und auch mit Rom unierten orientalischen Kirchen - daneben auch verheiratete Geistliche geben kann. Denn wir haben die Sorge, dass christliches Leben erstirbt, wenn die Gemeinden wegen Priestermangels ersterben."

Die strengen Advokaten des Pflicht-Zölibats lassen solche Praktikabilitäts-Erwägungen nicht gelten; sie tun auch stets so, als sei der Zölibat gottgewollt. Das ist er nicht. Man könnte salopp formulieren: Wer hat's erfunden? Rom hat's erfunden. Scharfe Zungen wie der Jesuitenzögling Heiner Geißler (einstmals CDU-Generalsekretär) behaupten, dass der im 11. Jahrhundert dekretierte Pflichtzölibat zuerst der Sicherung von Macht und Vermögen der Kirche dienen sollte. Das Kalkül sei gewesen, beim Ableben unverheirateter und kinderloser Geistlicher ein drohender Erbstreit vermieden wird. Motto: Wo keine Witwe und kein Kind, da bleibt der Kirche das Vermögen erhalten.

Zur fairen Beurteilung gehört es allerdings, zu konstatieren, dass in der Heiligen Schrift bei Matthäus davon die Rede ist, dass "vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelsreiches willen" mit dem Ideal der sogenannten kultischen Reinheit korrespondiert. Andererseits: Petrus, der von dem unverheirateten Jesus auserwählte erste unter den Aposteln, war verheiratet. Die Bibel erwähnt eine Schwiegermutter des Apostels, Märtyrers und ersten Bischofs in Rom. Der christlichen Urgemeinde war der Pflichtzölibat fremd, wobei einige Historiker der Meinung sind, das der Zölibat schon zur Zeit der frühen Kirche gelebte Praxis gewesen sei. Kurios klang, was von der Synode von Elvira aus dem Jahr 306 berichtet wurde. Damals durften Kirchenmänner zwar verheiratet sein, sie mussten aber enthaltsam leben. Erst vor rund 1000 Jahren wurde daraus eine allgemeinverbindliche Regelung, wonach Priester nicht verheiratet sein dürfen und keusch zu leben haben. Sie sollen sich gleichsam mit Haut und Haaren der Sache Gottes und der Verkündigung von dessen Froher Botschaft widmen. Anders formuliert: Wer es als junger Mann aus freiem Willen auf sich nimmt, bis zum Tod ohne Frau und Kinder durchs Leben zu gehen, der legt das denkbar stärkste Zeugnis dafür ab, wie ernst er es mit seiner Berufung meint.

Das wahre Leben sieht anders aus

Auch hier ließe sich einwenden: Grau, lieber Freund, ist alle Theorie. Das wahre Priesterleben sieht anders aus. Nach einer im Juni veröffentlichten Studie empfinden 54 Prozent von 9000 befragten Geistlichen den Zölibat als nicht erfüllend. 59 Prozent vermissen partnerschaftliche Bindung bzw. körperliche Intimität (54 Prozent) sowie eigene Kinder (52). Mehr als ein Drittel gab an, unter Einsamkeit zu leiden und psychosomatische Probleme zu haben. Dazu passt das Studienresultat, wonach der Pornografie-Konsum unter Geistlichen nicht gering ist. Einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Kindesmissbrauch sieht die Studie nicht. Initiator Wolfgang Weig: "Was der Zölibat bei den Männern anrichtet, ist schon genug, da muss nicht noch eine Perversion hinzukommen."

Bischöfe gehen auf Distanz

Bemerkenswert erscheint es, dass mittlerweile selbst Bischöfe auf Distanz zur uralten Kirchenregelung gehen. So bezweifelten Bischof Stephan Ackermann (Trier) oder Weihbischof Hans-Jochen Jaschke (Hamburg), dass der Pflichtzölibat zeitgemäß sei. Es gibt eine Tendenz dahin, dass es die Kirche ihren Priestern freistellen sollte, sich für ein gottgefälliges Leben als lediger oder verheirateter Mann zu entscheiden.

Wird Papst Franziskus dem Wunsch nach Wahlfreiheit entsprechen? Eher nicht. Wer sieht, wie schwer sich Rom mit dem Gedanken an ein Frauen-Diakonat tut, ahnt, dass hinter den vatikanischen Mauern in weiteren Zeitrahmen gedacht und gehandelt wird. So vernünftig eine Wahlfreiheit wäre, so gewiss erscheint auch, dass der Pflichtzölibat nicht allein den Priestermangel verursacht. Denn es ist ja nicht so, dass etwa bei den Protestanten, wo verheiratete Pfarrer und Pfarrerinnen gestattet sind, blühendes kirchliches Leben herrscht.

(mc)
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