Ratingen In der Friedenskirche geht's um den Krieg

Ratingen · Neues Sonntags-Diskussionsforum zu aktuellen Themen. Am Sonntag standen in der Friedenskirche die Waffenlieferungen im Mittelpunkt.

Die Friedenskirche wird den Weltfrieden nicht herbeiführen können. Aber ihr Name und ihre Aktivitäten bürgen für Nachhaltigkeit in der Diskussion darüber. Pastor Thomas Gerhold hat nun ein neues Diskussionsforum kreiert, das um 12.30 Uhr nach dem Gottesdienst beginnt und in unregelmäßiger Folge zur Behandlung von Fragen der Zeit Raum geben soll, auch mit Fachleuten. Wie sehr er mit diesem Vorhaben ins Schwarze getroffen hatte, zeigte sich gestern ohne Zweifel in einer Besucherzahl von mehr als 50 Teilnehmern - auch jugendlichen - die um die bevorzugte Zeit des Mittagessens zuhören und mitreden wollten.

Zulässig verkürzt heißt es in einem der aktuellen Predigttexte "Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge" - für viele eine erschreckende Beschreibung der kriegsschwangeren Gegenwart. Dagegen gestellt das generelle Thema der Debatte: "Wo stehen wir und wofür stehen wir ein? Welche christlichen Prinzipien gelten noch?", und zwar angesichts der vom Bundestag beschlossenen Waffenlieferungen in ein Krisengebiet.

Als Mandatsträgerin, die diesen Beschluss mit trägt, positionierte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, als Kontrahent Jochen Petzschmann vom Forum ziviler Friedensdienst, Köln. Und als aktives Gemeindeglied die ehemalige Bundestagsabgeordnete Margot von Renesse, streitbar für ihre politischen Grundsätze, unschlagbar im Zitieren von Bibelstellen und Gedichten und zuverlässig in der Erinnerung an geschichtliche Zusammenhänge.

Und womit beginnt die traute Gemeinde im Zeichen des Friedens? Sie singt tatsächlich John Lennons "Imagine", am Klavier flott durchgeknüppelt von Josef Waggin. "Stell Dir vor, all die Leute leben ihr Leben in Frieden", heißt es da. Und es fragt ein Träumer. Vom Leben im Frieden kann jetzt keine Rede sein, und "Frieden schaffen ohne Waffen", wie es sich in der späteren Diskussion Jochen Petzschmann inständig wünschen wird - davon sieht man eher einmütig nichts, obgleich mancher davon träumt.

Thomas Gerhold wirft die Fragen auf: "Wir wissen nicht mehr so recht, wer in den Konflikten die Guten, wer die Bösen sind. Wir wissen nicht mehr, ob unsere Position noch die richtige ist - wenn wir denn eine haben. Wir sehen die Bilder auf unseren Bildschirmen. Das Mittelalter ist zurück, Menschen werden wegen ihres Glaubens umgebracht. Wir lesen die Aufrufe von Priestern und Bischöfen aus dem Irak, die uns hart fragen, warum hilft uns niemand?"

Dann stimmt der Deutsche Bundestag für eine Waffenlieferung in ein Krisengebiet. Eine Entscheidung, die wohl niemand Anfang des Jahres für möglich gehalten hätte. Sie leuchtet jetzt vielen ein, wie man zum Schluss der Diskussion wird resümieren können. Kerstin Griese berichtet von der Begegnung mit Emil Shimoun Nona, dem chaldäisch-katholischen Erzbischof von Mossul, der im August verzweifelt in Berlin seine Erlebnisse im Irak schilderte, dessen Vorgänger ermordet worden und der nun selbst heimatlos ist. Griese, kirchlich geprägt und friedensbewegt, konnte etliche evangelische (Zeit)Zeugen, unter anderem mit ihren Zitaten den ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands, Wolfgang Huber, Präses Schneider, Rupert Neudeck und Dietrich Bonhoeffer zur Hilfe rufen: "Wer nichts tut, ist auch nicht ohne Schuld." Sie hat sich für die Waffenlieferungen entschieden - mit allen Einschränkungen, mit einem positiven Votum für einen "wehrhaften Frieden" und der Betonung eines außergewöhnlichen Ereignisses.

(gaha)
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