Karlsruhe/Bonn Telekom-Aktionäre hoffen auf Schadenersatz

Karlsruhe/Bonn · Der Bundesgerichtshof stellt einen schweren Fehler beim 3. Börsengang fest. Profitieren können aber nur Anleger, die bereits klagten.

Die Deutsche Telekom hat bei einem großen Anlegerschutzprozess eine harte Niederlage erlitten. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass der Konzern seine Anleger bei einem wichtigen Detail zum 3. Börsengang am 19. Juni 2000 nicht richtig informiert hatte. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Verfahren.

Worum geht es?

Der Konzern hat im Börsenprospekt laut BGH den falschen Eindruck erweckt, er habe einen Anteil am US-Mobilfunker Sprint mit einem Buchgewinn von 9,8 Milliarden Euro veräußert. In Wahrheit hatte er aber nur den Anteil innerhalb der Telekom auf eine andere Tochterfirma übertragen. Als Ergebnis musste der Konzern dann nach Angaben des Anleger-Anwalts Andreas Tilp später rund sechs Milliarden Euro auf den Wert der Beteiligung abschreiben.

Wer profitiert von dem Urteil?

Rund 17 000 Anleger hatten den Konzern in einem Musterververfahren verklagt, weil sie nach dem Börsengang am 19. Juni 2000 hohe Verluste erlitten hatten. Die Papiere waren zu 66,50 Euro vom Bund verkauft worden, stürzten dann aber späterunter zehn Euro ab. "Alle diese Anleger können nun auf Schadenersatz hoffen", sagt die Düsseldorfer Anlegerschutzanwältin Nicole Mutschke. Leer gehen dagegen die schätzungsweise rund eine Million Kleinanleger aus, die ebenfalls Papiere gekauft hatten, aber keine Klage einreichten. "Aktionäre, die nicht geklagt haben, können vom neuen Urteil nicht profitieren, weil die Verjährungsfrist von zehn Jahren zu Ende ist", sagt Anwältin Mutschke.

Gibt es Schadenersatz?

Die Telekom erklärt, dies sei eher unsicher. "Das ist ein Märchen", meint dagegen der Stuttgarter Anlegeranwalt Andreas Tilp, der die Musterklage vor dem Bundesgerichtshof vertreten hatte. Er sagt, den Anlegern stünde zu, dass sie ihre Papiere zum früheren Kaufpreis von 66,50 Euro zurückgeben können, weil der Prospektfehler festgestellt worden sei. Insgesamt würden den Anlegern damit 90 Millionen Euro an Schadenersatz rückwirkend für 2010 zustehen, hinzu käme eine Verzinsung des Schadenersatzes bis heute im Wert von mehr als 50 Millionen Euro. Vor zu großen Hoffnungen warnt dagegen die Düsseldorfer Anwältin Mutschke: "Der BGH hat das Verfahren zur weiteren Entscheidung nun an das Oberlandesgericht abgegeben." Und das Oberlandesgericht müsse laut BGH nun prüfen, welchen genauen Zusammenhang es nun zwischen Prospektfehler und Verlusten der Anleger gebe.

Wie hoch liegt der wahre materielle Schaden?

Rund sechs Milliarden Euro schrieb die Telekom später auf den Wert von Sprint ab. Bezogen auf die Zahl von drei Milliarden Telekom-Aktien im Jahr 2000 entstand damit ein Schaden von zwei Euro pro Papier. Damit würden die Kläger gemeinsam nicht einmal zehn Millionen Euro an Schadenersatz erhalten, wenn das Oberlandesgericht sich am wahren materiellen Schaden orientiert.

Worüber kann die Telekom sich freuen?

Der Bundesgerichthof stellte fest, dass er kein Problem damit hat, dass die Deutsche Telekom die vielen Tausend Grundstücke des Bonner Konzerns beim ersten Börsengang nur sehr oberflächlich bewertet hatte und dann später bei ihrer Bewertung herunterstufte. Ein Grund dafür ist, dass fast kein Anleger die T-Aktie wegen der Grundstücke kaufte, wogegen wichtige Beteiligungen wie bei Sprint schon wichtig waren.

Welche Folgen hat das Urteil insgesamt?

Die Konzerne müssen bei Kapitalerhöhungen oder Börsengängen noch mehr aufpassen, dass sie die Anleger korrekt informieren. Das ist im Prinzip gut so. Allerdings führt dies dazu, dass zu vielen Themen Informationen verweigert werden, weil jeder Fehler im Prospekt zu Klagen führen kann.

(RP)
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