Kerbers Erfolg wird zur Fitnessfrage "Sie hat mich in jede Ecke geschickt"

Düsseldorf/Melbourne · Zum ersten Mal muss Angelique Kerber bei den diesjährigen Australian Open richtig kämpfen. Gegen die Taiwanesin Su-Wei Hsieh beißt sich die Deutsche durch. Wie viele Kraftreserven hat die frühere Weltranglisten-Erste im Damentennis noch?

Australian Open 2018: Angelique Kerber ringt Su-Wei Hsieh nieder
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Kerber ringt Hsieh nieder

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Foto: dpa, sm hjb

Nach ihrer Energieleistung im Achtelfinale der Australian Open war Kerber einfach nur erleichtert. "Sie hat unglaublich gespielt", sagte die 30-Jährige über ihre Gegnerin: "Sie hat mich in jede Ecke geschickt. Ich war überall auf dem Platz." Kerber stand gegen die frühere Nummer eins im Doppel kurz vor dem Aus. Im zweiten Satz lag sie 4:5, 0:15 zurück, konnte die teilweise spektakuläre Partie aber noch drehen und verwandelte nach 2:08 Stunden ihren dritten Matchball zum 4:6, 7:5 und 6:2.

Hsieh, die im Turnierverlauf Wimbledon-Siegerin Garbine Muguruza aus Spanien und anschließend die an Nummer 26 gesetzte Polin Agnieszka Radwanska ausgeschaltet hatte, verlangte der Kielerin alles ab. Die Nummer 88 der Welt verteilte die Bälle klug, streute Stoppbälle und Winkelschläge ein und gab Kerber wenig Tempo, sodass diese ihr gefürchtetes Konterspiel nicht wie gewohnt aufziehen konnte und selbst das Tempo machen musste.

"Ich stand mit dem Rücken an der Wand, sie hat mich an den Rand der Verzweiflung gebracht", räumte Kerber später ein, sagte aber auch: "Ich habe die ganze Zeit daran geglaubt, dass ich dieses Match noch gewinnen kann. Kopf, Körper und Herz haben heute zusammengespielt."

"Sie stand immer schon da, wo ich den Ball hingespielt habe", sagte Kerber, die zwischenzeitlich innerlich zu kochen schien, am Ende aber doch kühlen Kopf behielt und im dritten Satz auch von ihrer beeindruckenden Fitness profitierte. Während Hsieh zunehmend müde wirkte, war Kerber noch voll da. "Je länger das Match ging, desto mehr habe ich gemerkt, dass ich mich auf meine Fitness und meine Beine verlassen konnte", sagte Kerber einige Stunden nach ihrem Match im Eurosport-Interview.

Doch wie lange hält die Kraft noch? Kerber spielt seit Jahresbeginn ohne Pause durch. Beim Hopman Cup erreichte sie an der Seite von Alexander Zverev das Finale, danach gewann sie das WTA-Turnier von Sydney. Der Sieg gegen Hsieh war ihr 13. Erfolg in Serie. So viele Matches wie Kerber hat in diesem Jahr noch niemand in den Beinen.

Bislang war sie bei den Australian Open ohne viel Mühe weitergekommen, nicht so gegen Hsieh. "Ich bin heute so viel gerannt wie in den letzten zwei oder drei Matches zusammen", sagte Kerber. "Das Match war so intensiv und so anstrengend", schob sie bei Eurosport hinterher. "Ich werde mich heute lange behandeln lassen." Zwölf Minuten im Eisbad hatte sie da schon hinter sich.

Im Viertelfinale wartet nun eine völlig andere Aufgabe auf die 30-Jährige. Die US-Amerikanerin Madison Keys setzt voll auf Power. Sie profitiert von ihrem starken Aufschlag und harten Grundschlägen, ist allerdings auch fehleranfällig. Lange Ballwechsel sind am Mittwoch also nicht zu erwarten. Und Keys ist eine Gegnerin ganz nach dem Geschmack von Kerber. Gegen die 22-Jährige wird sie wieder kontern können, das liebt Kerber. Die Bilanz spricht klar für die Deutsche. Von sieben Matches gegen Keys gewann sie sechs. Keys hat im bisherigen Turnierverlauf allerdings voll überzeugt und noch keinen einzigen Satz verloren.

Noch drei Siege trennen Kerber vom Titel beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, den sie 2016 - damals völlig überraschend - schon einmal gewann. Mittlerweile wird sie bei den Buchmachern als Favoritin geführt. Mit ihrem neuen Coach Wim Fissette an ihrer Seite hat sie neues Selbstbewusstsein gesammelt, wirkt neben dem Platz nach dem schweren Jahr 2017 befreit und gelöst. "Es ist wichtig, dass Wim und ich uns auch neben dem Platz gut verstehen", sagte Kerber über die Zusammenarbeit mit dem Belgier.

Das Duo hat schon jetzt viel erreicht. Der Titel in Sydney war Kerbers erster seit den US Open 2016. Auch ins Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers war sie seitdem nicht mehr eingezogen - bis jetzt. Egal, wie lange die Kraft in Melbourne noch reicht: Kerber hat den Turnaround geschafft und sich eindrucksvoll in der Weltspitze zurückgemeldet.

(areh)
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