München Amazon startet Shop für Geschäftskunden

München · Millionen Kunden kaufen beim Online-Händler bereits Bücher, Spiele und Elektrogeräte. Nun will der US-Konzern auch an Unternehmen Produkte verkaufen - dieser Markt ist um ein Vielfaches größer. Die Chancen sind gewaltig.

Als Amazon 1994 gegründet wurde, war das Unternehmen zunächst ein Buchhändler, dann wurde es zum Allesverkäufer, zum Serienproduzenten und Online-Speicher-Anbieter. Immer mehr Märkte besetzt der Online-Händler, dessen Ziel es laut Deutschland-Chef Ralf Kleber ist, "alle Produkte auf der ganzen Welt online verfügbar zu machen". Vor knapp anderthalb Jahren startete Amazon daher in den USA auch einen Online-Shop für Geschäftskunden, in dem diese von Büromöbeln bis zur Laborausrüstung alles kaufen können. Schon damals erklärte ein Manager, dass der Service mit der Zeit international ausgebaut werden könne.

Nun ist es offenbar soweit. Noch vor Weihnachten will der Online-Händler nach Informationen unserer Redaktion seine Plattform für Geschäftskunden unter dem Namen "Amazon Business" in Deutschland starten. Drei Jahre habe das Unternehmen an der Umsetzung gearbeitet, heißt es, zuletzt habe man intensiv nach Partnern gesucht, die zum Start ihre Produkte bei Amazon Business anböten. "Das Amazon-Prinzip wird im Grunde eins zu eins auf den B2B-Bereich übertragen, nur mit den Vorteilen des Großhandels à la Metro", heißt es im Umfeld des Unternehmens. Amazon ließ eine Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

B2B, das ist die Abkürzung für das Geschäft mit Geschäftskunden, also zum Beispiel Konzernen, Familienunternehmen, aber auch kleinen Handwerksbetrieben - ein Milliardenmarkt, der bislang aber in Deutschland noch zu größten Teilen vom stationären Großhandel betrieben. Längst buhlen jedoch verschiedene Online-Shops wie das Start-up Contorion, das Düsseldorfer Unternehmen Zoro oder Reuter.de aus Mönchengladbach um die Kundschaft. Denn der Markt ist ein Vielfaches größer als bei Konsumgütern. "B2B-E-Commerce macht über 95 Prozent des gesamten E-Commerce-Marktvolumens aus", heißt es in einer Studie des Instituts für Handelsforschung (Köln). 2013 ermittelten die Forscher einen Online-Umsatz im B2B-Bereich von rund 870 Milliarden Euro. "Anteilsmäßig beläuft sich der Umsatz, der im B2B-Geschäft über Online-Shops generiert wird, auf gerade einmal ein Prozent", heißt es. Kurzum: Wer diesen Markt erobert, macht ein gewaltiges Geschäft.

Entsprechend hohe Priorität genießt das Projekt angeblich bei Amazon. In München soll sich ein eigenes Projektteam um Amazon Business kümmern, das bestätigen mehrere Quellen unabhängig voneinander. "Intern heißt es, das werde 'the next big thing'", sagt einer.

Wie beim "normalen" Shop soll es auch bei Amazon Business den Verkauf direkt durch den Online-Händler sowie einen Marktplatz geben, auf dem Unternehmen eigenständig ihre Produkte anbieten können.

Das Sortiment soll zunächst aus den Bereichen Elektronik, Industriegüter, Sanitär und Bürobedarf bestehen. Mit einem ähnlichen Sortiment hatte Amazon 2015 auch in den USA um Firmen geworben -und nach einem Jahr mehr als eine Milliarde Umsatz mit rund 400.000 belieferten Unternehmen gemacht.

Um Amazon Business nutzen zu können, sollen die Betriebe zunächst ein Konto eröffnen müssen. Dabei würde auch ihre Steuernummer abgefragt. Nach dem Kauf hätten die Kunden bis zu 30 Tage Zeit für die Bezahlung, heißt es. Auf der Seite würden Netto-Preise angezeigt, der Kunde bekäme andere Preise angeboten als "normale" Amazon-Kunden.

Auch für die Händler will Amazon offenbar Anreize schaffen, so gibt es zum Beispiel eine Zahlungsgarantie für Verkäufe über die Plattform - wenn der Kunde nicht zahlt, soll Amazon angeblich einspringen. Um die Anbieter dazu zu bringen, ihren Versand über Amazon abzuwickeln, lockt der Online-Händler mit einem besseren Ranking auf den Produktseiten. Verkäufern würden daher auch Daten über die Einkäufe zur Verfügung gestellt, so dass sie neue Kunden gewinnen können. "Amazon will die Kontrolle über die Lieferkette", heißt es im Umfeld des Konzerns. "Das wird eins zu eins so sein wie in Amerika", heißt es.

Mit dem neuen Angebot würde Amazon den Großhandel gehörig unter Druck setzen. Unternehmen wie der Schrauben-Händler Würth setzen noch vergleichsweise zögerlich auf das Online-Geschäft, auch in der Sanitär-Branche sind Angebote wie Reuter.de eher die Ausnahme. Mit Amazon käme nun ein weiterer hinzu - noch dazu einer, der über gewaltige Finanzmittel verfügt und viel Erfahrung darin besitzt, die Kundenwünsche zu bedienen.

"Viele Hersteller haben momentan Angst, mit einem eigenen Shop online zu gehen, weil sie vom Großhandel unter Druck gesetzt werden: Wenn ihr direkt an Kunden verkauft, schmeißen wir euch aus dem Sortiment. Vielen war das Risiko hoher Umsatzeinbußen zu groß", heißt es im Umfeld von Amazon. Gleichzeitig geraten die Händler jedoch von anderer Seite unter Druck. "Das Kundenverhalten ändert sich momentan schneller als der Markt. Die Hersteller stehen dadurch vor großen Herausforderungen. Früher war es üblich, dass Produkte in unterschiedlichen Ländern zu verschiedenen Preisen angeboten werden. Heute finden diese Produkte durch den Online-Handel ihren Weg zurück nach Deutschland", sagt Dirk Kiele-Dunsche, Geschäftsführer von Zoro, einer Tochter des US-Anbieters Grainger. Angst hat er vor Amazon nicht. Grainger gehöre in den USA zu den 13 größten Internet-Händlern, das Umsatzwachstum sei zweistellig. "Nach unseren Analysen sind wir in den USA im Produktbereich Werkzeuge noch stärker als Amazon."

Auch Amazon dürfte zunächst eher für andere Marktteilnehmer zum Problem werden: Den deutschen Großhandel.

(frin)
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