Edmonton Sterbehilfe in Kanada erstmals erlaubt

Edmonton · Ghislain Leblond aus Québec City leidet an einer unheilbaren Muskelkrankheit. Der Kanadier sitzt seit zehn Jahren im Rollstuhl, bald wird er ganz gelähmt sein und schließlich das Bewusstsein verlieren. Wenn es soweit ist, würde der 69-Jährige gern einen Arzt bitten, ihm beim Sterben zu helfen.

Lange war Sterbehilfe in ganz Kanada verboten, doch nun wird dem Rentner sein Wunsch ermöglicht. Das Parlament der Provinz Québec hat nach jahrelanger Debatte ein Gesetz beschlossen, das die Sterbehilfe legalisiert - erstmals in einer Region in Nordamerika.

Bei der freien Abstimmung votierten 92 Abgeordnete aller vier im Parlament vertretenen Parteien dafür, 22 waren dagegen. Laut dem neuen Gesetz dürfen Ärzte in Québec Schwerstkranke nun auf deren Wunsch so stark mit Beruhigungsmitteln behandeln, dass diese im künstlichen Koma sterben. Sie können ihnen auch Medikamente verabreichen, die direkt zum Tod führen. Voraussetzung ist, dass der Patient unheilbar krank und das Krankheitsstadium so weit fortgeschritten ist, dass eine Verbesserung nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem muss der körperliche oder psychische Schmerz so stark sein, dass er auch mit Medikamenten nicht mehr einzudämmen ist.

Die letzte Entscheidung über die medizinischen Voraussetzungen obliegt nun dem behandelnden Arzt, der weitere Kollegen konsultieren muss. Die Bitte des erwachsenen Patienten muss den Ärzten schriftlich vorliegen. Außerdem darf kein Arzt zur Sterbehilfe gezwungen werden.

Der letzte Punkt war besonders dem Premierminister der Provinz, Philippe Couillard, wichtig. "Ohne diese Änderung hätte ich das Gesetz nicht unterstützen können", sagte Couillard im Parlament von Québec City. Vor seiner Karriere in der Politik hatte Couillard selbst als Neurochirurg in einer Klinik in Montréal gearbeitet und viele todkranke Patienten behandelt, die aufgrund starker Schmerzen "nur noch einschlafen" wollten.

Das sogenannte Gesetz 52 sieht außerdem den Ausbau der Palliativmedizin vor, der Behandlung unheilbar Kranker. Die ist in weiten Teilen Kanadas noch rückständig. Je nach Wohnort hat nur jeder dritte Patient Zugang zu ihr. In Québec müssen künftig alle Krankenhäuser einen eigenen Plan zur Behandlung Sterbenskranker aufstellen.

Palliativmediziner und die katholische Kirche hatten sich lange gegen das Gesetz gewandt. Die Kirche hatte darauf hingewiesen, dass Patienten schon jetzt das Recht hätten, Behandlungen abzubrechen. Das neue Gesetz erlaubt es Ärzten jetzt jedoch, den Tod herbeizuführen. "Das verstößt gegen grundlegende menschliche Werte", erklärten die Bischöfe.

Das Wort Sterbehilfe taucht in dem neuen Gesetz gar nicht auf, vielmehr ist von medizinischer Hilfe beim Sterben die Rede. Juristisch ist dies von großer Bedeutung, denn eigentlich ist die Sterbehilfe in Kanada ein Straftatbestand - und ist als solche Angelegenheit der Zentralregierung in Ottawa. Québec hält den Alleingang dennoch für gerechtfertigt und argumentiert, Sterbehilfe sei die Fortsetzung von palliativer Behandlung am Lebensende. Damit wäre sie eine Frage der Gesundheitsvorsorge - und die ist Sache der Provinzen.

Eine große Mehrheit der Kanadier unterstützt die Sterbehilfe, laut jüngsten Umfragen zwei Drittel. Auch Ghislain Leblond ist jetzt erleichtert. Er nannte das neue Gesetz einen "Akt der Menschenwürde" - und hofft, dass es Bestand hat.

(RP)
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