Teure Wahlversprechen von Union und FDP Wirtschaftsministerium zweifelt an Etatziel der Regierung

Berlin · Das von FDP-Chef Philipp Rösler geführte Bundeswirtschaftsministerium äußert in einem internen Papier erhebliche Zweifel an den Haushaltszielen der Bundesregierung, sollten Union und FDP ihre Wahlversprechen nach einem möglichen Wahlsieg umsetzen.

Sollten die zentralen "ausgabe- und einnahmerelevanten Maßnahmen", die derzeit von den Regierungsparteien vorgeschlagen würden, nach der Bundestagswahl umgesetzt werden, würde sich die Neuverschuldung des Bundes 2014 um "rund sieben bis acht Milliarden Euro mehr als verdoppeln", heißt es.

Die Neuverschuldung des Bundes würde demnach nicht wie geplant 2014 bei 6,2 Milliarden Euro liegen, sondern bei bis zu 14 Milliarden Euro. Damit wäre auch das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts 2015, also ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben ohne konjunkturelle Effekte hinfällig. "Bei Umsetzung aller Maßnahmen könnte das Ziel eines strukturellen Haushaltsausgleich wohl nicht eingehalten werden", heißt es in dem Papier. Im geltenden Finanzplan verspricht die Bundesregierung sogar einen Überschuss von zwei Milliarden Euro.

Union und FDP werben im Wahlkampf mit dem Versprechen einer soliden Haushaltspolitik. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht von einem "grundlegenden Politikwechsel" durch die schwarz-gelbe Koalition. FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle lässt plakatieren: "Keine neuen Schulden." Die Fachleute von FDP-Minister Rösler weisen nun auf 13 Seiten nach, dass die hehren Ziele mit den Wahlversprechen kaum vereinbar wären. Eine Abmilderung der kalten Progression im Steuerrecht etwa, der Abbau der überproportionalen Steuererhöhung bei Lohnsteigerungen, würde den Fiskus ab 2015 jährlich 2,4 Milliarden Euro kosten. Die Einnahmeausfälle durch eine schrittweise Absenkung des Solidaritätsbeitrages, wie von der FDP-Bundestagsfraktion vorgeschlagen, würde ein Minus von sechs Milliarden Euro ab 2014 bedeuten. Die Anhebung des Kinderfreibetrags auf den steuerlichen Grundfreibetrag von Erwachsenen würde den Fiskus mit jährlich 1,2 Milliarden Euro belasten.

Erhöhung des Kindergeldes kostet 700 Millionen Euro

Die Erhöhung des Kindergelds um zehn Euro pro Monat je Kind kostet nochmals 700 Millionen Euro. Die von der Union geforderte "Lebensleistungsrente", eine Aufstockung der Renten für Geringverdiener, schlägt den Berechnungen zufolge bis 2017 mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro zu Buche. Das von CDU/CSU beschlossene Infrastrukturprogramm würde 1,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Die Anpassungen im Rentensystem, etwa die Angleichung der Ost-West-Renten oder die Besserstellung der Mütter könnten mittelfristig ebenfalls den Haushalt belasten, schreiben Röslers Beamte. Die Reserven in der Rentenkasse wären "spätestens 2018 aufgebraucht", heißt es. Kritisch setzen sich die Fachleute auch mit geplanten Einnahmen auseinander. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, mit der laut Schäuble 2015 knapp zwei Milliarden Euro eingenommen werden sollen, werde "selbst bei gutem Willen aller Beteiligten wegen der technischen Herausforderungen kaum zu schaffen sein". Fazit: Die Fortführung eines "wachstumsorientierten Konsolidierungskurses" wäre mit einer Umsetzung der Maßnahmen "kaum vereinbar oder würde zu erheblichen Einsparzwängen in anderen Bereiche führen".

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums betonte, bei dem Papier handele es sich lediglich um einen "internen Informationsvermerk der Fachebene". Dem Minister sei das Papier aber bekannt. In Röslers Umfeld hieß es, Haushaltskonsolidierung genieße Priorität. Von möglichen Koalitionsverhandlungen mit der Union dürfe aber nicht die Gefahr einer höheren Neuverschuldung ausgehen.

(brö)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort