Deutscher Webvideopreis Internetvideos als Milliarden-Geschäft

Düsseldorf · Heute wird der deutsche Webvideopreis in Düsseldorf vergeben. Die Branche kämpft um ihre Unabhängigkeit von Youtube und um Werbegelder großer Unternehmen. Und dann gibt es auch noch Ärger mit den Medienwächtern.

 Melina Sophie, Jahrgang 1995, hat mit ihrem Lifestyle-Kanal bei YouTube 1,7 Millionen Abonnenten.

Melina Sophie, Jahrgang 1995, hat mit ihrem Lifestyle-Kanal bei YouTube 1,7 Millionen Abonnenten.

Foto: dpa

Sie kennt sich aus mit Medienpreisverleihungen. Jetzt moderiert sie auch noch den Webvideopreis. Doch wenn Barbara Schöneberger heute Abend im Düsseldorfer ISS-Dome auf der Bühne steht, trifft sie nicht auf die üblichen Verdächtigen der Medienlandschaft. "Die Lochis", "Melina Sophie" oder "Tomatolix" heißen einige der Stars des Abends. Neuland für Schöneberger, die erst seit wenigen Monaten im sozialen Netzwerk Instagram aktiv ist. "Ich bin es ja gewohnt, mich auf die unterschiedlichsten Themen einzulassen", sagte Schöneberger. "Das ist eine ganz neue Welt. Die Herausforderung wird sein, eben diese unterschiedlichen Welten für einen Abend zu vereinen."

Die Welt der Webvideos ist schnelllebig. Kaum hat sich die Öffentlichkeit an Namen wie "LeFloid" oder "Y-Titty" gewöhnt, sind die meist jungen Zuschauer bereits weitergezogen. Vier von fünf der bis 30-Jährigen in Deutschland nutzen laut der Onlinestudie von ARD und ZDF mindestens einmal wöchentlich eine Videoplattform wie Youtube. Aus einer Szene ist eine Branche geworden. Es geht um Geld, neue Mitspieler und den Kampf um Aufmerksamkeit, die Klicks der Zuschauer. "Youtube lebt von Hits", erklärt Medienwissenschaftler Bertram Gugel das Sehverhalten. "Jedes zweite der Top 100 Videos wird über diese Plattform abgerufen." Der Umsatz für 2015 wird auf sechs Milliarden Euro geschätzt. Vor allem Schlager- und Kinderfilm-Kanäle erzielen enorme Wachstumsraten. Aber auch Angebote rund um die Fußballbundesliga sind begehrt.

Für viele Webvideo-Produzenten ist ihre Abhängigkeit von den großen Plattformen Facebook und Youtube ein großes Thema. Zum Jahreswechsel haben sich zahlreiche Youtuber öffentlich beklagt, dass die Zahl ihrer Abonnenten deutlich zurückgeht. Youtube hatte zuvor den Mechanismus verändert, wie Videos vorgeschlagen werden. "Hilfe, meine Youtube-Karriere ist zu Ende", schluchzte Teeniestar Kelly MissesVlog beispielsweise in die Kamera. Der neue Youtube-Algorithmus würde sie benachteiligen. Sie habe immer weniger Abrufe. Mit ihrem Youtube-Kanal "Kelly MissesVlog" erreicht sie über 1,5 Millionen Abonnenten. "Ich habe Angst, ein neues Video zu veröffentlichen. Dann verliere ich sogar Abonnenten." Tatsächlich: Youtube scheint die neuen Videos seltener vorzuschlagen. Externe Analysten bestätigen diese Beobachtung.

Doch es gibt auch Kritik aus den eigenen Reihen. Julien Bam erreicht mit seinem Kanal 3,8 Millionen Abonnenten und ist gelangweilt von den sich immer stärker gleichenden Formaten: "Anstatt euch zu beschweren, dass eure Videos nicht mehr so empfohlen werden, macht einfach Videos, die eure Zuschauer so begeistern, dass sie sie von selbst empfehlen", sagt Bam.

Einige Webvideo-Produzenten haben bereits Konsequenzen gezogen. "Mit unserer Firma nutzen wir Youtube nicht als Einkommensquelle, sondern als Forschungs-, Entwicklungs- und Akquisetool", erklärt die Wienerin Hannah Thalhammer, die mit Kanälen "Klein aber Hannah" und "Klein aber Lecker" erfolgreich unterwegs ist. Dazu gehören auch Kooperationen mit Unternehmen, die dafür zahlen, ihre Marken und Produkte in Youtube-Videos zu platzieren. Je nach Beliebtheit zahlen diese Unternehmen bis zu 13.000 Euro für ein Foto oder Video mit ihrem Produkt. Die Kooperationen nehmen einen nennenswerten Teil der Marketing- und Werbebudgets ein.

In Webvideos sind Werbung und redaktioneller Inhalt oft nicht streng getrennt, weshalb Reklame oft nicht erkennbar ist. Aus diesem Grund haben die Medienwächter einen Leitfaden für Youtuber entwickelt, der erklärt, wie Werbung korrekt gekennzeichnet werden sollte.

Die Medienwächter überwachen auch eine Lizensierungspflicht für Live-Formate. Wer regelmäßig live im Internet sendet, braucht eine Rundfunklizenz, wie sie auch TV-Sender besitzen. Das sei nicht mehr zeitgemäß, kritisieren die Veranstalter des Webvideopreises in einem offenen Brief an die Landesmedienanstalten. "Der Webvideomarkt benötigt keine verschärfte Regulierung, sondern nachhaltige Wachstumsimpulse und intelligente Antworten auf zutiefst drängende Fragen, um eine pluralistische Medienlandschaft zu ermöglichen", heißt es. Die gängige Praxis halten sie für realitätsfern. Eine Gebühr von derzeit mindestens 1000 Euro sei viel zu hoch und die Aufzeichnungspflicht von Livestreams solle auch ersatzlos gestrichen werden.

Die Organisatoren wollen mit der Landesanstalt für Medien NRW Gesetzgeber auf Länder-, Bundes- und Europaebene von einer Anpassung des Medienrechts überzeugen. Der Start dazu ist aber nach dem Webvideopreis. Erst wird gefeiert.

(dafi)
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