Unerwünschte Nebenwirkung Diese Medikamente machen dick

Bonn · Der Blutdruck ist zwar wieder im Lot, doch plötzlich spielt die Waage verrückt und das Gewicht klettert nach oben. Das kann einer der unerwünschten Nebeneffekte sein, die Medikamente mit sich bringen. Wir erklären, welche Pillen dick machen.

Bluthochdruck ist gefährlich. Er multipliziert das Risiko für tödliche Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Häufig ist Übergewicht der Auslöser für organische Entgleisung. Betablocker sind die gängigen Medikamente, die den Körper wieder ins Lot bringen sollen. Doch neben der erwünschten Wirkung sorgen sie bei manchen Menschen auch für sehr unangenehme Probleme.

Denn viele Arzneimittel wirken sich auf Stoffwechsel und Appetit aus, und bewirken als Nebenwirkung eine Gewichtszunahme. So auch manche Betablocker. Sie reduzieren den Energie-Stoffwechsel und fahren die Fettverbrennung runter. Empfindliche Patienten merken, dass sie antriebslos und müde werden. Vor allem bei Therapiebeginn legen sie an Gewicht zu. "Ein bis zwei Kilos kann man durch eine umgestellte Ernährung auffangen", sagt Dr. Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. "Wenn man aber mehr als fünf Prozent des Körpergewichts zugenommen hat, dann sollte man das vom Arzt checken lassen", rät sie. Keine Lösung hingegen ist es, auf das verschriebene Medikament zu verzichten. Zumal die unangenehme Nebenwirkung nicht bei allen Patienten auftritt.

Mit der Pille wächst der Appetit

Neben Betablockern sind häufig Antidepressiva gewichtige Sorgenkinder. Während Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer sich kaum im Gewicht niederschlagen, sind sogenannte trizyklische Antidepressiva — vor allem solche mit sedierender Wirkung — ähnlich problematisch wie die tetrazyklischen Mittel wie zum Beispiel Clozapin und Olanzapin als bekannte Vertreter. Sie hemmen bestimmte Rezeptoren und lassen den Appetit steigen.

Schon als die Psychopharmakologie in den 1950er Jahren noch in ihren Kinderschuhen steckte, war die Zunahme des Körpergewichts bei der Therapie psychiatrischer Krankheiten als ausgewachsenes Problem bekannt. Erst neuere Untersuchungen aber begeben sich auf Ursachenforschung. Denn die Zunahme an Kilos ist alles andere als rein ein Problem des guten Aussehens. Patienten berichten in Foren vom Überspringen zweier Konfektionsgrößen. Innerhalb von drei Monaten, klagt etwa eine Betroffene, hätte sie 15 Kilo mehr auf den Rippen. In Anbetracht einer Gewichtszunahme von zehn Kilos in knapp einem Jahr schreibt eine andere Patientin: "Ich bin ich ratlos. Ich komme mir mittlerweile vor, wie eine rollende Bowlingkugel und wenn ich mich im Spiegel betrachte, werde ich noch depressiver." Experten halten das sinkende Selbstwertgefühl neben einem steigenden Risiko für Herzerkrankungen, Infarkte und Schlaganfälle für eine der größten Schwierigkeiten.

Medikamente absetzen ist keine Lösung

Sie sprechen in dem Fall von einer mangelnden Compliance: Der Betroffene kann unter den gegebenen Umständen kaum dazu bewegt werden, das notwendige Medikament weiter einzunehmen. Vor allem dann nicht, wenn sich zur psychiatrischen Erkrankung auch noch Diabetes und Bluthochdruck gesellen. In eine Schockstarre zu verfallen, ist in diesem Fall trotzdem die schlechteste Medizin. Ratsam hingegen das offensive Gespräch mit dem behandelnden Arzt. "Der kann überlegen, ob andere Wirkstoffgruppen in Frage kommen", sagt Sellerberg. Nicht immer ist es leicht, herauszufinden, was zur Gewichtszunahme führt. Eines der hervorstechenden Merkmale einer Depression ist zum Beispiel der soziale Rückzug. Daraus resultiert häufig eine Bewegungsarmut: Andere Medikamente führen zu Mundtrockenheit, die die Betroffenen durch Dauerlutschen von Bonbons zu bekämpfen versuchten. Beides lasse sich dann nach kurzer Zeit pfundig hochrechnen.

Schwierigkeiten können zudem Anti-Babypillen bereiten. Denn die eingenommenen Östrogene können Wassereinlagerungen bewirken. In diesem Fall gilt also nicht das Fett als Belastungsprobe auf der Waage. Moderne Anti-Baby-Pillen, die das Gestagen Drospirenon enthalten, verringern allerdings das Risiko. Grundsätzlich kann der kritische Blick auf das Wiegeinstrument dennoch nicht schaden, denn die Einnahme von Hormonen beflügelt häufig auch den Appetit.

Diabetes — eine mögliche Folge von Übergewicht — wird mit Insulin und Antidiabetika bekämpft. Auch sie können jedoch in Umkehrung zusätzliche Pölsterchen entstehen lassen. Das Problem kennen zudem Asthma- oder Rheuma-Patienten. Sie nehmen zur Linderung ihrer Beschwerden Kortisonpräparate ein. Die haben allerdings die Eigenschaft, appetitanregend zu sein und den Stoffwechsel zu verlangsamen. Das wirkt sich auf die Verwertung von Fett und Zucker aus. Zumindest Asthmatiker haben dazu manchmal eine Alternative: Ein Asthma-Spray bekämpft die Atemnot, wirkt nur lokal.

(wat)
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