Landeszentralen für politische Bildung AfD-Politiker ziehen in Aufsichtsgremien ein

Berlin · Weil die AfD in mehreren Landtagen sitzt, darf sie nun auch Vertreter in die Kuratorien der Landeszentralen für politische Bildung entsenden. In Mecklenburg-Vorpommern kontrolliert nun ein wegen Volksverhetzung verurteilter Politiker die Landeszentrale und will den "ganz einseitigen” Kampf gegen Rechts beenden.

 In Thüringen sitzt Björn Höcke in einem der Aufsichtsgremien (Archivbild).

In Thüringen sitzt Björn Höcke in einem der Aufsichtsgremien (Archivbild).

Foto: dpa, mkx tba jai

In Thüringen sitzt Björn Höcke in dem Aufsichtsgremium. Wie groß ist der Einfluss der AfD-Hardliner auf die politische Bildung?

Bildung ist Ländersache. Die Landeszentralen für politische Bildung sind daher auch in jedem Bundesland verschieden organisiert. Ihre Arbeit wird in den meisten Fällen von Kuratorien kontrolliert, die sich aus Sachverständigen oder Abgeordneten der jeweiligen Landtage zusammensetzen. Weil dort inzwischen oft die AfD vertreten ist, sitzen mittlerweile in sechs Kuratorien bereits AfD-Politiker. Demnächst werden es neun sein.

In Mecklenburg-Vorpommern sind mit Holger Arppe, Ralph Weber und Dirk Lerche gleich drei Politiker vertreten, die alle als Vertreter des rechten Flügels der AfD gelten. Arppe wurde in erster Instanz wegen Volksverhetzung verurteilt, er legte jedoch Berufung ein und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Weber sprach davon, dass "Biodeutsche” sich für die "deutsche Leitkultur” einsetzen müssten und Lerche unterzeichnete die Erfurter Resolution, in der Björn Höcke und André Poggenburg 2015 eine konservativere Ausrichtung der AfD forderten.

Auch in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Sachsen sitzen AfD-Abgeordnete inzwischen in den Kuratorien der Landeszentralen für politische Bildung. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt wird dies der Fall sein, sobald die neuen Kuratorien sich erstmals nach den Landtagswahlen zusammenfinden. Und nach der Bundestagswahl könnten AfD-Abgeordnete auch ins Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung einziehen.

Mitglieder sollen Überparteilichkeit sicherstellen

Die Mitglieder der Kuratorien haben Einfluss auf die Arbeit der Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung. Die Aufgabe der Zentralen besteht darin, Veranstaltungen wie Diskussionsrunden oder Ausstellungen zu organisieren und politisch relevante Publikationen bereitzustellen. Sie sollen die Demokratie stärken und die politische Partizipation fördern.

Die Mitglieder der Kuratorien sollen sicherstellen, dass die Landeszentralen überparteilich, pluralistisch und unabhängig handeln. Dazu treffen sie sich mehrmals pro Jahr. Außerdem haben sie eine beratende Funktion und können in einzelnen Fällen auch thematische Schwerpunkte für die Arbeit der Landeszentralen festlegen. In manchen Bundesländern übernehmen dagegen andere Gremien oder der Hauptausschuss des Landtags diese Aufgabe. So sind auch in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen AfD-Abgeordnete in den Kontrollorganen vertreten.

Überall, wo die AfD als Fraktion im Landtag vertreten ist, darf sie nach Proporz eine bestimmte Anzahl an Abgeordneten für die jeweiligen Kontrollorgane nominieren. In Thüringen sitzt beispielsweise Björn Höcke als einziger AfD-Abgeordneter gemeinsam mit Politikern von CDU, SPD, der Linken und den Grünen im Kuratorium.

Kaum Zusammenarbeit mit AfD-Abgeordneten

Höcke selbst wollte sich auf Anfrage nicht zu seiner Arbeit in dem Kuratorium äußern. Seine Aufgabe scheint er jedoch nur teilweise zu erfüllen. Seit der Landtagswahl 2014 habe er nur einmal an einer Sitzung teilgenommen, sagt Ina Leukefeld, Abgeordnete der Linken und ebenfalls Mitglied des Thüringer Kuratoriums. Sie sagt: "Es gibt keine Zusammenarbeit mit Björn Höcke. Wir vermissen ihn nicht.” Selbst wenn er Einfluss nehmen wolle, sagt Leukefeld, seien Höckes Möglichkeiten begrenzt. Schließlich sei er nur einer von zehn Abgeordneten, das Kuratorium entscheide aber stets nach dem Mehrheitsprinzip. "Er könnte höchstens seine Meinung sagen, aber das ist bisher noch nicht geschehen.” Stattdessen sei Höcke bisher erst einmal in Erscheinung getreten, als er in wenigen Sätzen die Arbeit der Landeszentrale lobte.

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Martina Weyrauch, Leiterin der Brandenburger Landeszentrale für politische Bildung. Steffen Königer, der einzige AfDler im Kuratorium, sei bisher hauptsächlich durch Nichtstun aufgefallen. Daher sieht Weyrauch der Zusammenarbeit mit der AfD "entspannt” entgegen. Sie freue sich sogar über die Möglichkeit, den Oppositionellen öfter die eigene Sichtweise auf politische Themen erklären zu können. Auf Anfrage erklärte ein Mitarbeiter von Königer, dieser habe bisher vor allem die Finanzierung von Veranstaltungen der Landeszentrale hinterfragt und wolle zukünftig Jugendlichen die Idee der direkten Demokratie nahebringen.

Im Kuratorium von Mecklenburg-Vorpommern hingegen könnte es bald zu Auseinandersetzungen kommen. In einer Stellungnahme gegenüber CORRECTIV kündigte der AfD-Abgeordnete Holger Arppe an, gemeinsam mit seinen beiden Kollegen zukünftig die "Unwucht in den Zielstellungen der Landeszentrale für politische Bildung” beheben zu wollen. Dort hätten sich viele Mitarbeiter "ganz einseitig dem Kampf gegen Rechts verschrieben”. Die AfD richte ihr Augenmerk jedoch "auf alle Formen des politischen und religiösen Extremismus”, schreibt Arppe: "Unsere Demokratie wird eben aus vielen Richtungen bedroht.” Folglich müsse auch der wachsende Linksextremismus vehement bekämpft werden. "Dieser Tatsache muss auch die Landeszentrale für politische Bildung verstärkt Rechnung tragen”, kündigt Arppe an.

Mecklenburg-Vorpommern scheint jedoch eine Ausnahme zu sein. In den anderen Bundesländern halten sich die AfD-Politiker in den Kuratorien auffallend zurück. Keine der während dieser Recherche kontaktierten Personen hat von nennenswerten Spannungen berichtet. Man sagt den AfD-Abgeordneten nach, dass sie in den Parlamenten nicht durch besonderes Engagement auffallen. Gleiches scheint auch für die Mitglieder der Kuratorien zu gelten.

Der Autor ist Mitarbeiter des Recherchezentrums CORRECTIV. Die Redaktion, mit der unsere Zeitung kooperiert, finanziert sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org

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