Josef Hecken Gesundheitsfunktionär empfiehlt Bier statt Therapie

Der CDU-Politiker Josef Hecken gilt als einer der mächtigsten Männer im deutschen Gesundheitswesen. Umso größer ist nun der Aufruhr. Der leitende Funktionär ist der Ansicht, dass nicht jeder psychisch Kranke einen Psychotherapeuten benötigt. Manchmal reiche auch eine Flasche Bier. Therapeuten reagieren bestürzt.

Kein Therapieplatz - Die Folgen
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Foto: Barmer GEK

Josef Hecken ist in der Gesundheitspolitik ein erfahrener Politiker. Vier Jahre lang wer er Justiz- und Gesundheitsminister im Saarland, 2009 wurde er Staatssekretär im Familienministerium, 2012 wechselte er auf den Posten des Vorsitzenden der GBA, dem Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern.

Diese Jahre an Erfahrungen haben den CDU-Politiker offensichtlich nicht davon abhalten können, einem Hang zur gelegentlich flapsigen Ausdrucksweise nachzugeben. Eine Äußerung, die aber nun aus einer Gremiumssitzung kolportiert wird, hat einen Sturm der Entrüstung provoziert.

Helles Entsetzen unter Psychotherapeuten

So soll Hecken gesagt haben, dass man halt nicht "neben jedem Bürger" einen Psychotherapeuten benötige. Eine Flasche Bier tue es manchmal auch. Und das als Vorsitzender eines Ausschusses, der unter anderem darüber entscheidet, welche Leistungen von Krankenkassen finanziert werden und welche nicht. Dem Berliner Tagesspiegel liegt Heckens Aussage im Protokoll der Ausschuss-Sitzung vor.

Bei Psychologen hat der schnoddrige Umgangston helles Entsetzen ausgelöst. Denn sie kämpfen in eigener Sache für mehr Kassensitze für Psychotherapeuten. Das Gesundheitswesen weist bei psychischen Erkrankungen Missstände auf: So sind in Deutschland Betroffene gezwungen, durchschnittlich drei Monate auf einen Therapieplatz zu warten. Dabei ist nicht etwa von Menschen mit gelegentlichen Tics die Rede, sondern mitunter schwer Depressiven, die dringend behandlungsbedürftig sind.

Alkohol macht Depressionen nicht besser

Entsprechend aufgebracht äußern sich nun Psychologen und Therapeuten. "Sie bagatellisieren und ignorieren mit Ihrer Bierflaschen-Metapher die Not unserer Patienten und stigmatisieren subtil Menschen mit schweren psychischen Störungen", zitierte unter anderem Spiegel Online aus einem Protestbrief an Hecken.

Im Tagesspiegel legte der Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, Dieter Best, nach. Den Empfehlung Heckens nennt er einen heftigen Ausrutscher - und verweist auf den Zusammenhang von Depression und Alkoholabhängigkeit.

Hecken verweist zur Rechtfertigung auf alte Hausmittel

Mehr aber noch irritieren ihn Heckens grundsätzliche Ansichten über den Stellenwert der Psychotherapie im Gesundheitswesen. So hält Best dem Funktionär eine gewaltige Fehleinschätzung vor. Der nämlich soll es als "Kardinalfehler" bezeichnet haben, Patienten den Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten ohne die Überweisung eines Arztes zu ermöglichen. Dabei habe diese 1999 vorgenommene Änderung viel bewirkt. Zuvor hätten Ärzte die Betroffenen mit Medikamenten ruhig gestellt, nun aber könnte schwer Erkrankten geholfen werden.

Hecken selbst lässt der Sturm der Entrüstung eher kalt. Spiegel Online bezeichnete er seine Äußerung als "unglücklich, weil missverständlich". Um seine Worte zu erläutern, verweist er auf die gute alte Hausmedizin. Er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass er "als Privatperson nicht jede Befindlichkeitsstörung wie zum Beispiel gelegentliche Einschlafprobleme als krankhaften und sofort behandlungsbedürftigen Zustand ansehe, sondern mir dann manchmal als altes und überliefertes Hausmittel eine Flasche erwärmten Bieres hilft".

Hecken erklärte, gegenüber der Bundespsychotherapeutenkammer bereits sein Bedauern zum Ausdruck gebracht zu haben. Es liege ihm fern, psychische Erkrankungen zu verharmlosen oder gar Alkoholgenuss als probate Alternative zu psychotherapeutischer Behandlung zu bezeichnen."

(pst)
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