Donald Trump Favorit der Wutbürger

Washington · Donald Trump nutzt den Frust wirtschaftlich deklassierter Mittelschicht-Amerikaner und deren Enttäuschung über das politische Establishment. Ein klares Programm hat er nicht, aber das scheint seine Anhänger nicht zu stören.

 Sieger-Rede in Mar-A-Lago: Donald Trump.

Sieger-Rede in Mar-A-Lago: Donald Trump.

Foto: afp, jm

Man könnte auf Transparentpapier zwei Landkarten der USA zeichnen, bestimmte Flächen schraffieren und beide Karten übereinanderlegen: Man würde verblüffende Übereinstimmungen feststellen. Angenommen, die eine zeigte die ökonomischen Krisengebiete und die andere die Gegenden, in denen Donald Trump flächendeckend Wahlen gewinnt: Sie wären nahezu deckungsgleich.

Wirtschaftlich abgehängte Amerikaner

Was Trump für sich auszuschlachten versteht, ist die Ernüchterung wirtschaftlich abgehängter Amerikaner, die dem Establishment kein Wort mehr glauben. Die abschalten, wenn Statistiker gute Zahlen präsentieren oder die Regierung davon spricht, dass kein anderes Land im 21. Jahrhundert besser aufgestellt ist als die USA. Gewiss, die Arbeitslosigkeit ist von über zehn auf unter fünf Prozent gesunken, seit die Finanzkrise das Land in die schwerste Rezession seit den 1930er Jahren stürzte. Gewiss, es gibt blühende Landschaften, es gibt die Hochburgen der Wissens- und Informationsökonomie, Seattle, San Francisco, das Silicon Valley, New York und den Speckgürtel um Washington. Es sind diese Regionen, die den Aufschwung tragen und dabei eine Realität verzerren, die weitaus differenzierter ist, als es die Aufwärtskurven der nationalen Statistik vermuten lassen.

Alabama und Georgia, Arkansas und Tennessee haben eines gemeinsam. Von wirtschaftlicher Erholung ist dort, von wenigen Wachstumsinseln abgesehen, nichts zu spüren. Im Grunde ist die Lage noch prekärer, als sie es vor der Finanzkrise war. In Alabama holte Trump 44 Prozent, in Georgia 39, in Arkansas 34 und in Tennessee 39 Prozent der Stimmen. Die Südstaaten mit ihrer besonderen Malaise bilden die Basis für seinen Erfolg. Dort hielt er seine ersten großen Kundgebungen ab, dort holte er sich den Schwung, von dem er nun auch anderswo zehrt, etwa im Neuengland-Staat Massachusetts, wo er mit klarem Vorsprung gewann.

Etwas ist faul

Kein Zufall, dass Trump zuerst dort Fuß fasste, wo er am größten ist, der Frust einer verunsicherten Arbeiterschaft, die den Eindruck hat, vom Politikbetrieb nicht nur vergessen worden zu sein, sondern obendrein noch belächelt und belehrt zu werden. Der ruppige Unternehmer sagt den Leuten, dass etwas faul ist im Staate Amerika. Die Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden, weil die Bestandsaufnahme in Teilen stimmt. Weil sich Demokraten und Republikaner im Kongress bis an den Rand der Handlungsunfähigkeit blockieren, weil Politiker in endlosen, exorbitant teuren Wahlkämpfen immer mehr angewiesen sind auf die Gunst betuchter Sponsoren, die im Gegenzug versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Wenn der Milliardär Trump lässig betont, dass er seine Kampagne selbst finanziert und daher keinem Spender einen Gefallen schuldet, erklärt das seine Popularität schon zur Hälfte.

Noch ist allenfalls in groben Umrissen zu erkennen, für welches Programm ein US-Präsident Donald Trump stehen würde. Vieles ist zu widersprüchlich, als dass sich klare Konturen erkennen ließen. Vieles beschränkt sich auf die simple Aussage, dass Amerika mit ihm endlich wieder "gewinnen" werde, statt wie bisher von Ländern wie China, Mexiko oder Japan über den Tisch gezogen zu werden.

Donald Trump: Das ist der Unternehmer und Ex-Präsident
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Das ist Donald Trump

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Zentraler Punkt auf der Agenda des Milliardärs ist der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um zu verhindern, dass weiterhin Immigranten aus Lateinamerika ohne Aufenthaltsgenehmigung ins Land kommen. Trump will Mexiko zwingen, die Baukosten zu tragen. Mexikanische Politiker haben öffentlich erklärt, nicht einen Cent zahlen zu wollen. Im Handelsstreit mit Peking denkt Trump daran, Waren aus China mit einem Importzoll von 45 Prozent zu belegen. Apple, führt er als Beispiel an, solle das iPhone nicht mehr in Asien herstellen, sondern in den Vereinigten Staaten. Sträube sich der Konzern, werde er ihn dazu zwingen. Mit Blick auf den Nahen Osten betonte der 69-Jährige im Einklang mit dem isolationistischen Flügel der Republikaner zunächst, dass es nicht Amerikas Aufgabe sei, sich der Konflikte der Region anzunehmen. Im Herbst forderte er dagegen, die Herrschaftsgebiete der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien in Grund und Boden zu bombardieren. Mehrfach hat Trump seine Wertschätzung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin betont. Dies nährt Spekulationen, dass sich das Verhältnis zwischen Washington und Moskau verbessern könnte, sollte er dereinst im Weißen Haus residieren. Angela Merkel wirft Trump vor, Deutschland mit ihrer Flüchtlingspolitik enormen Schaden zugefügt zu haben. Die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge in den USA lehnt er kategorisch ab. Mehr noch, nach einer Terrorattacke im kalifornischen San Bernardino hat er einen pauschalen Einreisestopp für Muslime gefordert und dafür plädiert, die Namen sämtlicher Amerikaner muslimischen Glaubens in einer Computerkartei zu erfassen.

Simple Lösungen für komplexe Probleme

Nicht nur, dass Trump grotesk simple Lösungen für komplexe Probleme anbietet. Wie der polternde Egomane angestauten Ärger zu nutzen versucht, ist auch ein Klassiker der Demagogie. Er scheut dabei nicht davor zurück, rassistische Stereotypen aus der Schublade zu holen. Seiner überwiegend weißen Klientel verspricht Trump die Rückkehr in eine Welt, die es so nicht mehr geben wird. Die Rückkehr in die idealisierten 50er Jahre, als praktisch jeder, der in Lohn und Brot stand, zur Mittelschicht zählte, sich ein bescheidenes Häuschen leisten konnte und als der eine Job, den man hatte, so gut bezahlt wurde, dass man keinen zweiten oder dritten annehmen musste, um über die Runden zu kommen.

Nicht zu vergessen, in den Südstaaten, in denen Trumps verlässlichste Bastionen liegen, waren schwarze Amerikaner damals noch Bürger zweiter Klasse. Bei dem Populisten, der sich allenfalls widerwillig vom Ku-Klux-Klan distanziert, hat man den Eindruck, als gehöre auch dies zur "guten alten" Zeit, die er so nostalgisch verklärt.

(RP)
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