Poker um das Schlüsselressort Braucht die SPD das Finanzministerium?

Berlin/Erkrath · Die Genossen tun sich mit der Ministerliste auch deshalb so schwer, weil der Vizekanzler eigentlich Anspruch auf das zweitwichtigste Ressort hätte. War früher das Außenministerium besonders begehrt, ist es heute das Finanzressort.

Als Peer Steinbrück die Stadthalle von Erkrath betritt, brandet Beifall auf. Rund 280 Sozialdemokraten sind gekommen, um sich über den Koalitionsvertrag von SPD und CDU zu informieren. Steinbrück saß bei den Verhandlungen über das Regierungsbündnis in Berlin mit am Tisch. "Wir haben mehr herausgeholt, als angesichts der erzielten 25,7 Prozent zu erwarten war", erklärt der unterlegene Kanzlerkandidat der SPD-Basis. Als ein Beispiel nennt er die geplante finanzielle Entlastung der Kommunen.

Bei den Genossen weiß man, dass die sozialdemokratische Handschrift in der Finanzpolitik wohl am ehesten sichtbar wird, wenn die Partei die Leitung des Finanzministeriums übernimmt. In Erkrath lässt Steinbrück keinen Zweifel daran, dass er keine Spitzenämter übernehmen wird. Muss jetzt Parteichef Sigmar Gabriel ran? Kerstin Griese, die Bundestagsabgeordnete der SPD aus Mettmann, beteuert am Rande der Versammlung, es sei noch völlig unklar, wer das Finanzressort übernehmen wird. Das Finanzministerium sei aber ein Schlüsselressort, sagte Griese.

Ressort mit Verhinderungsmacht

Denn dieses Ressort hat spätestens seit der Weltfinanz- und Euro-Schuldenkrise dem Auswärtigen Amt den Rang abgelaufen. Seit Beginn der Nachkriegsrepublik war der Finanzminister als einziger mit einem Vetorecht ausgestattet, das nur dann von einer Mehrheit im Kabinett überstimmt werden konnte, wenn diese auch den Regierungschef auf ihrer Seite hatte.

Inzwischen ist das Finanzministerium das Schlüsselressort — nach innen wie nach außen. Der Finanzminister gibt die Ausgaben für alle anderen Kollegen vor, er ist auch auf internationalem Parkett der Boss, wenn es in der EU finanziell ans Eingemachte geht. Und er prägt die Entwicklung entscheidend vor, falls das Wirtschaftswachstum zu stottern beginnt und es dann entweder zu Steuererhöhungen oder Streichkonzerten kommt.

Gabriel gehört nicht zum Expertenkreis

Deshalb haben schon während der Koalitionsverhandlungen viele Sozialdemokraten vor allem aus den Bundesländern Sigmar Gabriel unter Druck gesetzt, nach dem Finanzministerium zu greifen. Sie spekulieren darauf, in Zeiten der großen Koalition den Steuer-Verteilungsschlüssel zugunsten der Länder derart verändern zu können, dass die Landespolitik in Zeiten der Schuldenbremse gestaltbar bleibt. Die Chancen dafür wären um so höher, je mehr Einfluss die mehrheitlich sozialdemokratischen Ministerpräsidenten auf die Bundesfinanzen haben.

Da Parteichef Gabriel erkennbar nicht zu den ersten Finanzexperten gehört, kamen bald auch andere Namen ins Spiel: EZB-Banker Jörg Asmussen etwa oder Kiels Ministerpräsident Torsten Albig. Am liebsten natürlich Peer Steinbrück, mit dem die Kanzlerin schon in der großen Koalition von 2005 bis 2009 als Finanzminister bestens gefahren ist und dem sie den Job schlecht hätte verweigern können.

Merkels Favorit heißt Schäuble

Steinbrück blieb aber bei seiner Ansage, "unter Führung von Frau Merkel" keiner Regierung mehr angehören zu wollen. Er spielte den Ball zugleich an Gabriel weiter: "Das Finanzministerium ist in jeder Regierung von zentraler Bedeutung", unterstrich er. Und seiner Meinung nach "sollte ein Parteichef in einem Kabinett spürbar Einfluss nehmen und deshalb ein wichtiges Ministerium als Vizekanzler übernehmen".

Gabriels zusätzliches Problem: Beansprucht er das Finanzministerium für einen Parteifreund, könnte bald der Eindruck entstehen, dass dieser andere Sozialdemokrat wichtiger ist als er. Das kann er kaum wollen. Ganz davon abgesehen, dass Merkel das Ressort angesichts des Wahlergebnisses von 41,5 zu 25,7 Prozent zugunsten der Union nur widerwillig der SPD abtreten würde. Ihr Favorit bleibt Wolfgang Schäuble. Solange er will.

(may-, )
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