Neu-Delhi Der Dialog zwischen Deutschland und Indien stockt

Neu-Delhi · Der Bundesrepublik steht die "größte Demokratie der Welt" eigentlich näher als China. Politisch schlägt sich das aber kaum nieder.

In Erinnerung bleiben wird vom Besuch in Indien ein Bild der Einigkeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indiens Premierminister Narendra Modi, unisono in Hellblau, reichen sich im angeregten Gespräch die Hand. Modi, bekannt als Charismatiker und Mann der markigen Worte, verstand es, sich auf die eher sachliche Ebene der Kanzlerin einzustellen, und drückte Merkel seine Wertschätzung dafür aus, dass sie nach Indien gereist sei, "obwohl es zu Hause viele Sorgen" gebe.

Damit sprach der Premier ein Thema an, das die deutsche Politik mehr denn je spaltet, Merkel in Indien jedoch viel Anerkennung eingebracht hat: ihr Umgang mit den Flüchtlingen. Es hat das Bild der reservierten, aufs Wesentliche gerichteten deutschen Regierungschefin weichgezeichnet. Das Titelbild des "Spiegel" von Mitte September, das in Anlehnung an Mutter Teresa eine "Mutter Angela" zeigt, wurde denn auch von der Online-Ausgabe der englischsprachigen indischen Zeitung "The Hindu" aufgegriffen. Die aus einer albanischen Familie stammende Mutter Teresa gilt mit ihrem jahrzehntelangen Engagement für die Ärmsten in Kalkutta als eine Art Nationalheilige.

Mild gestimmt ist die Haltung gegenüber Deutschland derzeit. Zumindest ein großes strategisches Anliegen haben beide Staaten: einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu bekommen. "Darüber hinaus müssen sich beide Staaten in Zukunft stärker auf ihr regionales Umfeld konzentrieren", meint Christian Wagner, Indienexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Europa hat in Asien kein sicherheitspolitisches Profil." Auch Samir Saran, Vizechef der indischen Observer Research Foundation, sieht nach wie vor regionale Trennungen: "Bei Handelsabkommen, einer stabilen internationalen Sicherheitspolitik oder effektiven Maßnahmen gegen den Klimawandel geht es sicher nicht ohne Indien. Aber kann Indien die politischen Entwicklungen in der EU oder in Lateinamerika beeinflussen? Nein."

In Zeiten der Instabilität in Europa ist es naheliegend, dass Deutschland Partner auch außerhalb sucht. Indien hat Potenzial: Zur "größten Demokratie der Welt" gibt es eine größere politische Nähe als zu China. Doch der demokratische Faktor kommt aus der Sicht von Christian Wagner in der Außenpolitik kaum zum Tragen. "In Indien herrscht ein eher klassisches Verständnis von Großmacht", erklärt Wagner. Entsprechend schmallippig zeigen sich die obersten Regierungsmitglieder, wenn andere Staatschefs auf Menschenrechtsverletzungen auf indischem Boden hinweisen.

Derzeit steht auch der indische Regierungschef in einer nationalen Angelegenheit stark in der Kritik: dem Lynchmord von Hindus an einem muslimischen Bauern. Der Mob hatte sich formiert, nachdem das Gerücht entstanden war, die Familie des Mannes habe Rindfleisch gegessen. Im Bundesstaat Uttar Pradesh, in dem der Mord geschah, ist das verboten. Der Vorfall wurde binnen Tagen zum nationalen Politikum - die Opposition wirft Modi und seiner hindunationalistischen Partei BJP vor, derartige Taten mit ihrer Ideologie anzufachen.

Modi scheint Merkels Besuch in der aktuellen Lage deshalb gelegen gekommen zu sein. Auf Facebook schrieb er am Dienstag, der "Baum der indisch-deutschen Partnerschaft" werde blühen. Eine Stellungnahme zum Lynchmord und seinen Folgen steht aber noch aus.

(RP)
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