Düsseldorf Promovierte finden schneller eine Stelle

Düsseldorf · Eine Doktorarbeit zu schreiben, kostet Zeit und Nerven. Dazu kommt ein späterer Berufseinstieg. Dennoch kann sich die Mühe lohnen. Schon deshalb, weil nur zwei Prozent der Promovierten eineinhalb Jahre nach Abschluss erwerbslos sind.

Tina Marusch will in die Forschung, deswegen promoviert sie. Ihr Magister in Anglistik und Amerikanistik an der Technischen Universität Chemnitz und der Master an der Universität Potsdam - alles nur "Vorübungen zum Promovieren". Die 33-Jährige promoviert seit Oktober 2011 an der Universität Potsdam. Sie hofft, Ende des Jahres fertig zu sein. Sie arbeitet im Bereich Psycho- und Neurolinguistik. "Ich arbeite experimentell und führe Versuche mit sprachgesunden Erwachsenen, aber auch mit Erwachsenen mit einer erworbenen Sprachstörung durch", berichtet sie.

Fünf Jahre Forschungsarbeit, während ehemalige Kommilitonen schon im Berufsleben stehen und die ersten Schritte auf der Karriereleiter machen: Lohnt sich das überhaupt? 2013 haben 27 707 Doktoranden ihre Promotion erfolgreich abgeschlossen. Das geht aus den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. "Promovieren sollte man aus Interesse an der Forschung, nicht aus Karrieregründen", sagt Jutta Wergen. Sie ist selbst seit 2004 promoviert und seitdem in der Forschung tätig. Außerdem bietet sie Coaching für Promovierende an. Eine Doktorarbeit zu schreiben, verlange jahrelange Selbstdisziplin. Die könne man nur aufbringen, wenn der Spaß an der Tätigkeit und das Interesse an den Forschungsergebnissen im Vordergrund stehen.

Ähnlich sieht das Hartmut Rauen. Er ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und zuständig für die Bereiche Forschung, Technik und Bildung. Er rät zu einer Promotion, wenn Ingenieure geneigt sind, sich auch später intensiv mit Technikfragestellungen auseinanderzusetzen. "Sie als reinen Karrierehebel zu nutzen? Ich weiß nicht, ob das funktioniert." Man sollte Spaß daran haben, sich mit speziellen Fragestellungen auseinanderzusetzen. "Sonst sind die fünf Jahre Lebenszeit nicht gut investiert. Hier sollte man andere Karriereschritte einleiten und gleich in die Industrie gehen."

Für eine Promotion spricht aber ein finanzieller Aspekt. Das legt zumindest eine Studie des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung "Incher" an der Universität Kassel nahe. Dazu wurden Daten über die Berufswege von 70 000 Hochschulabsolventen und 1266 Promovierten eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss ausgewertet. Demnach verdienen Männer und Frauen mit Doktortitel 18 Monate nach ihrer Promotion im Schnitt knapp 40 Prozent mehr als Absolventen mit einem Master als höchstem Abschluss. Dabei gibt es allerdings deutliche Unterschiede je nach Fach. Außerdem kommt es darauf an, ob Promovierte in der Wissenschaft bleiben oder in die freie Wirtschaft gehen. In der Wirtschaft verdienen Absolventen mit Doktortitel eineinhalb Jahre nach dem Abschluss im Schnitt 4722 Euro brutto im Monat. In der Wissenschaft sind es 3340 Euro. Sprach- und Kulturwissenschaftler zum Beispiel kommen in der Privatwirtschaft im Schnitt auf 3841 Euro monatlich, ihre Kollegen in der Forschung verdienen rund 2559 Euro. Auch bei Ingenieuren gibt es ein Gehaltsgefälle. "In der Industrie haben Ingenieure deutlich bessere Gehaltsperspektiven als in der Wissenschaft", sagt Rauen. Das gilt besonders dann, wenn sie in Führungspositionen mit Personalverantwortung sind. Dafür dauert es allerdings auch länger, bis Doktoranden etwas verdienen.

Während der Promotion verfügen viele über nur wenig Geld. Tina Marusch hat zum Beispiel ein Stipendium der Universität Potsdam. Im Ingenieurwesen arbeiten Doktoranden häufig an Instituten. Dort gibt es voll dotierte Stellen, berichtet Rauen.

Ein weiterer Aspekt, der für eine Promotion spricht: die statistisch gesehen geringe Arbeitslosenquote. Nur zwei Prozent der Promovierten waren laut der Studie des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung eineinhalb Jahre nach ihrer Promotion erwerbslos. "Promotion ist auf jeden Fall ein Grundstein für den Karrierebau, zumindest in unserem Segment", sagt Rauen. Coach Wergen ergänzt: "Promovierte werden gern eingestellt, weil sie bewiesen haben, dass sie gute Projektmanager sind und über viel mehr als nur fachliche Expertise verfügen."

Tina Marusch weiß noch nicht genau, wohin es sie nach der Promotion verschlagen wird. Sicher ist nur: "Ich will eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen, um weiter zu forschen."

(dpa)
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