Krise vor dem Bayern-Spiel Dortmund sucht sein Defensiv-System

Hannover · Das 2:4 in Hannover war für den BVB der vorläufige Tiefpunkt einer Negativ-Entwicklung. Das System von Trainer Peter Bosz und die Einstellung seiner Spieler passen aktuell nicht zusammen. Vor dem Topspiel gegen Bayern München knirscht es.

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Auch 90 Minuten nach Abpfiff war Hans Joachim Watzke noch in Rage, zumindest seinem Fahrstil auf der Autobahn 2 nach zu urteilen. Mit viel Tempo auf der linken Spur zog der BVB-Geschäftsführer in seiner Limousine vorbei an anderen Autos, so wie zuvor Hannover-96-Doppeltorschütze Ihlas Bebou an der Dortmunder Verteidigung.

Neun Gegentore in drei Liga-Spielen

Mit grimmiger Mine hatte Watzke zuvor verfolgt, wie die Schwarz-Gelben bei der 2:4-Niederlage einmal mehr jegliche Einstellung zur defensiven Arbeit vermissen ließen. Angefangen bei Stürmer-Star Pierre-Emerick Aubameyang, der in Hannover 90 Minuten lang kaum einmal den Weg in die eigene Hälfte suchte, bis hin zu Schlussmann Roman Bürki, der erneut einen Elfmeter verursachte. So hatte der Aufsteiger wenig Probleme, dem BVB die Saison-Gegentore acht bis elf einzuschenken.

Nun wären elf Gegentore aus zehn Spielen noch kein Grund, um allzu kritisch mit der Dortmunder Defensive umzugehen, doch allein neun dieser Treffer entstanden in den vergangenen drei Spielen, beim 2:3 gegen Leipzig, dem 2:2 in Frankfurt und nun beim 2:4 in Hannover.

Immer wieder überspielte der Gegner dabei die anlaufende Dortmunder Defensive mit langen Bällen hinter die letzte Verteidigungsreihe, schon in Frankfurt hätte es so mehr als nur die zwei Gegentreffer setzen müssen. Hannover nutzte diese Taktik nun eiskalt aus: Vor dem von Jonathas sicher verwandelten Elfmeter zum 1:0 (10.), beim Konter zum 2:1 von Bebou (40.), vor Klaus‘ Freistoß zum 3:2 samt Notbremse von Zagadou als letzter Mann (60.) und auch bei Bebous zweitem Treffer zum entscheidenden 4:2 (86.). Zwischenzeitlich hatte erst Zagadou (27.) und später Yarmolenko (52.) für den BVB ausgeglichen.

BVB kassierte so viele Rote Karten wie zwischen 2013 und 2017

Ein weiterer Negativeffekt dieses riskanten Systems: Der Platzverweis gegen Zagadou war bereits die zweite Rote Karte für einen BVB-Innenverteidiger in der laufenden Saison – so viele kassierte der BVB zuvor in vier Jahren zusammen. Die Ausfälle von Leistungsträgern wie Lukasz Piszczek oder Ömer Toprak tun ihr übriges dazu, dass der BVB immer wieder leichteste Gegentore zulässt.

Trainer Peter Bosz wollte nach dem Spiel den Fehler weniger im System, denn in der Einstellung seiner Spieler suchen: "Hannover war viel aggressiver, das war das Problem. Man kann über Systeme reden, aber wenn man nicht aggressiv spielt, dann kann man kein System spielen." Wobei sein Team immerhin 56 Prozent aller Zweikämpfe gewann, nicht aber die Entscheidenden. Exemplarisch für Bosz‘ Analyse war Ihlas Bebous zweites Tor kurz vor Spielende, der einen langen Ball erlief und dann von Gegenspieler Marc Bartra maximal begleitet, nicht aber angegriffen wurde und schließlich den Ball zur Vorentscheidung in die lange Ecke setzte.

Unterstützung bekam der Trainer von seinem Kapitän: "Das war von der Einstellung her nicht unser Anspruch. Wir müssen ganz schnell wieder die Form finden, die uns stark gemacht hat", sagte Marcel Schmelzer. Noch klarer drückte es nach der zweiten Niederlage im dritten Bundesliga-Spiel in Folge Sportdirektor Michael Zorc aus: Das war pomadig, selbstgefällig und über weite Strecken Alibifußball. Wenn du so auftrittst, gewinnst du kein Spiel in der Bundesliga."

Wenig Geduld mit Bosz

Die Stimmung beim BVB vor dem Topspiel gegen Bayern München am Samstagabend (18.30 Uhr) und zuvor am Mittwoch gegen Nikosia (20.45 Uhr) in der Champions League ist schlecht. Unter den Fans rumort es, nachdem Bosz auch im dritten Spiel in Folge erfolglos an seinem System der hohen Verteidigung festhielt. Schon in den ersten, noch sehr erfolgreichen Spielen deuteten sich die nun zu Tage tretenden Defensiv-Probleme an. Spätestens RB Leipzig entzauberte die Dortmunder mit knallharter Zweikampfführung in jedem Bereich des Feldes samt daraus resultierenden Ballgewinnen und der Zerstörung des BVB-Spiels.

Viel Geduld mit Bosz hat man in Teilen des Dortmunder Umfelds nicht, nachdem Vorgänger Thomas Tuchel als Pokalsieger gegangen worden war. Sie wollen vom 53-Jährigen nun ähnliche Erfolgserlebnisse, auch das Duo Watzke und Zorc steht durch den Trainerwechsel unter Druck. Der Trainer gibt sich nach der jüngsten Niederlage noch gelassen: "Da war keine Krise und da ist keine Krise", sagte Bosz in Hannover. Doch auch er weiß: Verteidigt der BVB gegen die Bayern wie zuletzt, wird es spätestens am Samstagabend eine sein.

(cbo)
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