Vor 33.000 Tweets... Warum Donald Trump zu twittern begann

Düsseldorf · Ohne Twitter wäre Trump vermutlich nie US-Präsident geworden. Dabei war es 2009 nicht mal seine Idee, sich dort anzumelden. Bis er zum ersten Mal ausfällig wurde, vergingen zwei Jahre.

 Donald Trumps Twitter-Account

Donald Trumps Twitter-Account

Foto: dpa / Screenshot

Peter Costanzo weiß im Frühjahr 2009 nicht, dass er Donald Trump eine Waffe in die Hand gibt. Es soll doch bloß darum gehen, Trumps neues Buch "Think Like A Champion" zu bewerben, das Costanzos Verlag herausgibt. Er hat sieben Minuten mit dem Immobilienunternehmer, erzählt er später in einem Podcast, aber schon bevor die abgelaufen sind, hat er Trump davon überzeugt, sich auf einer neuen Online-Plattform anzumelden: Twitter. Weil dort unter dem Usernamen "donaldtrump" schon jemand Trump parodiert, schlägt Costanzo einen anderen Namen vor — "realdonaldtrump" ist geboren.

Donald Trump ist vermutlich der erste US-Präsident, der ohne die sozialen Netzwerke nicht die Wahl gewonnen hätte. Er kann sich so direkt an seine Anhänger widmen und gegen Konkurrenten austeilen, ohne einen Umweg über die Medien zu gehen, die er sowieso zu großen Teilen für "fake news" und "failing" hält. Auf Twitter hat Trump mehr als 46 Millionen Follower. Nur 19 Accounts haben mehr, darunter das von ihm gehasste CNN, sein Vorgänger Barack Obama und auf Platz 1 Katy Perry. Die Zahl seiner Tweets geht auf 33.000 zu.

Doch wer sich seine frühen Einträge durchliest, lernt einen anderen Trump kennen als jenen, der sich heute regelmäßig in die Schlagzeilen pöbelt. Bescheiden ist er auch damals nicht, aber unpolitisch und friedlich. Lange Zeit setzt er die Tweets nicht einmal selbst ab, das erledigt Costanzo. Der schreibt sie deshalb in der dritten Person. Der erste Tweet vom 4. Mai 2009 kündigt einen Fernsehauftritt an: "Be sure to tune in and watch Donald Trump on Late Night with David Letterman as he presents the Top Ten List tonight!” Wenige Stunden später stellt er sich ins Scheinwerferlicht des Studios und liest zehn satirische Finanztipps vom Teleprompter ab. Unter anderem empfiehlt er den Zuschauern, Geld zu sparen, indem sie ihre Haare selbst frisieren. Außerdem sollten die USA North Dakota an China verkaufen. Auf Platz 1 seiner Ratschläge: "The fastest way to get rich: marry and divorce me."

Er sieht damals schon so aus wie heute. Dieselbe Frisur. Dasselbe halb selbstbewusste, halb komödiantische Auftreten. Nur kommentiert er nicht das politische Geschehen. Damals sind sich Donald Trump und das eher liberale US-Show-Business noch nicht spinnefeind. Im Gegenteil: Trump ist die unterhaltsame und gar nicht so unsympathische Witzfigur, die vor allem mit der Show "The Apprentice" für Aufmerksamkeit sorgt. "You're fired" wird zu seinem berühmtesten Spruch.

Auch in den folgenden Tweets bewerben er und Costanzo TV-Auftritte und Trumps Buch. Ein abgenutztes Zitat aus seinem Werk folgt dem nächsten. "When the achiever achieves, it's not a plateau, it's a beginning." "Don't be afraid of being unique - it's like being afraid of your best self." Und am allerwichtigsten: "Think. That's the first step. Use all your power to utilize and develop that capability".

Das Buch selbst schafft es so gerade über 200 Seiten und enthält viele kurze Kapitel mit Überschriften wie "I View My Work As An Art Form", "How To Get Rich" und "Think Like A Genius". Im ersten Kapitel lobt er sogar den damaligen Präsidenten Obama. Es sei "amazing", was dieser geschafft habe.

Ansonsten erzählt Trump am liebsten von seinen anderen tollen Projekten. Am 2. November 2009 erfährt die Welt, dass in Schottland die Arbeiten am größten Golfplatz der Geschichte begonnen haben. Selbstverständlich baut er den. Seine Sprache ist bereits voller "great", "fantastic", "amazing", doch von "Fake-News"-Trump ist er noch weit entfernt. Schon damals ist er besessen von den "Ratings", den Einschaltquoten seiner und anderer Sendungen. Insgesamt in 254 Tweets taucht der Begriff auf.

Hat Trump einen Tweet doch einmal selbst formuliert und ihn nicht bloß abgesegnet, setzt Costanzo ein "from Donald Trump" davor: "I'm so proud of my wife Melania and the launch of her new jewelry line, to debut on QVC." Erst ab 18. März 2010 kommen die Tweets ohne diesen Zusatz aus, fortan sind sie in der ersten Person formuliert, auch wenn Trump da nicht alle Tweets selbst postet. Allzu wichtig scheint ihm Twitter aber noch nicht zu sein: Für seine erstens 100 Tweets braucht er mehr als ein Jahr. Erst 2012 gewinnt er seinen Millionsten Follower.

In den Trump, den wir heute kennen, verwandelt er sich 2011. Es ist ein schneller Wandel, denn es ist etwas in seinem Leben passiert: Im Herbst 2010 denkt er öffentlich darüber nach, für die Republikaner ins Rennen um die US-Präsidentschaft zu gehen. Es ist nicht das erste Mal, dass er das tut. Kurz vor der Jahrtausendwende hatte er für die "Reform Party" sogar eine Präsidentschaftskampagne auf die Beine gestellt, die er schnell wieder abbrach.

"Ich hasse es, wie andere Teile der Welt wie China unser Land ausnutzen", sagt er im Januar 2011 einer Journalistin. Da blitzt schon "Make America Great Again" auf. Allzu ernst scheint es ihm mit den Bemühungen um die Präsidentschaft aber noch nicht zu sein. Als ihn die Journalistin fragt, wann er denn seine Entscheidung bekanntgeben werde, ob er antrete, antwortet er: Seine Sendung "The Celebrity Apprentice" gehe noch bis zum 6. März. Die letzte Folge müsse erstmal gelaufen sein, denn sonst müsse er als Präsidentschaftskandidat die Sendung aufgeben und wertvolle Sendezeit an jemand anderen abgeben.

Der Tag, an dem er auch auf Twitter zeigt, dass er anders kann, ist der 27. Januar 2011: Er weist auf die Webseite shouldtrumprun.com hin, die von seinem Anwalt Michael D. Cohen betrieben wird und ausloten soll, ob die Leute sich einen Präsidentschaftskandidaten Trump wünschen. Trump beschwert sich in diesem zweiteiligen Tweet darüber, dass die amerikanischen Fabriken kaum mit denen aus China und anderen Ländern konkurrieren könnten, weil diese keine Umweltauflagen erfüllen müssten.

Die nächsten Monate dominieren noch Tweets zu seinen nicht-politischen Aktivitäten. Doch kaum hat Trump im Mai bekanntgegeben, dass er nicht ins Präsidentschaftsrennen geht, wird aus dem sympathisch-großkotzigen Trump der Hetzer Trump. Barack Obama erwähnt er am 6. Juli 2011 überhaupt erst zum zweiten Mal in seinen Tweets - er wird kein gutes Haar an ihm lassen. Obama gibt zu viel Geld aus, beklagt er. Einen Tag später wieder. Und danach entwickelt er geradezu eine Obama-Sucht. "Obama, sadly, has no business or private sector background---and it shows", schreibt er einige Wochen später. "Sadly" oder "sad" - noch so ein Begriff, den er hier zum ersten Mal verwendet und dann zu einem Markenzeichen macht. Die Verschwörungstheorie, Obama sei nicht in den USA geboren, greift Trump bereits 2012 auf. "Fake" benutzt er erstmals im April 2012, als er behauptet, US-Kriegsflugzeuge enthielten "fake electronic components from China". Bis "Crooked Hillary" wird es noch bis April 2016 dauern und bis zu "Fake News" sogar bis Dezember 2016. Da hat er bereits die Präsidentschaftswahlen gewonnen und Twitter ist für ihn längst nicht mehr nur eine Werbeplattform, sondern Kriegsschauplatz.

Trumps erster Tweet interessierte 2009 niemanden. Mittlerweile allerdings hat er 693 Likes und 140 Kommentare eingesammelt. Einer davon lautet: "So this is where the shitstorm started.”

Die Webseite trumptwitterarchive.com hat alle Tweets von Donald Trump archiviert.

(seda)
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