Welchen Beruf hat Bibiana Steinhaus-Webb?
Bibiana Steinhaus-Webb ist Polizistin. Sie führte den Titel einer Polizeihauptkommissarin und ist im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport als Sachbearbeiterin tätig gewesen. In Deutschland kennt man sie natürlich in erster Linie als berühmteste Schiedsrichterin im Profifußball. Wenn ihre knapp bemessene Freizeit es zulässt, dann schnürt sie aber doch noch ab und an die Fußballschuhe und kickt in der niedersächsischen Polizeiauswahl.
Wie verlief die Karriere von Bibiana Steinhaus-Webb?
Als Fußballerin nach eigenen Angaben allerhöchstens Durchschnitt, entpuppte sich Steinhaus unter den Unparteiischen als absolute Ausnahmeerscheinung. Der Obmann, der ihr erstes Spiel in der Bezirksstaffel in Hattorf bei Göttingen beobachtete, sagte nach dem Spiel über sie: „So ein Talent hast du einmal in hundert Jahren.“ Dementsprechend rasant verlief der Aufstieg der Bibiana Steinhaus-Webb. Die Schiedsrichterin hakte in der Folge Liga um Liga ab. 1999 wurde sie bereits DFB-Schiedsrichterin und konnte Spiele der Frauen-Bundesliga leiten. Zwei Jahre später pfiff sie dann in der Regionalliga ihre erste Partie im Profi-Bereich der Männer. Ab 2003 war sie Schiedsrichterassistentin in der Zweiten Bundesliga, wo sie in der Saison 2007/08 mit TSG 1899 Hoffenheim gegen SC Padderborn 07 ihr erstes Spiel leiten durfte. Dieser historische Einsatz hatte Folgen. Das Medien-Echo war gewaltig, denn erstmals in der Geschichte des deutschen Fußballs durfte eine Frau eine Partie in einer so hohen Spielklasse leiten. Auch andere Schiedsrichterinnen gelangten nun in den Fokus und konnten sich Chancen ausrechnen, es einst ebenso weit zu bringen. Doch Steinhaus-Webb war noch lange nicht am Ende ihrer Karriere angelangt. Kurz nachdem sie begonnen hatte, Zweitligaspiele zu pfeifen, wurde sie bereits als vierte Offizielle in der Bundesliga eingesetzt. Fußballer und Zuschauer gewöhnten sich an das Bild der blonden Frau im schwarzen, gelben oder blauen Dress an der Seitenlinie.
Bei den Frauen ist sie schon lange etabliert. So ist sie bei der Europameisterschaft 2009 in Finnland ebenso mit von der Partie wie beim Algarve-Cup 2009 und 2011, der als wichtigstes Turnier der Frauen neben EM und WM gilt. Auch bei der WM im eigenen Land, der Weltmeisterschaft 2011 wird sie eingesetzt. Selbiges gilt für die Olympischen Spielen 2012 in London, wo sie als erste Frau die Finalspiele leitet. Weitere Berufungen erfolgen zur EM 2013 in Schweden, der U 20-WM 2014 in Kanada sowie der regulären WM 2015 ebenfalls in Kanada und vorerst zuletzt bei der EM 2017 in den Niederlanden. Champions League-Partien und internationale Qualifikationsspiele zählten ebenfalls zu ihren Einsatzgebieten. Am 1. Juni 2017 leitete sie das Champions-League-Finale zwischen den französischen Top-Teams Olympique Lyon und Paris St. Germain in Cardiff. Auch für die Weltmeisterschaft 2019 wurde sie nominiert, kam allerdings nur im Gruppenspiel zwischen Frankreich und Norwegen zum Zug.
Seit der Saison 2017/18 durfte sie als erste Frau überhaupt endlich auch Bundesligaspiele der Herren pfeifen. Die erste Begegnung unter ihrer Leitung fand am 10. September 2017 zwischen Hertha BSC Berlin und Werder Bremen statt. Zwischen 2017 und 2020 kam sie in insgesamt 23 Bundesliga-Partien zum Einsatz. Ab 2018 arbeitete sie auch als Video-Assistentin. Als sie am 30. September 2020 ihren Rücktritt bekanntgab, räumte sie ein, trotzdem weiterhin in diesem Metier tätig zu sein.
Am 9. August 2021 gab der DFB bekannt, dass die Schiedsrichterin den deutschen Verband verlässt, um künftig als „Women's Select Group Director“ bei der Schiedsrichtervereinigung PGMOL für den höchsten englischen Fußballverband FA zu arbeiten. Sie kommentierte das folgendermaßen: "Der Frauenfußball in England setzt mit den aktuellen Rahmenbedingungen völlig neue Maßstäbe. Ich freue mich auf die großartige Gelegenheit, meine vielfältigen Erfahrungen als Schiedsrichterin mit den Unparteiischen in England zu teilen und sie dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen sowie belastbare Strukturen innerhalb des Verbandes für eine optimale Entwicklung zu implementieren", erklärte Steinhaus-Webb. Der deutsche Schiedsrichter-Chef Lutz-Michael Fröhlich bezeichnete den künftigen Posten der prominenten Polizistin als "neuen Meilenstein in ihrer Karriere im Fußball".
Warum hat Bibiana Steinhaus-Webb als Schiedsrichterin aufgehört?
Obwohl Steinhaus-Webb die Altersgrenze als Schiedsrichterin noch lange nicht überschritten hatte, gab sie am 30. September 2020 ihr Karriereende bekannt. Am selben Abend leitete sie noch das DFL-Supercup-Spiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund. An jenem Abend erklärte sie, sie wolle sich zu einem späteren Zeitpunkt detaillierter zu ihrem Rücktritt äußern. Der damalige DFB-Präsident Fritz Keller erklärte: "Ich bedauere das frühzeitige Karriereende von Bibiana Steinhaus sehr. Der deutsche Fußball muss künftig nicht nur auf eine herausragende Schiedsrichterin verzichten, sondern verliert auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit und Pionierin in einer Männerdomäne."
Dabei war es wohl vor allem die Institution DFB, die Steinhaus-Webb dazu bewegte, dem Profifußball in Deutschland zu entsagen. So verlieh sie öffentlich ihrer Enttäuschung Ausdruck, dass ihr in der doch langen Zeit ihrer Tätigkeit keine Schiedsrichterin nachgefolgt sei. Verantwortlich dafür sei vor allem der DFB. "Fußball kann so viel mehr. Er nutzt vor allem seine gesellschaftliche Rolle nicht ausreichend, weil er die Gesellschaft nicht mehr abbildet“, sagte sie beispielsweise. Dem Interims-DFB-Präsident Rainer Koch warf Steinhaus-Webb zudem vor, sie aufgrund ihres Engagements für die Gruppe "Fußball kann mehr" unter Druck gesetzt zu haben. Die Initiative setzt sich für personelle Veränderungen beim DFB sowie für Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Fußball ein. Ihr gehören folgende Persönlichkeiten an:
- Almuth Schult (Profi-Fußballerin)
- Bibiana Steinhaus-Webb (Schiedsrichterin)
- Claudia Neumann (Kommentatorin)
- Gaby Papenburg (Präsidentschaftskandidatin für den Berliner Fußballverband)
- Helen Breit (Vorsitzende der Fanorganisation „Unsere Kurve“)
- Jana Bernhard (Geschäftsführerin der S20 – The Sponsors‘ Voice e.V.)
- Katja Kraus (Geschäftsführerin Jung von Matt Sports)
- Katharina Kiel (Geschäftsführerin talentZONE GmbH)
- Sandra Schwedler (Aufsichtsratsvorsitzende FC St. Pauli)
Diese acht Forderungen des Netzwerks brachten den DFB im Mai 2021 in Erklärungsnot:
- Verbindliche Quote für Fußballverbände von mindestens 30% Frauen in Führungspositionen (etwa im Präsidium, Vorstand, Geschäftsführung) bis 2024
- Verbindliche Quote von mindestens 30% Frauen in Aufsichtsräten sowie die Besetzung eines jeden (Club-)Vorstandes/Geschäftsführung von allen Männer- und Frauen- Profiligen mit mindestens einer Frau bis 2024
- Paritätischer Unterbau von Frauen und Männern auf der zweiten Führungsebene bei Verbänden und Clubs bis 2024 (~50% Quote)
- Gezielte Programme zur Herstellung der Chancengleichheit von Frauen für die sportnahen Bereiche in den Clubs (Trainer*innen, Scouting, Nachwuchsleistungszentren, Trainer*innenlizenz, Managementprogramme usw.)
- Gehaltstransparenz - Gleiche Bezahlung für den gleichen Job auf jeder Hierarchiestufe
- Die Veränderung der Rahmenbedingungen, die Frauen und Diversität in der Organisation stärken (Recruiting, Personalentwicklung, Karriereplanung, Female-Mentoring- Programme, Vereinbarkeitsregelungen, Führung in Teilzeit, Infrastruktur am Arbeitsplatz usw.)
- Eine geschlechtergerechte, diskriminierungsfreie Sprache auf allen Ebenen des Fußballs
- Konsequente Sanktionierung jeder Form von Sexismus und Diskriminierung, auch außerhalb des Platzes und entsprechende Anlaufstellen für Betroffene
Als die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die Schiedsrichterin zur Resonanz auf das Positionspapier mit den acht Forderungen befragte, antwortete sie: "Nachdem wir unsere Forderungen laut formuliert haben, schlägt uns eine unglaublich breite Unterstützung entgegen. Die kommt, wie wir selbst, aus den unterschiedlichsten Bereichen des Fußballgeschäfts und der Gesellschaft. Menschen weit über den Fußball hinaus spüren, dass die Zeit für mehr Diversität reif ist. Auch aus der Politik haben wir Feedback erhalten, so hat sich zum Beispiel Malu Dreyer, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, öffentlich stark für unser Positionspapier eingesetzt, auch der niedersächsische Innen- und Sportminister Boris Pistorius. Diese Rückmeldungen stärken uns, geben uns und unserer Initiative Kraft. Wir sind überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."
Dass man der hochdekorierten Schiedsrichterin nach ihrer aktiven Laufbahn lediglich einen Job im "Kölner Keller" angeboten hatte, unterstreicht in den Augen mancher Beobachter die Vermutung, dass es beim DFB nicht weit her ist mit der Wertschätzung für Frauen. Als auch noch herauskam, dass DFB-Interimspräsident Rainer Koch wohl versucht hatte, die prominente Schiedsrichterin dazu zu bewegen, sich von "Fußball kann mehr" zu distanzieren, war das Tischtuch zwischen Steinhaus-Webb und dem Verband offenbar zerschnitten, auch wenn Erstere in der Öffentlichkeit nicht weiter darauf eingehen wollte.
Das ist Bibiana Steinhaus