Interview mit Jens Spahn "Populismus ist wie eine Droge"

Berlin · CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Umgang der CDU mit der AfD und über die Rolle des Islam in Deutschland.

 Jens Spahn sprach mit unserer Redaktion.

Jens Spahn sprach mit unserer Redaktion.

Foto: Sven Simon

Die CDU sieht ihren Platz in der Mitte Gesellschaft. Reicht diese Verortung aus, um der AfD Wähler wieder abspenstig zu machen?

Spahn Wir haben uns schon immer als Volkspartei der Mitte definiert. Wir haben dabei aber auch den gesellschaftspolitischen Auftrag, von rechts in die Mitte hinein zu integrieren. Die AfD spricht zudem Themen an, bei denen viele Menschen das Gefühl haben, dass wir die vernachlässigen.

Zum Beispiel?

Spahn Themen wie Einbruchskriminalität oder Diebstahl. Wenn selbst bekannte Serientäter nach Feststellung der Personalien wieder gehen dürfen und dem Opfer die lange Nase zeigen, dann frustriert das viele - übrigens auch die Polizisten. Und da, wo Integration nicht gelungen ist und Parallelgesellschaften entstanden sind, da sollten wir den Finger konsequent in die Wunde legen statt vornehm zu schweigen.

Hat die CDU rechts zu viel Platz gelassen und der AfD damit den Aufstieg erleichtert?

Spahn Wenn bei den letzten Landtagswahlen bei steigender Wahlbeteiligung die AfD der Sieger des Abends ist, dann ist das eine Klatsche für alle im Bundestag vertretenen Parteien. Wir sollten unsere Kernkompetenzen stärker rausarbeiten. Wer eine klare Vorstellung von Recht und Ordnung hat, ist bei der CDU zu Hause und wird ernst genommen. Eine starke Polizei etwa wünschen sich mehr Bürger als wir manchmal denken. Nur so können wir eine Volkspartei mit mehr als 40 Prozent Zustimmung bleiben.

Die AfD ist laut, schrill und in den sozialen Netzwerken sehr aktiv. Brauchen Sie möglicherweise auch eine andere Kommunikationsstrategie?

Spahn Die AfD schießt immer häufiger über das Ziel hinaus. Populismus ist da wie eine Droge. Die Dosis muss immer höher werden, die Forderungen immer abgedrehter, damit es noch wirkt. Das kann nicht unser Weg sein. Gleichzeitig lassen sich aus dem populistischen Furor aber auch Fragen rausschälen, die berechtigt sind, etwa zur Rolle des politischen Islam. Es macht keinen Sinn, die AfD immer nur frontal und pauschal als Gefahr für die Demokratie zu beschimpfen. Das nutzt sich ab und erreicht das Gegenteil - denn genau so ist der Front National in Frankreich groß geworden. Wir müssen uns mit den Themen differenziert auseinandersetzen. Also klar herausarbeiten, wo die AfD populistisch oder gar religions- und ausländerfeindlich ist, und andersrum die von ihr angesprochenen Probleme, die auch die Menschen in ihrem Alltag beschäftigen, offensiv bearbeiten.

Was meinen Sie konkret?

Spahn Nur weil die AfD maßlos überzieht, heißt das ja nicht, dass es nicht berechtigte Fragen an den Islam in Deutschland gibt. Wir sollten auf Dauer keine ausschließlich aus dem Ausland finanzierte Imame und Moscheen dulden. Imame sollten in Deutschland ausgebildet werden, auch deutsch sprechen und ihre Religion im Kontext der deutschen Gesellschaft lehren können. Denn anders als die AfD wollen wir den Islam sozusagen einbürgern: Wir sollten jene Muslime bestärken und unterstützen, die den Koran im Geiste des aufgeklärten 21. Jahrhundert auslegen und leben wollen.

Sollte es eine Kirchensteuer für Muslime in Deutschland geben?

Spahn Das können wir nicht verordnen. Wenn die Muslime sich als Gemeinschaft aber dahin entwickeln, sollten wir dafür offen sein. Sollte die CDU perspektivisch dabei bleiben, dass die AfD kein Koalitionspartner sein kann? Spahn Mit einer Partei, die mit ressentimentgeladenem Populismus arbeitet, kann die CDU nicht koalieren.

Eva Quadbeck führte das Interview.

(qua)
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