Bozen Messner wird 70 und feiert im Biwak

Bozen · Er ist einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt, aber auch einer der umstrittensten. Kritiker werfen Reinhold Messner Ehrgeiz und Egoismus vor. Andere bewundern seine Lebensleistung, zu der auch ein Museumsprojekt gehört.

Reinhold Messner wird 70 und feiert im Biwak
Foto: dpa

Er ist ein Mann der Extreme, einer, der immer höher hinaus will als alle anderen. Mangelnder Ehrgeiz war nie Reinhold Messners Problem, eher der Mangel an hochkarätigen Herausforderungen. Als Fünfjähriger stand er auf seinem ersten Dreitausender. Gut 35 Jahre später hatte er als erster Mensch alle 14 Achttausender der Welt bestiegen, bewältigte den Mount Everest ohne Sauerstoff und später im Alleingang. Daheim in Südtirol baute er das "Messner Mountain Museum" mit fünf Häusern zum Thema Berg-Mensch, die sechste Dependance auf 2775 Metern ist fast fertig. Messner scheint niemals zur Ruhe zu kommen, er ist ein Getriebener, ein Grenzgänger, wie er selber sagt. Auch an seinem heutigen 70. Geburtstag ändert sich daran nichts - Messner feiert nicht festlich auf seinem Schloss Juval bei Meran, sondern hoch oben in den Dolomiten im Biwak.

Bis heute prägt ein furchtbarer Verlust sein Dasein, vielleicht eine Triebfeder seiner Rastlosigkeit. "Die Nanga-Parbat-Tragödie bleibt wie ein Riss in meinem Leben", schreibt er in seinem neuen autobiografischen Buch "Über Leben". 1970 durchstieg er mit seinem Bruder Günther als erste Expeditionsteilnehmer die Rupalwand, die höchste Steilwand der Welt. Günther starb. Rechtsstreitigkeiten hatte Messner sowohl mit dem Expeditionsleiter Karl-Maria Herrligkoffer, dem er unterlassene Hilfeleistung vorwarf, als auch Jahrzehnte später mit den Ex-Kameraden. Prozesse brachten keinen wirklichen Frieden. Messner sagt bis heute: "Es ist und bleibt eine Rufmordgeschichte." Im Gespräch mit "Spiegel online" erklärt der Bergsteiger, dass sein Überleben damals nur Zufall gewesen sei. "Günthers Tod war meine schlimmste Niederlage, nun lebe ich mit der Last des Überlebenden."

In Südtirol hat sich Messner mit seinen Museen schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. An fünf Orten befasst er sich mit Bergvölkern und Bergsteigen. Seit Jahren liebäugelt er zudem mit dem Film. Er wolle "den Berg als Hauptdarsteller auf die Leinwand" bannen. Dazu bewirtschaftet Messner Bergbauernhöfe; in Sulden am Ortler züchtet er Yaks, seine Stiftung unterstützt Bergvölker. Gleichwohl ist das Verhältnis zu seinen Landsleuten in Südtirol nicht ungetrübt. Messner hat sich nie vereinnahmen lassen von der lokalen Politik, sondern stets seinen eigenen Kopf durchgesetzt. Als Nestbeschmutzer und Heimatverräter wurde er deshalb beschimpft, sonderlich gestört hat es ihn nie. Probleme spornten ihn eher an. "Wenn ich Widerstand empfinde, dann versuche ich, diesen Widerstand zu überwinden. Eine Felswand ist ja nichts anderes", sagt der Alpinist im Film "Messner".

Weil er und seine Generation in den 70er und 80er Jahren das Bergsteigen veränderten, machte Messner sich auch in der Alpinisten-Szene nicht nur Freunde. Er kritisierte von nationalem Ehrgeiz getriebene "Gipfelsiege" - der Berg sei schließlich kein Feind - und propagierte ein Bergsteigen nur für sich selbst. Mit dem Verzicht auf Expeditionstross, Fixseile und Flaschensauerstoff prägten er und einige andere damals den Alpinstil. Und als Kommunikationstalent setzte er sich dann auch selbst in Szene. Bis heute weiß er sich eloquent zu präsentieren - ob in Buchform oder als Talkshow-Gast. In "Über Leben" philosophiert er etwa über die "Menschennatur", die "zuallererst zum Überleben" verpflichte und folgert schließlich: "Das Überlebthaben ist also die Basis für mein ,Über Leben'." Auch das: "Sogar die Entdeckung, dass die Welt dieselbe wäre, hätte es mich nie gegeben, ist keine Zumutung mehr."

Das Bergsteigen will Messner auch mit 70 nicht aufgeben. Mit zwei Trägern käme er noch auf der Touristenroute den Mount Everest hinauf, sagt er. Das sei ihm aber zu peinlich, lieber gehe er mit seinem Sohn in Südtirol klettern. Dort können ihm zumindest keine Yetis begegnen. Denn auch diesen Mythos hat Messner bei seinen Reisen entzaubert: Der sagenhafte Schneemensch, versichert er, sei nichts anderes als ein Bär.

(RP)
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