Analyse zur Anti-Euro-Partei Glücklose Professoren-Partei AfD

Berlin · Trotz Umfragetief will die "Alternative für Deutschland" zur Bundestagswahl antreten. Viel Chancen hat sie nicht. Sie ist nach wie vor weitgehend unbekannt und kommt vom Image der reinen Anti-Euro-Partei nicht weg.

Im April noch jagte die neue Partei den etablierten Politikern einen gehörigen Schrecken ein. Umfragen zufolge konnten sich damals 15 Prozent der Wähler vorstellen, ihr Kreuz bei der "Alternative für Deutschland" zu machen. Die AfD mit ihrem einzigen Programmpunkt, die bisherige Euro-Rettungspolitik zu beenden und den Euro-Austritt zu ermöglichen, hätte vor allem Union und FDP gefährlich werden können. Seither jedoch ist es still um sie geworden. Jetzt will die Partei dringend vom Image der reinen Anti-Euro-Partei wegkommen.

Ganz leicht fällt ihr das nicht. Vor der Hauptstadtpresse nutzten jetzt führende Köpfe der inzwischen gern als "Professoren-Partei" titulierten Protest-Gruppe die nachrichtenarme Sommerzeit, um zu erklären, wie sie sich für die Bundestagswahl 2013 aufstellen wollen. Etwas mehr als 20 Prozent ihrer heute 18 000 Mitglieder seien aus CDU, FDP und SPD übergetreten. "Die meisten aber sind Menschen, die noch nie ein politisches Amt bekleidet haben oder in einer Partei waren", sagt ihr smarter Vorsitzender, der Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke. Sprecherin Dagmar Metzger spricht von einem "historischen Tag". Doch die wenig konkreten Inhalte des Parteiprogramms können die professoralen Protestler kaum übertünchen.

Immerhin: Die AfD wird in allen 16 Bundesländern zur Bundestagswahl antreten, dafür wurden seit April 80 000 Unterschriften von Unterstützern gesammelt. Denn in Bundesländern mit Landeslisten dürfen sich nur Parteien aufstellen lassen, die in einem Bundesland mindestens 2000 Unterschriften gesammelt haben. In Bayern, sagt Lucke, sei der Zuspruch mit 7000 Unterschriften am größten gewesen.

Mies bleiben aber die Umfragewerte der Partei. Eine Allensbach-Umfrage sah die AfD zuletzt bei 3,5 Prozent. In den vergangenen Wochen lag sie sogar darunter — nämlich stabil bei nur noch zwei Prozent. Der Zauber des Neuen scheint noch rascher verflogen zu sein als bei den Piraten. Woher einige Landesverbände die Gewissheit nehmen, auf bis zu zehn Prozent bei der Bundestagswahl zu kommen, bleibt ihr Geheimnis.

Zum Sinkflug in den bundesweiten Umfragen dürften auch personelle Querelen und Skurrilitäten der vergangenen Wochen beigetragen haben. Dazu gehören Geschichten wie diese: Der "Donaukurier" berichtet, dass er mit der Direktkandidatin für Freising und Pfaffenhoffen, der 37-jährigen Marie Madeleine von Kienlin, vergeblich versuchte, ein Interview zu führen. Als es nach längerem Hin und Her doch zu einem Redaktionsbesuch der Kandidatin kam, brach ein "Wahlkampfberater" das Gespräch nach zehn Minuten ab und empfahl von Kienlin, nicht mehr weiter zu antworten. Man könnte stattdessen gemeinsam ein Eis essen gehen, soll der Berater vorgeschlagen haben. Die Antworten auf entscheidende Fragen wie dem richtigen Weg aus der Euro-Krise blieb die Frau schuldig. Ein Einzelfall, möglicherweise.

In Bayern verpasste es die Partei jedenfalls auch wegen unprofessioneller Patzer bei den Formalitäten, für die dortige Landtagswahl im Herbst anzutreten. "Am Anfang muss man nicht auf jeder Hochzeit tanzen", wiegelt Lucke Kritik ab. In Berlin tritt man betont sachlich, professionell und unaufgeregt auf. Die Parteispitze distanziert sich auch von rechten Gesinnungen, dennoch zieht die AfD offenbar auch Mitglieder aus dem Spektrum der früheren Hamburger Schill-Partei oder der Republikaner an.

Der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf bezeichnete die Partei gar als "gefährlich" und "rückwärtsgewandt", weil sie für eine "homophobe Familienpolitik und reaktionäre Forderungen hinsichtlich ostdeutscher Bodenenteignungen" eintrete.

Lucke will von solchen Zuschreibungen nichts wissen. Er traut seiner Partei den Einzug in den Bundestag zu, sieht die AfD als "Partei der Nachhaltigkeit", sowohl in Finanz- als auch in gesellschaftlichen Fragen. "Unser Bekanntheitsgrad ist noch nicht befriedigend", räumt er ein. Aber das müsste sich in den kommenden Wochen eben noch ändern. Auf den Marktplätzen und in den Hallen der Republik soll zwar die Kritik am Euro-Rettungskurs der Bundesregierung im Mittelpunkt stehen. "Wir sehen uns hier ganz klar als einzige Oppositionspartei", sagt Lucke. Aber man will nun auch bei anderen Themen punkten: Die AfD will die Energiewende grundsätzlich überdenken und Strompreis treibende Subventionen streichen, sie will etwas gegen die "Unruhe" und "Frustration" unter den Soldaten tun und bei der Strukturreform der Bundeswehr nachbessern. Und sie will gegen ein Zwei-Klassen-Gesundheitssystem zu Felde ziehen und sich außerdem für den Bürokratieabbau im Gesundheitswesen einsetzen.

Bei diesen drei für sie neuen Themenfeldern will sich die AfD allerdings noch nicht festlegen. Konkrete Vorschläge liegen noch nicht vor, man will hier offenbar niemanden verprellen, formuliert sehr vorsichtig. In Bundesfachausschüssen soll jetzt nach und nach ein Vollprogramm entstehen, das möglicherweise erst nach der Bundestagswahl fertig werden wird.

Was denn das Alleinstellungsmerkmal der Partei sei und wofür sie stehe, will eine Journalistin am Ende der Pressekonferenz in Berlin wissen. Die Parteisprecherin blickt erstaunt in die Runde. Man habe das "Sprech-Tabu" in der Euro-Krise beendet, das allein sei doch schon ein Verdienst. Und man sei die einzige Partei, die den Bürgern ernsthaft wieder mehr Mitsprache in der Politik zutrauen will. Letzteres haben vor nicht allzu langer Zeit auch andere Polit-Neulinge für sich in Anspruch genommen: die Piraten. Sie liegen laut der Allensbach-Umfrage derzeit bei zwei Prozent.

(rl)
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